- Eröffnung
Am 2. Sonntag nach Epiphanias lenken wir den Blick auf das, was mit dem weihnachtlichen Kommen Gottes in der Welt tatsächlich geschieht. Die Worte des Wochenspruches aus dem 1. Johannesbrief fassen das in aller Kürze zusammen: Von seiner Fülle haben wir alle genommen Gnade um Gnade.
- Deiner Gotterkenntnis Strahl – Ein Lied: „Du Morgenstern, du Licht vom Licht“ (EG 74)
1) Du Morgenstern, du Licht vom Licht,
das durch die Finsternisse bricht,
du gingst vor aller Zeiten Lauf
in unerschaffner Klarheit auf.
2) Du Lebensquell, wir danken dir,
auf dich, Lebend’ger, hoffen wir;
denn du durchdrangst des Todes Nacht,
hast Sieg und Leben uns gebracht.
3) Du ewge Wahrheit, Gottes Bild,
der du den Vater uns enthüllt,
du kamst herab ins Erdental
mit deiner Gotterkenntnis Strahl.
4) Bleib bei uns, Herr, verlass uns nicht,
führ uns durch Finsternis zum Licht,
bleib auch am Abend dieser Welt
als Hilf und Hort uns zugesellt.
- Es ist ein Raum bei mir – Worte aus 2. Mose 33,18-23
Und Mose sprach: Lass mich deine Herrlichkeit sehen!
Und der HERR sprach: Ich will vor deinem Angesicht all meine Güte vorübergehen lassen und will ausrufen den Namen des Herrn vor dir:
Wem ich gnädig bin, dem bin ich gnädig,
und wessen ich mich erbarme, dessen erbarme ich mich.
Und er sprach weiter: Mein Angesicht kannst du nicht sehen;
denn kein Mensch wird leben, der mich sieht.
Und der Herr sprach weiter: Siehe, es ist ein Raum bei mir, da sollst du auf dem Fels stehen. Wenn dann meine Herrlichkeit vorübergeht, will ich dich in die Felskluft stellen und meine Hand über dir halten, bis ich vorübergegangen bin. Dann will ich meine Hand von dir tun, und du darfst hinter mir her sehen; aber mein Angesicht kann man nicht sehen.
- In der Felsspalte – Gedanken zur Herrlichkeit Gottes (2. Mose 33,18-23)
Wie stellen Sie sich Gott vor? Was ist Euer Gottesbild? Populär ist das Bild von der herrschaftlichen Gestalt in den Wolken, würdig, weise und weißbärtig. So erscheint es auf vielen alten Kunstwerken. Und oft in den Köpfen derer, die mit dem Glauben an Gott nicht viel anfangen können. Seltener bei den Gläubigen selbst.
Oder ist es das Bild eines auf schmähliche Weise hingerichteten menschlichen Körpers? Geboren in einem Stall von der Jungfrau Maria, in einer Krippe liegend. Ein Gott von menschlicher Gestalt aus Fleisch und Blut.
Oder ist es das (Nicht-)Bild einer gestaltlosen Energie, die sich auf rätselhafte Weise durch das Universum bewegt.
Oder eben gar keine Vorstellung; aber doch ein Gedanke, ein Glaube an Gott; etwa dass er allmächtig sei oder gütig oder beides.
Oder ist es doch das biblische Bild des väterlichen Hirten, der sich sorgsam um seine Herde kümmert.
Oder das Bild in den jüdischen Witzen, wie den von der Mutter, deren Kind im Meer zu ertrinken droht. Die Mutter schreit zum Himmel bis Gott sich erbarmt und das Kind an den Strand gelangen lässt. Glücklich schließt die Mutter es in seine Arme, schaut es an; richtet wieder ihren Blick zum Himmel und klagt: Und? Wo ist seine Mütze? Ein Bild von Gott, das seine große Macht zeigt; aber auch seine gelegentliche Schludrigkeit, wenn es um unsere menschliche Bedürfnisse geht.
Alle diese Bilder und Vorstellungen bleiben unvollkommen, das liegt in der Natur der Sache. Denn genau das ist Gott eben nicht, was wir in ihm zu sehen glauben oder über ihn zu wissen meinen, oder woran wir uns festhalten wollen; und genau das ist er auch wiederum, weil alle diese Bilder und Vorstellungen nicht von ungefähr kommen und – mehr oder weniger – ihre Berechtigung haben.
Auch die Geschichte von Mose in der Felsspalte malt eines dieser rätselhaften, unvollkommenen und zugleich wahrhaften Bilder von Gott. Auch in diesem Bild entzieht er sich einer endgültigen Verbildlichung. Auf die Anfrage des Mose, ob er Gottes Angesicht sehen könne, weist der Allmächtige das Ansinnen zurück. Und doch verbirgt er sich nicht. Er gibt Auskunft über sein Wesen und seine Gestalt.
Gott sagt: Ich bin der Gute und Schöne, ich bin der, der dir – Mose – seinen göttlichen Namen offenbart, und ich bin derjenige, dessen Antlitz nicht gesehen werden darf, weil kein Mensch damit leben kann. Ich zeige dir nicht, wie ich aussehe, aber ich zeige dir meinen Rücken. Ich komme dir ganz nahe, aber ich schütze dich vor meiner Gegenwart. Ich bin bei dir, aber das wird dich auch voll und ganz in Anspruch nehmen.
In diesem Bild Gottes erscheint er in seiner Herrlichkeit; oder wortwörtlich übersetzt: in seiner Gewichtigkeit; oder mit dem Thema des Sonntags benannt, in all seiner Fülle. Fast in einer menschlichen Gestalt, die vom Angesicht und vom Rücken und von der Hand Gottes erzählt; und dann doch wieder in einer überirdisch unerträglichen, hoheitlichen Gestalt, die den menschlichen Verstand übersteigt.
Diesen Gott, diesen durchaus ansprechbaren Gott, tritt Mose in dringender Angelegenheit entgegen. Das Volk Israel hat sich einem falschen Bild Gottes zugewandt, dem goldenen Kalb. Ja, tatsächlich sind nicht alle Bilder von Gott geeignet. Aus Zorn hat Mose die Tafeln mit den Geboten zerbrochen und nun will Gott sich abwenden von den Israeliten, die ohne ihn hilflos in der Wüste verblieben. Mose bittet für sein Volk; er will Gott sehen, so als ob er nachforschen möchte, was in Gottes Angesicht zu lesen ist. Ob er noch einmal Gnade wird walten lassen. Gott aber lässt sich nicht in die Karten schauen; doch er offenbart sich als Gott dieses Volkes Israel. Mächtig und treu, gütig und streng, nahbar und unnahbar zugleich, in diesem Widerspruch.
Und weil so ein Widerspruch nicht für den Alltag taugt, gibt es zwei neue Tafeln mit den Geboten. Wer sich daran hält, wird Gott nicht verlieren. Wer es erträgt, dass Gottes Angesicht unsichtbar bleibt, wird seiner Nähe gewiss sein.
Liebe Gemeinde,
diese Passage erzählt also davon, dass Gottes Fülle unseren menschlichen Verstand übersteigt. Würden wir Gott in all seiner Herrlichkeit begegnen, wiche das Leben, weil wir vor seinem Angesicht nicht aus noch ein wüssten.
Deshalb sollen wir uns kein Bild machen von ihm.
Deshalb haben wir Bilder von Gott, die uns durch die Wüste des Lebens führen.
Das Bild der 10 Gebote, deren erstes uns vor allem auf Gott verweist.
Wir haben das Bild Jesu Christi, in dem sich Gott uns zeigt als Mensch und den Nächsten liebender Mensch.
Wir haben die Gedanken der Philosophen und die Gemälde der Künstler. Sie mögen uns hier und da einen Anhalt geben.
Auch im kleinsten Bild, so wie es ein Kind malen würde, wenn es sich nach Geborgenheit sehnt, kann Gott verborgen und sichtbar sein.
Es kann uns eine Seite von Gott zeigen.
Es kommt nur darauf an, die andere Seite nicht zu vergessen.
Der treue Gott ist auch ein eifersüchtiger Gott.
Der menschliche Gott ist auch der Gott, der Himmel und Erde erschaffen hat.
Der Gott der Geborgenheit ist auch der Gott, der uns in die Welt schickt ohne jede Sicherheit.
Der schale Gott der Philosophen wird nur dann greifbar, wenn er auch durch das Bild der klagenden Mutter im jüdischen Witz ergänzt wird.
Gott ist mir also nahe und Gott entzieht sich mir im selben Moment. So bleibt er ungreifbar, lässt sich nicht festlegen auf das, was ich in meiner Fehlbarkeit gerne festlegen würde. Zugleich habe ich aber das Bedürfnis, ihm nahe zu sein, weil ich bei ihm Schutz und Geborgenheit finden möchte.
Vielleicht ist aber gerade das die Absicht. In dieser Spannung von lebensgefährlicher Überforderung und zärtlicher, behutsamer Nähe wird Gottes Gegenwart verständlich. Da zeigt sie sich in all ihrer Fülle; verwirrend für meinen Verstand, aber gerade dann entscheidend wichtig, wenn mein Verstand in dieser Welt versagt.
Dann brauchen wir den Frieden, der höher ist als alle unsere Vernunft, der tiefer reicht als unsere Angst, in dem wir bewahrt bleiben mit allen Sinnen in Christus Jesus. Amen.
- Gib uns Halt – Miteinander und füreinander beten
Großer Gott, gewähre uns ein Bild von dir,
zeige dich uns in deiner Fülle,
die uns Halt gibt in einer haltlosen Welt.
Eine Welt, die von Krieg und Gewalt erfüllt ist.
Bestärke uns auf dem Weg zu Frieden und Gerechtigkeit.
Mit deiner Fülle von Liebe und Nächstenliebe.
Gib uns Halt in einer Welt, die unser Leben und das Leben unserer Liebsten bedroht.
Angesichts von Krankheit, Einsamkeit und Tod.
Bleibe bei uns.
Mit deiner Fülle von Liebe und Nächstenliebe.
Gib uns Halt in einer Welt, die deinen Glauben braucht.
Erwecke ihn in uns. Stärke deine Gemeinde.
Gib uns Vertrauen in deine Schöpfung, dass wir sie nach Kräften bewahren und in ihr wirken.
Mit deiner Fülle von Liebe und Nächstenliebe.
Großer Gott, gewähre uns ein Bild von dir,
zeige dich uns in deiner Fülle,
die uns Halt gibt in einer haltlosen Welt.
In Jesus Christus erkennen wir
die Fülle von Liebe und Nächstenliebe.
Mit seinen Worten beten wir.
Vater unser im Himmel,
geheiligt werde Dein Name.
Dein Reich komme.
Dein Wille geschehe,
wie im Himmel, so auf Erden.
Unser tägliches Brot gib uns heute.
Und vergib uns unsere Schuld,
wie auch wir vergeben unsern Schuldigern.
Und führe uns nicht in Versuchung,
sondern erlöse uns von dem Bösen.
Denn dein ist das Reich und die Kraft
und die Herrlichkeit in Ewigkeit.
Amen.
- Segen
Es segne und behüte uns der allmächtige und barmherzige
Gott, Vater, Sohn und Heiliger Geist.
Er bewahre uns vor Unheil und führe uns zum ewigen Leben.
Amen.
(Pfr. Olaf Wisch)