- Eröffnung
„Wer euch hört, der hört mich; und wer euch verachtet, der verachtet mich.“ Keine einfache Sache, die uns der Evangelist Lukas an diesem Sonntag mit auf den Weg gibt. Wie hören wir Gott richtig und wahrhaftig? Eine Beispielgeschichte wird uns leiten, um über diese Frage nachzudenken und in der Gemeinschaft Zutrauen und Hoffnung zu finden.
- Als einer im Elend rief – Worte nach Psalm 34
Ich will den Herrn loben allezeit;
sein Lob soll immerdar in meinem Munde sein.
Meine Seele soll sich rühmen des Herrn,
dass es die Elenden hören und sich freuen.
Preiset mit mir den Herrn
und lasst uns miteinander seinen Namen erhöhen!
Da ich den Herrn suchte, antwortete er mir
und errettete mich aus aller meiner Furcht.
Die auf ihn sehen, werden strahlen vor Freude,
und ihr Angesicht soll nicht schamrot werden.
Als einer im Elend rief, hörte der Herr
und half ihm aus allen seinen Nöten.
Der Engel des Herrn lagert sich um die her,
die ihn fürchten, und hilft ihnen heraus.
Schmecket und sehet, wie freundlich der Herr ist.
Wohl dem, der auf ihn trauet!
Fürchtet den Herrn, ihr seine Heiligen!
Denn die ihn fürchten, haben keinen Mangel.
Reiche müssen darben und hungern;
aber die den Herrn suchen, haben keinen Mangel an irgendeinem Gut.
- Nimmst du mich auf – Ein Lied: Ich steh vor Dir mit leeren Händen, Herr (EG 382)
Ich steh vor dir mit leeren Händen, Herr; fremd wie dein Name sind mir deine Wege. Seit Menschen leben, rufen sie nach Gott; mein Los ist Tod, hast du nicht andern Segen? Bist du der Gott, der Zukunft mir verheißt? Ich möchte glauben, komm du mir entgegen.
Von Zweifeln ist mein Leben übermannt, mein Unvermögen hält mich ganz gefangen. Hast du mit Namen mich in deine Hand, in dein Erbarmen fest mich eingeschrieben? Nimmst du mich auf in dein gelobtes Land? Werd ich dich noch mit neuen Augen sehen?
Sprich du das Wort, das tröstet und befreit und das mich führt in deinen großen Frieden. Schließ auf das Land, das keine Grenzen kennt, und laß mich unter deinen Kindern leben. Sei du mein täglich Brot, so wahr du lebst. Du bist mein Atem, wenn ich zu dir bete.
- Sie haben Mose und die Propheten – Evangelium nach Lukas
Es war aber ein reicher Mann, der kleidete sich in Purpur und kostbares Leinen und lebte alle Tage herrlich und in Freuden. Ein Armer aber mit Namen Lazarus lag vor seiner Tür, der war voll von Geschwüren und begehrte sich zu sättigen von dem, was von des Reichen Tisch fiel, doch kamen die Hunde und leckten an seinen Geschwüren. Es begab sich aber, dass der Arme starb, und er wurde von den Engeln getragen in Abrahams Schoß. Der Reiche aber starb auch und wurde begraben. Als er nun in der Hölle war, hob er seine Augen auf in seiner Qual und sah Abraham von ferne und Lazarus in seinem Schoß. Und er rief und sprach: Vater Abraham, erbarme dich meiner und sende Lazarus, damit er die Spitze seines Fingers ins Wasser tauche und kühle meine Zunge; denn ich leide Pein in dieser Flamme. Abraham aber sprach: Gedenke, Kind, dass du dein Gutes empfangen hast in deinem Leben, Lazarus dagegen hat Böses empfangen; nun wird er hier getröstet, du aber leidest Pein. Und in all dem besteht zwischen uns und euch eine große Kluft, dass niemand, der von hier zu euch hinüberwill, dorthin kommen kann und auch niemand von dort zu uns herüber. Da sprach er: So bitte ich dich, Vater, dass du ihn sendest in meines Vaters Haus; denn ich habe noch fünf Brüder, die soll er warnen, damit sie nicht auch kommen an diesen Ort der Qual. Abraham aber sprach: Sie haben Mose und die Propheten; die sollen sie hören. Er aber sprach: Nein, Vater Abraham, sondern wenn einer von den Toten zu ihnen ginge, so würden sie Buße tun. Er sprach zu ihm: Hören sie Mose und die Propheten nicht, so werden sie sich auch nicht überzeugen lassen, wenn jemand von den Toten auferstünde. (Lk 16,19-31)
- Mit einer Kopfbewegung – Gedanken zum Lukasevangelium
Ich kann das göttliche Urteil verstehen. Es ist ein Skandal. Menschen hungern, frieren, leiden, unter Krankheiten, unter Krieg, unter Einsamkeit; gegen alle göttlichen und moralischen Gesetze. Und auf der anderen Seite sitzen jene in Pracht und Herrlichkeit; ignorieren, was diese Gesetze an Menschlichkeit verlangen; schauen nur auf sich selbst, ignorieren das Leid ihres Mitmenschen. Es ist müßig darüber zu klagen, sagt der Reiche. So ist sie nun mal, diese Welt. Gott sagt, Irrtum! Jetzt sitzt du in der Hölle, weil du es dir bequem gemacht hast mit deiner Meinung.
Ich kann den reichen Mann verstehen. Er hat Glück gehabt. Er wurde auf der richtigen Seite geboren. Hat Glück gehabt im Verlauf seines Lebens und nun ist er reich. Reich genug, um zu fürchten, dass der lausige Typ unten auf der Straße sein Glück gefährden könnte. Vielleicht sehe ich nicht jeden Tag so einen Menschen auf der Straße. Zum Glück werde ich nicht jeden Tag daran erinnert, dass die Welt ungerecht ist. Zum Glück kann ich das die meiste Zeit ignorieren und mich meinen eigenen Problemen und Sorgen widmen. Es ist auch so alles schon schwer genug.
Liebe Gemeinde,
diese Geschichte vom reichen Mann und Lazarus ist ungewöhnlich. Eine Beispielerzählung, die auch ganz für sich stehen könnte. Im Zusammenhang des Lukasevangeliums macht sie deutlich, dass Lukas derjenige ist, der ein Herz für die Armen hat. Lukas, der Sozialrevolutionär. Jesus führt sie an, um den Pharisäern zu sagen, dass das Gesetz nach wie vor gelte; auch wenn er es scheinbar in Frage stellt. Doch das Gesetz bleibt bestehen: Eher vergehen Himmel und Erde, als dass auch nur ein i-Punkt am Gesetz ungültig wird.
Diese Geschichte ist aber vor allem ungewöhnlich, weil sie ganz ungewöhnliche Vorstellungen in die biblische Theologie einbringt. Der eine Punkt ist: Selten haben wir im Neuen Testament eine ausgeführte Höllendarstellung. Hier wird sie bildlich vorgeführt. Eine wasserlose, quälerische Umgebung. Eine heiße Hölle. Die Phantasie fügt den rothäutigen Gehörnten hinzu, der die Verdammten quält. Im Zusammenhang damit wird die ganze Gerichtsbarkeit göttlicher Strenge aufgerufen. Wem es gut geht auf Erden, wird dem Himmel umso ferner sein. Wer „hier“ leidet, wird „dort“ mit den Freuden des Himmels belohnt.
Der andere Punkt: Dem Himmel umso ferner. Die Kluft zwischen Himmel und Erde ist in dieser Geschichte unüberbrückbar. Nicht mal ein Tropfen Wasser kann diese überwinden. Gottes Allmacht ist in Frage gestellt. Und vielleicht sogar seine Güte. Sein Urteil ist unhintergehbar, sogar für ihn selbst. Das ist ein Bild des Schreckens. Was mich so befriedigt, dass der böse Reiche seine Strafe erhält, während der arme Lazarus für sein Leiden im Himmel sein darf; alles, was mich an Ungerechtigkeit und Bosheit auf dieser Welt empört; und wofür ich gerne eine gerechte Strafe hätte; trifft sie mich in dieser Unüberwindlichkeit nicht selbst?
Es steht alles im Gesetz des Mose und der Propheten. Es ist allen bekannt, so lautet das Urteil. Auch die Brüder des reichen Mannes könnten es wissen. Weiß ich es? Bin ich schon in Ungnade gefallen wegen meiner Bequemlichkeit? Wegen meiner Privilegien? Ist das alles wirklich so klar?
Eine ungewöhnliche Geschichte. Wenn ich über sie nachdenke, merke ich, wie sehr sie mein Denken prägt, mein Gerechtigkeitsempfinden. „Reiche Männer“ gibt es mehr als genug, reiche Männer, böse Menschen, brutale Menschen usw. Ihnen gegenüber fühle ich mich ohnmächtig. Selten habe ich das Gefühl, dass wirklich allen Bosheiten der Welt Genugtuung geschieht. Sollen sie doch in der Hölle braten!
Andererseits spüre ich auch meine Verworfenheit. Vielleicht ist meine Strafe nicht so groß. Kann ich das einschätzen? Der Abstand zwischen Himmel und Hölle ist unüberwindbar. Macht es da noch einen Unterschied, ob ich ganz böse bin oder nur ein bisschen. Meine Befriedigung bei dieser Geschichte schwindet. Ich brauche doch jemanden, der es gut mit mir meint.
Vielleicht geht es aber auch darum, dass ich mir nicht sicher sein darf. Eine Sicherheit, die mir vorgaukelt, dass es selbstverständlich sei, in Frieden und Wohlstand zu leben. Dass mir das alles zusteht, was ich habe. Dass ich mich so sehr in den Gesetzlichkeiten dieser Welt verfangen habe, dass ich das Gesetz des Himmels vergesse.
Vielleicht ist es nicht so schwer. Ein erster Schritt vor die Haustür, und mein Blick fällt auf Lazarus und mein Herz wird weich. Ich gehe ihm entgegen und reiche ihm die Hand. Ich sehe ein, dass ich die Ungerechtigkeit nicht auflösen kann. Ich kann aber ein Anfang machen. Ich kann darauf hinweisen. Ich kann mit einer Kopfbewegung himmlische Gerechtigkeit und irdisches Erbarmen miteinander verbinden. Eine Kopfbewegung, die es möglich macht, dass Gott mir vergibt.
Amen.
- Dass wir deine Geschöpfe sind – Miteinander und füreinander beten
Herr im Himmel,
hier auf Erden läuft vieles schief.
Menschen hungern, obwohl es genug zu essen gibt.
Menschen sterben, obwohl wir wissen, dass Frieden möglich ist.
Stärke uns, dass wir nicht wegsehen.
Ermuntere uns, auch im Kleinen, den ersten Schritt zu tun,
und nicht klein beizugeben.
Dass wir helfen, wie es uns möglich ist.
Halte uns in deinem Glauben, der klar benennt,
was Recht ist und was Unrecht.
Erinnere uns, dass wir aus deiner Gnade Mut schöpfen,
dass Gerechtigkeit keine Illusion ist,
und unsere Hilfe in deinem Namen Hoffnung und Liebe verspricht.
Amen.
Vater unser im Himmel,
geheiligt werde Dein Name.
Dein Reich komme.
Dein Wille geschehe,
wie im Himmel, so auf Erden.
Unser tägliches Brot gib uns heute.
Und vergib uns unsere Schuld,
wie auch wir vergeben unsern Schuldigern.
Und führe uns nicht in Versuchung,
sondern erlöse uns von dem Bösen.
Denn dein ist das Reich und die Kraft
und die Herrlichkeit in Ewigkeit.
Amen.
- Segen
Es segne und behüte uns der allmächtige und barmherzige
Gott, Vater, Sohn und Heiliger Geist.
Er bewahre uns vor Unheil und führe uns zum ewigen Leben.
Amen.
(Pfr. Olaf Wisch)