- Eröffnung
„Kommt her zu mir, alle, die ihr mühselig und beladen seid; ich will euch erquicken.“
Diese herzliche Einladung Jesu aus dem Matthäusevangelium steht heute über dieser Woche. Diese Einladung gilt nicht nur für heute, für diesen Tag, sondern für unser ganzes Leben. Aber wird sie auch gehört?
- Von den reichen Gütern deines Hauses – Aus Psalm 36
Herr, deine Güte reicht, so weit der Himmel ist,
und deine Wahrheit, so weit die Wolken gehen.
Deine Gerechtigkeit steht wie die Berge Gottes /
und dein Recht wie die große Tiefe.
Herr, du hilfst Menschen und Tieren.
Wie köstlich ist deine Güte, Gott,
dass Menschenkinder unter dem Schatten deiner Flügel Zuflucht haben!
Sie werden satt von den reichen Gütern deines Hauses,
und du tränkst sie mit Wonne wie mit einem Strom.
Denn bei dir ist die Quelle des Lebens,
und in deinem Lichte sehen wir das Licht.
- Ein Lied: „Kommt her, ihr seid geladen“ (EG 213)
1) Kommt her, ihr seid geladen,
der Heiland rufet euch;
der süße Herr der Gnaden,
an Huld und Liebe reich,
der Erd und Himmel lenkt,
will Gastmahl mit euch halten
und wunderbar gestalten,
was er in Liebe schenkt.
2) Kommt her, verzagte Sünder,
und werft die Ängste weg,
kommt her, versöhnte Kinder,
hier ist der Liebesweg.
Empfangt die Himmelslust,
die heilge Gottesspeise,
die auf verborgne Weise
erquicket jede Brust.
3) Kommt her, betrübte Seelen,
die Not und Jammer drückt,
mit Gott euch zu vermählen,
der wunderbar beglückt.
Kommt, legt auf ewig ab
der Sünde bange Säumnis;
empfanget das Geheimnis,
das Gott vom Himmel gab.
4) O Wonne kranker Herzen,
die mir von oben kam!
Verwunden sind die Schmerzen,
getröstet ist der Gram.
Was von dem Himmel fließt,
hat lieblich sich ergossen;
mein Herz ist gar durchflossen
vom süßen Liebesgeist.
5) Drum jauchze, meine Seele,
hell aus der Sündennacht!
Verkünde und erzähle
die tiefe Wundermacht,
die unermesslich süß,
ein Born der Liebe, quillet
und jeden Jammer stillet,
der fast verzweifeln ließ.
6) Drum jauchze, meine Seele,
drum jauchze deinem Herrn!
Verkünde und erzähle
die Gnade nah und fern,
den Wunderborn im Blut,
die sel’ge Himmelsspeise,
die auf verborgne Weise
dir gibt das höchste Gut.
- Noch Raum da – Evangelium nach Lukas (Lk 14,15-24)
Da aber einer das hörte, der mit zu Tisch saß, sprach er zu Jesus: Selig ist, der das Brot isst im Reich Gottes! Er aber sprach zu ihm: Es war ein Mensch, der machte ein großes Abendmahl und lud viele dazu ein. Und er sandte seinen Knecht aus zur Stunde des Abendmahls, den Geladenen zu sagen: Kommt, denn es ist schon bereit! Da fingen sie alle an, sich zu entschuldigen. Der erste sprach zu ihm: Ich habe einen Acker gekauft und muss hinausgehen und ihn besehen; ich bitte dich, entschuldige mich. Und ein andrer sprach: Ich habe fünf Joch Ochsen gekauft und ich gehe jetzt hin, sie zu besehen; ich bitte dich, entschuldige mich. Wieder ein andrer sprach: Ich habe eine Frau geheiratet; darum kann ich nicht kommen. Und der Knecht kam zurück und sagte das seinem Herrn. Da wurde der Hausherr zornig und sprach zu seinem Knecht: Geh schnell hinaus auf die Straßen und Gassen der Stadt und führe die Armen und Verkrüppelten und Blinden und Lahmen herein. Und der Knecht sprach: Herr, es ist geschehen, was du befohlen hast; es ist aber noch Raum da. Und der Herr sprach zu dem Knecht: Geh hinaus auf die Landstraßen und an die Zäune und nötige sie hereinzukommen, dass mein Haus voll werde. Denn ich sage euch: Keiner der Männer, die eingeladen waren, wird mein Abendmahl schmecken.
- Was Gott mir gegeben hat. – Gedanken zum Lukasevangelium
Das Evangelium beginnt mit einer Aussage eines Menschen, der mit Jesus am Tisch sitzt: Da aber einer das hörte, der mit zu Tisch saß, sprach er zu Jesus: Selig ist, der das Brot isst im Reich Gottes!
Eine kleine Predigt in sich ist das. Das leibliche Essen wird ihm in Gegenwart Jesu zu einem geistigen Essen. Das Essen hier zu einem Bild für das Essen seines Leben. Nicht nur zur Sättigung des Körpers sondern auch des Geistes.
Und er geht davon aus, dass dieses Essen für jeden eine wohlschmeckende und beglückende Mahlzeit ist.
Er schränkt nichts ein.
Um so überraschender ist dann aber Jesu Antwort, der mit der Geschichte eines Hausherrn einsetzt, der „Viele“ einlädt. Wen er da einlädt, wird nicht weiter beschrieben. Jedenfalls haben aber diese „Vielen“ etwas Besseres zu tun. Sie brauchen die Einladung nicht, oder sie ist ihnen nicht so wichtig. Acker, Vieh und Frau, das ist es, was für diese in diesem Moment zählt.
Der Hausherr ist zornig. Und so öffnet er sein Haus für andere Menschen, die nicht gerade mit ihrem Besitz beschäftigt sind. Für Menschen, die Zeit haben, und das Mahl des Hausherrn zu schätzen wissen. Zweimal geht der Knecht hinaus, um diese Menschen einzuladen. Es ist ein großes Haus und es passen viele Menschen dort hinein; und dennoch sind anscheinend die meisten ebenfalls mit etwas Besserem beschäftigt.
An dieser Stelle könnte sich die Hörerin fragen, warum die zuerst Eingeladenen die Einladung ausschlagen. Fehlt es ihnen an Einsicht? Setzen sie falsche Prioritäten?
Das ist eine Deutung, die ich oft höre im Raum der Kirche. Wenn nur wenige Menschen zum Gottesdienst kommen, wird immer wieder danach gefragt, warum? Was machen wir falsch? Können wir nicht attraktiver sein und eine echte Alternative zu den üblichen Beschäftigungen, die Menschen davon abhalten die gute Botschaft zu hören? Sie ist doch für alle wichtig! Selig ist, der das Brot isst im Reich Gottes! So ist es doch.
Diese Fragen und diese Aussage des Tischgastes an Jesu Seite werden aber überraschenderweise von Jesus nachhaltig in Frage gestellt. Keiner der Männer, die eingeladen waren, wird mein Abendmahl schmecken. Das ist sein hartes Resumee am Ende der Geschichte. Es ist eine direkte Reaktion auf die Aussage des Tischgastes. Und sie beschließt zugleich die Beispielgeschichte.
Für den einladenden Hausherrn gibt es also nicht die Frage, ob sein Abendmahl gut genug ist. Ob seine Einladung einladend ist. Für ihn gibt es nur die Feststellung, dass die ursprünglich Eingeladenen, ich sag es mal böse, an Geschmacksverirrung leiden. Der Grund ist deutlich ausgeführt. Sie haben mit ihrem Besitz zu tun. Und vergessen darüber, worauf es wirklich ankommt. Und was wirklich schmeckt. Sie haben es so sehr vergessen, dass sie schlichtweg nicht in der Lage sind, den guten Geschmack des Abendmahles zu schmecken. Der Hausherr und ebenso Jesus seinem Tischnachbarn gegenüber stellen also fest: Es wird ihnen nicht schmecken. Es gibt Menschen, denen selbst die Seligkeit des Reiches Gottes nicht zusagen wird.
Das klingt ziemlich hoffnungslos, wie sich diese Geschichte da am Ende bündelt.
Gibt es tatsächlich Menschen, die verloren sind? Denen das Reich Gottes nicht schmackhaft gemacht werden kann?
Ich mag das nicht glauben und bin auf der Suche nach Antworten.
Zwei Gedanken dazu möchte ich hier teilen.
Den einen nenne ich den Gedanken zur Schwarzbrotpredigt. Das ist ein gern gebrauchtes Bild in der kirchlichen Sprache, das davon ausgeht, dass es nur eine Zeit braucht und die richtige Sprache oder auch den richtigen Inhalt, um den Hörer einer Predigt klarzumachen, dass er sich bisher mit weniger nahrhaften Lebensmitteln gesättigt hat.
Ich habe da immer meinen Vater vor Augen, der nach einem Stück Torte oder auch zwei nach etwas „Festem“ verlangte. Dann schnitt er sich ein Stück Brot ab und schnitt sich ein Stück Blutwurst ab und aß dann genüßlich, um den allzu süßen Geschmack des Kuchens zu neutralisieren. Ernährungsphysiologisch kann man das durchaus in Frage stellen. Aber für ihn bedeutete es einen Kontrast im Geschmack, der die Geschmackswelt wieder ein bisschen ins Gleichgewicht brachte.
Demgemäß müssten wir nur warten, dass die Menschen übersättigt sind von den allzu süßen und verführerischen Genüssen der Welt, um die Botschaft Christi wieder hören und schätzen zu können.
Allerdings kommen auch mir da Zweifel. Es muss mitunter schon Schlimmes passieren, um den Appetit auf die etwas härtere und schwerer zu kauende Schwarzbrotpredigt zu wecken.
Das führt mich zum zweiten Gedanken. Können wir was tun, um diesen Appetit zu wecken? Ich denke dabei an die Worte des Theologen und Dichters Christian Lehnert, der seine Erfahrungen mit unterschiedlichen Gottesdiensten beschreibt: „Ich habe Messen größter musikalischer, liturgischer und sprachlicher Ausdruckskraft erlebt, Feste der Sinne in strahlenden Kirchen, und ich habe dabei irgendwann, leer im Herzen, nur noch die Ornamente der Deckenbemalung verfolgt und bin hinausgegangen, so wie ich hineingekommen bin. Es gibt das Gegenteil: Dorfgottesdienste, wo die Pfarrerin in aller Eile einen Gottesdienst abarbeitet. Er darf nicht länger als vierzig Minuten dauern, weil dann schon der nächste im Nachbardorf ansteht. Sie spricht zu schnell, man bemerkt in jedem Detail, jeder Lesung, jedem Gebet und Lied das Bestreben, abzukürzen und zu verdichten, und ich bin doch am Ende plötzlich wie verzaubert von dem, was am Altar geschieht, und empfange, taumelnd fast, das Sakrament …“*
Zunächst also, liebe Gemeinde, können wir nichts tun. Es ergibt sich. Es kommt ganz darauf an. Wer sitzt da, in welcher Verfassung, mit welchen Stimmungen. Was hat er vorher erlebt, wie geht es ihm und wie nimmt er das wahr, was um ihn geschieht. Und dann gibt es den einen Moment, der ihn verzaubert.
Wir haben das nicht in der Hand. Es überfordert uns und wir können es am Ende nur dem Heiligen Geist überlassen. Und vielleicht unserer eigenen Frömmigkeit, unserer eigenen Überzeugung und nicht unserer Überzeugungskraft.
Und zugleich wecken diese beiden Gedanken die Hoffnung und auch eine innere Ruhe, dass das, was uns hier am Herzen liegt, was uns in diesem Moment wichtig ist, auch andere Menschen erreichen kann. Es ist kein Wettbewerb und keine Messe der besten Botschaften. Es ist eine Bewegung der Seelen, die letzten Endes in der Hand Gottes liegt.
Und ich glaube, dass auch Jesus das sagen möchte. Wenn er nämlich die Armen und Verkrüppelten, die Blinden und Lahmen im Blick hat, die auf den Landstraßen und an den Zäunen, dann meint er wohl die, die nicht nur am Leib leiden. Dann sind wohl auch die gemeint, die ich erst mal gar nicht im Blick habe, weil sie doch schon alles haben. Zu haben scheinen.
Dann ist es gut, ein Stück Brot im Schrank zu haben, ein Wort, das in aller Eile dennoch weit reicht, ein Abschiedsgruss, der nach langen Reden die Dinge auf den Punkt bringt, der signalisiert, hier ist ein Platz, wo du das findest, was du zum Leben brauchst. Weil es mir selbst gut getan hat. Weil ich mit gutem Herzen sagen kann: Das ist für dich! Weil Gott es mir gegeben hat.
Amen.
*Christian Lehnert, Der Gott in einer Nuß. Berlin 2017, S. 18.
- Was uns bewegt – Miteinander und füreinander beten
Guter Gott,
Hunger herrscht überall auf der Welt.
Für den Leib und die Seele.
Was die einen zuviel haben, fehlt den anderen.
Wir sind übersättigt von diesen Einsichten.
Wecke unseren Appetit, dass wir wieder danach suchen,
was uns wirklich nährt,
und lege uns Worte bei, die das deutlich sagen.
Guter Gott,
Hunger herrscht überall auf der Welt.
Für den Leib und die Seele.
Wir sind übersättigt von den Meinungen.
Welche sollen wir haben?
Wecke unseren Appetit, dass wir wieder danach suchen,
was unseren Mitmenschen bewegt
und lege uns Worte bei, die ihn erreichen.
Guter Gott,
Hunger herrscht überall auf der Welt.
Für den Leib und die Seele.
In unserer Kirche und unseren Gottesdiensten
wollen wir deine gute Botschaft weitergeben.
Aber wir haben viele Fragen.
Wecke unseren Appetit, keine vorschnellen Antworten zu geben,
sondern von dem zu sprechen,
was uns in der Tiefe unserer Seele bewegt.
Guter Gott,
Hunger herrscht überall auf der Welt.
An Leib und Seele.
Auch hier in unmittelbarer Nähe.
Wecke unseren Appetit, dass wir die Augen offen haben,
und etwas Zeit und etwas Nahrung
für unsere Verwirrung, Einsamkeit und Not.
Vater unser im Himmel,
geheiligt werde Dein Name.
Dein Reich komme.
Dein Wille geschehe,
wie im Himmel, so auf Erden.
Unser tägliches Brot gib uns heute.
Und vergib uns unsere Schuld,
wie auch wir vergeben unsern Schuldigern.
Und führe uns nicht in Versuchung,
sondern erlöse uns von dem Bösen.
Denn dein ist das Reich und die Kraft
und die Herrlichkeit in Ewigkeit.
Amen.
- Segen
Es segne und behüte uns der allmächtige und barmherzige
Gott, Vater, Sohn und Heiliger Geist.
Er bewahre uns vor Unheil und führe uns zum ewigen Leben.
Amen.
(Pfr. Olaf Wisch)