- Eröffnung
Dunkle Tage, grauer Himmel, seltener sonnig; so ist der November. Und so ist es auch im Herzen der Trauer. Traditionellerweise denken wir in dieser Jahreszeit an die Menschen, die wir vermissen und schauen voraus auf den neuen Himmel, den uns Gottes Wort verheißt.
- Das Hallelujah für und für – Ein Lied (EG 147)
„Wachet auf,“ ruft uns die Stimme
Der Wächter sehr hoch auf der Zinne,
„Wach auf du Stadt Jerusalem!
Mitternacht heißt diese Stunde!“
Sie rufen uns mit hellem Munde:
„Wo seid ihr klugen Jungfrauen?
Wohlauf, der Bräut’gam kommt,
Steht auf, die Lampen nehmt!
Halleluja!
Macht euch bereit zu der Hochzeit;
Ihr müsset ihm entgegengehn!“
Zion hört die Wächter singen,
Das Herz tut ihr vor Freude springen,
Sie wachet und steht eilend auf.
Ihr Freund kommt vom Himmel prächtig,
Von Gnaden stark, von Wahrheit mächtig;
Ihr Licht wird hell, ihr Stern geht auf.
Nun komm, du werte Kron,
Herr Jesu, Gottes Sohn!
Hosianna!
Wir folgen all zum Freudensaal
Und halten mit das Abendmahl.
Gloria sei dir gesungen
Mit Menschen- und mit Engelzungen,
Mit Harfen und mit Zimbeln schön.
Von zwölf Perlen sind die Tore,
An deiner Stadt; wir stehn im Chore
Der Engel hoch um deinen Thron.
Kein Aug hat je gespürt,
Kein Ohr hat mehr gehört
Solche Freude.
Des jauchzen wir und singen dir
das Halleluja für und für.
- Die mit Tränen säen – Worte aus Psalm 126
Wenn der Herr die Gefangenen Zions erlösen wird,
so werden wir sein wie die Träumenden.
Dann wird unser Mund voll Lachens
und unsre Zunge voll Rühmens sein.
Da wird man sagen unter den Völkern:
Der Herr hat Großes an ihnen getan!
Der Herr hat Großes an uns getan;
des sind wir fröhlich.
Herr, bringe zurück unsre Gefangenen,
wie du die Bäche wiederbringst im Südland.
Die mit Tränen säen,
werden mit Freuden ernten.
Sie gehen hin und weinen
und tragen guten Samen
und kommen mit Freuden
und bringen ihre Garben.
- Wachet! – Evangelium nach Markus im 13. Kapitel
An dem Feigenbaum aber lernt ein Gleichnis:
Wenn seine Zweige saftig werden und Blätter treiben,
so wisst ihr, dass der Sommer nahe ist.
Ebenso auch, wenn ihr seht, dass dies geschieht,
so wisst, dass er nahe vor der Tür ist.
Wahrlich, ich sage euch:
Dieses Geschlecht wird nicht vergehen, bis dies alles geschieht.
Himmel und Erde werden vergehen;
meine Worte aber werden nicht vergehen.
Von jenem Tage aber oder der Stunde weiß niemand,
auch die Engel im Himmel nicht, auch der Sohn nicht,
sondern allein der Vater.
Seht euch vor, wachet!
Denn ihr wisst nicht, wann die Zeit da ist.
Es ist wie bei einem Menschen, der über Land zog
und verließ sein Haus und gab seinen Knechten Vollmacht,
einem jeden seine Arbeit, und gebot dem Türhüter, er sollte wachen:
So wacht nun; denn ihr wisst nicht,
wann der Herr des Hauses kommt,
ob am Abend oder zu Mitternacht
oder um den Hahnenschrei oder am Morgen,
damit er euch nicht schlafend finde,
wenn er plötzlich kommt.
Was ich aber euch sage, das sage ich allen:
Wachet!
(Mk 13,28-37)
- Lichtstreif – Gedanken zum Evangelium
Offenbar wird bald etwas geschehen. Die Zweige sind saftig und die Blätter treiben. Jesu Gleichnis braucht heute etwas Fantasie. Der Winter ist uns momentan näher als der Sommer. Aber auch nicht weiter weg als sonst. Die Winterzeit ist klar begrenzt.
Im Gegensatz zum zweiten Bild. Da bleibt der Zeitraum völlig offen. Wann kommt der Hausherr? Am Abend, am Morgen, um den Hahnenschrei oder am Morgen? Wann?
EINE Mahnung umgreift beide Bilder. Wachet! Seid wachsam! Öffnet eure Augen, und seht die saftigen Zweige und treibenden Blätter. Seid wachsam! Haltet eure Augen offen, denn ihr wisst nicht, was wann geschieht.
Was der Evangelist Markus hier anmahnt mit den Worten Jesu, ist eine grundlegende Änderung der Welt. Er vergleicht diese Änderung mit der Schöpfung selbst. Zuvor war Chaos, dann schafft Gott Ordnung und mit ihr die Welt. Und nun, das ist offensichtlich, herrscht wieder Chaos in dieser Schöpfung, die Schöpfung hat sich aus der Ordnung wieder in das Chaos verwandelt. Es ist Zeit für ein Neues, für eine neue Ordnung, die das Chaos wieder aufhebt.
Ein Gefühl, dass mir nicht fremd ist in diesen Tagen. Egal, woran ich das Chaos festmache, an den Flüchtlingsströmen, an der Klimakatastrophe, am Identitätsverlust, an erstickenden Städten und vereinsamten Dörfern, am Krieg, an den steigenden Kosten; es wäre wirklich Zeit für etwas Ordnung in der kleinen und in der großen Welt.
Doch gewöhnlich denke ich diese Ordnung in der bestehenden Schöpfung. Das es wieder Zeit für den Sommer wäre. In der alten Ordnung von Saat und Ernte, Kälte und Hitze, Sommer und Winter, Tag und Nacht. Markus wirft das scheinbar alles über den Haufen.
Legt seine Hoffnung auf die Umkehr zu Gott.
Auf eine jenseitige Welt. Nur dort wird der Sommer zur Reife kommen.
Und ich weiß nicht, wie er das genau meint. Hoffe, dass ich dem genüge. Dass nicht alles untergeht, was mir lieb ist. Hoffe, dass diese Welt, die mir nah ist, nicht völlig im Chaos versinkt.
Es sind diese Fragen, die mich gedanklich in diesen Novembertagen zum Totengedenken führen. Eine Welt, ein Menschenleben, in seiner zeitlichen Begrenzung, in seiner Ordnung und dem auflösenden Chaos begriffen. Wie lang ist ein Leben? Was kommt danach? Und wie kann ich das Leben gestalten, dass ich mit leichtem Herzen Abschied nehmen kann; ob ich nun selbst sterbe oder ein mir naher Mensch.
Die tödliche Veränderung ist augenscheinlich. Der Zeitpunkt ist meistens offen. Ich weiß es mal genauer, mal weniger genau, und manchmal trifft es mich völlig unvorbereitet.
Seid wachsam, gilt also auch hier. Sei wachsam und hüte die Zeit, die dir gegeben ist. Ignoriere nicht die sommerliche Fülle, die das Leben bietet; vielleicht nicht mit scheelen Augen, denen es nie genug ist, sondern aus einem dankbaren Herzen. Und ebenso, sei wachsam! Achte auf deine Mitmenschen, wer ist an deiner Seite, wer ist dir wichtig, und wen hast du vielleicht aus dem Auge verloren, der sich nach deiner Nähe sehnt.
Was danach kommt, weiß ich nicht. Es sind nur Vermutungen, Sehnsüchte, manchmal auch Gewissheiten; ich wünsche mir, dass eine unabgeschlossene Lebensgeschichte zu Ende erzählt, dass Traurigkeit in Leichtigkeit und Sorgen und strebsame Ziele in einen Tanz verwandelt werden; bei einem Fest mit allen Menschen, die mir fehlen. Wie gesagt, es sind Vermutungen, Sehnsüchte und Gewissheiten.
Und es gibt einen Lichtstreif.
Jesus spricht vom Sommer.
Die Früchte reifen.
Mildere Tage künden sich an.
Frost und Dunkelheit und Tod werden ihre Zeit gehabt haben.
- Zu alltäglich – Miteinander und füreinander beten
Gott, wir leben in der Endlichkeit.
Die Welt wird vergehen ebenso wie ein Menschenleben.
Das macht uns traurig.
Das stellt uns vor die Frage, ob das alles Sinn ergibt.
Wofür arbeite ich, wofür liebe ich, wofür plane ich mein Leben,
liebe und halte Freundschaften, bemühe mich ein gutes Leben zu führen?
Herr, gib uns Gewißheit, dass ein Ende hier
bei dir ein neuer Anfang ist,
diesseits und jenseits des Himmels;
dass es deine Schöpfung ist, die du gut gemacht hast,
nicht für das Chaos, nicht für die Dunkelheit und den Tod,
sondern für das ewige Leben.
Wir beten zu dir mit den Worten Jesu Christi.
Vater unser im Himmel,
geheiligt werde Dein Name.
Dein Reich komme.
Dein Wille geschehe,
wie im Himmel, so auf Erden.
Unser tägliches Brot gib uns heute.
Und vergib uns unsere Schuld,
wie auch wir vergeben unsern Schuldigern.
Und führe uns nicht in Versuchung,
sondern erlöse uns von dem Bösen.
Denn dein ist das Reich und die Kraft
und die Herrlichkeit in Ewigkeit.
Amen.
- Segen
Es segne und behüte uns der allmächtige und barmherzige
Gott, Vater, Sohn und Heiliger Geist.
Er bewahre uns vor Unheil und führe uns zum ewigen Leben.
Amen.
(Pfr. Olaf Wisch)