- Anfangen
In deinen Händen, Herr, steht unsere Zeit.
Denke an mich in deiner Gnade.
Erhöre mich und hilf mir. Amen
- Eröffnung
„Es ist dir gesagt, Mensch, was gut ist und was der HERR von dir fordert: nichts als Gottes Wort halten und Liebe üben und demütig sein vor deinem Gott.“ Dieser Wochenspruch aus dem Buch des Propheten Micha ist einerseits eine Selbstverständlichkeit in unserem Glauben und wirft andererseits im konkreten Fall viele Fra-gen auf. Es ist hilfreich, darüber nachzu-
deken und dafür zu beten.
- Ein Lied: Wohl denen, die da wandeln vor Gott in Heiligkeit (EG 295)
1) Wohl denen, die da wandeln
vor Gott in Heiligkeit,
nach seinem Worte handeln
und leben allezeit;
die recht von Herzen suchen Gott
und seine Zeugniss‘ halten,
sind stets bei ihm in Gnad.
2) Von Herzensgrund ich spreche:
dir sei Dank allezeit,
weil du mich lehrst die Rechte
deiner Gerechtigkeit.
Die Gnad auch ferner mir gewähr;
ich will dein‘ Rechte halten,
verlaß mich nimmermehr.
3) Mein Herz hängt treu und feste
an dem, was dein Wort lehrt.
Herr, tu bei mir das Beste,
sonst ich zuschanden werd.
Wenn du mich leitest, treuer Gott,
so kann ich richtig laufen
den Weg deiner Gebot.
4) Dein Wort, Herr, nicht vergehet,
es bleibet ewiglich,
so weit der Himmel gehet,
der stets beweget sich;
dein Wahrheit bleibt zu aller Zeit
gleichwie der Grund der Erden,
durch deine Hand bereit‘.
- Aus Psalm 119
Wohl denen, die ohne Tadel leben, die im Gesetz des HERRN wandeln!
Wohl denen, die sich an seine Zeugnisse halten,
die ihn von ganzem Herzen suchen,
die auf seinen Wegen wandeln und kein Unrecht tun.
Du hast geboten, fleißig zu halten deine Befehle.
O dass mein Leben deine Gebote mit ganzem Ernst hielte.
Wenn ich schaue allein auf deine Gebote, so werde ich nicht zuschanden.
Ich danke dir mit aufrichtigem Herzen,
dass du mich lehrst die Ordnungen deiner Gerechtigkeit.
Deine Gebote will ich halten; verlass mich nimmermehr!
Tu wohl deinem Knecht, dass ich lebe und dein Wort halte.
Öffne mir die Augen, dass ich sehe die Wunder an deinem Gesetz.
- Worte nach dem Markusevangelium (Mk 10,2-9)
Und Pharisäer traten hinzu und fragten ihn, ob es einem Mann erlaubt sei, sich von seiner Frau zu scheiden, und versuchten ihn damit. Er antwortete aber und sprach zu ihnen: Was hat euch Mose geboten? Sie sprachen: Mose hat zugelassen, einen Scheidebrief zu schreiben und sich zu scheiden. Jesus aber sprach zu ihnen: Um eures Herzens Härte willen hat er euch dieses Gebot geschrieben; aber von Anfang der Schöpfung an hat Gott sie geschaffen als Mann und Frau. Darum wird ein Mann seinen Vater und seine Mutter verlassen und wird an seiner Frau hängen, und die zwei werden ein Fleisch sein. So sind sie nicht mehr zwei, sondern ein Fleisch. Was nun Gott zusammengefügt hat, soll der Mensch nicht scheiden.
- Gedanken zum Markusevangelium
Erstens: Das Eheversprechen
Als ich meine ersten kirchlichen Trauungen und Gottesdienste zur Eheschließung vorbereitete, musste ich oft über den letzten Satz des heutigen Predigttextes nachdenken. Was nun Gott zusammengefügt hat, soll der Mensch nicht scheiden.Ich war mir nicht sicher, ob ich ihn offenen Herzens zwei Menschen zusprechen kann. Dahinter stand meine Vorstellung, dass damit ein so hoher Anspruch an das Paar und auch an mich verbunden ist, dass er kaum einzuhalten wäre.
Ein lebenslanger Bund sollte damit eingesetzt werden, der von Gott gefordert unter seinem strengen Gesetz stünde. Diese Vorstellung speist sich aus zwei Quellen. Die eine ist ein Partnerschaftsideal, das aus den romantischen Ideen des 19. Jahrhunderts herrührt. Um 1800 wird zunehmend Partnerschaft nicht nur vorrangig als ein Zweckbündnis betrachtet. Die emotionale Komponente gewinnt erheblich an Gewicht. Sie entspringt nicht nur aus Notwendigkeit der gemeinsamen Pflege von Kindern und Familienangehörigen sondern aus dem Anspruch, sich ein Leben lang einander zugetan zu sein und sich zu lieben.
Dem steht ein katholisches Verständnis von Ehe und Partnerschaft zur Seite. Dieses Verständnis findet sich etwa im katholischen Kirchenrecht. Im Kodex des kanonischen Rechts ist die Ehe mit etwa 100 Rechtssätzen geregelt, das sind reichlich 40 Seiten Text. Die Grundlage dieses Rechtes ist das durch die Eheleute gegenseitig gespendete Sakrament. Da heißt es etwa: “Die Ehe kommt durch den Konsens der Partner zustande, der zwischen rechtlich dazu befähigten Personen in rechtmäßiger Weise kundgetan wird; der Konsens kann durch keine menschliche Macht ersetzt werden.” (Can. 1057, Codex des kanonischen Rechtes)
Es wird also die gegenseitige Verantwortung und Willenskundgebung der menschlichen Partner verbunden mit der nichtmenschlichen Macht Gottes.
Diese beiden Punkte, das Versprechen der Liebe und die religiös-rechtliche Setzung dieser Liebe, finden sich anschaulich in den romantischen Heiratsszenen von Hollywoodfilmen, wenn sich ein Paar vor der versammelten Hochzeitsgesellschaft und der Kulisse eines Meeresstrandes ewige Treue verspricht.
Dass dieses hohe Ideal nicht mit meinen Erfahrungen übereinstimmt, ließ mich zweifeln. Ewige Liebe, dachte ich, das ist doch fragwürdig.
Diese Fragwürdigkeit ergibt sich aus dem Umstand, dass in diesen Gedanken Gott und Mensch irgendwie verwechselt werden. Der Mensch verbindet? Oder doch eher Gott? Was verbindet Gott tatsächlich? Können Menschen dazu befähigt sein, eine göttliche Verbindung zu schaffen? Oder ist es nicht vielmehr ein Wunsch?
Mit diesen Fragen verstand ich diesen Satz eher als eine Zusage und als einen Segen: Was Gott verbunden hat, dass soll der Mensch nicht scheiden. Es steckt dann immer noch ein hoher Anspruch dahinter, aber auch das Versprechen Gottes, eine tragende Kraft in diesem Bund zu sein. Ich bin als Partner nicht allein dafür verantwortlich, und auch nicht allein mein Partner. Es ist eine Zusage, die Kraft geben kann in Zeiten, wenn die romantische Liebe nicht mehr trägt. Das konnte ich gut sagen und zusprechen.
Zweitens: Der Scheidebrief
Die Praxis seiner Umwelt, gegen die sich hier Jesus im Streitgespräch mit den Pharisäern wendet, sah vor, dass der Mann in einer Partnerschaft einen sogenannten Scheidebrief ausstellen konnte. Die Umstände, die einen Scheidebrief erlaubten, werden im 5. Buch Mose beschrieben: “Wenn jemand ein Weib nimmt und ehelicht sie, und sie nicht Gnade findet vor seinen Augen, weil er etwas schändliches an ihr gefunden hat, so soll er einen Scheidebrief schreiben und ihr in die Hand geben und sie aus seinem Haus entlassen.” (5. Mose 24,1)
In der Auslegung dieser Regel wird nun darüber debattiert, was das sein könnte, das Schändliche. Die Meinungen der Auslegung gehen da weit auseinander. Das kann auf der einen Seite ein unerfüllter Kinderwunsch sein und auf der anderen Seite auch einfach eine schönere Frau, die gerade den Weg des Ehemannes kreuzt. Jedenfalls ist die Stellung der Frau völlig prekär. Sie hat in dieser Beziehung kaum Rechte und ist mehr oder weniger der Gnade des Mannes und dem Grad der jeweiligen Auslegung ausgeliefert. Viele Geschichten aus dem Alten Testament gewinnen diesbezüglich eine besondere Dringlichkeit. Etwa die Geschichte der Hagar, die sich in der Auseinandersetzung mit Sara und Abraham hintangestellt sieht und fliehen muss. Du bist ein Gott, der mich sieht (1. Mose 16,13), zeigt dann eine Zusage in größter Not.
Jesu strenge Forderung, jede Scheidung für unmöglich zu erklären, ist dann nicht einfach ein unerfüllbares Gebot, sondern schützt auch die Rechte der Frau und gibt ihr eine viel sicherere Stellung in der Partnerschaft.
Jesus begründet dies eben mit der von Anfang gegebenen Natur des Menschen, der sich zu einem anderen Menschen hingezogen fühlt und dafür sogar die familiären Bande der Ursprungsfamilie hinter sich lässt: Darum wird ein Mann seinen Vater und seine Mutter verlassen und wird an seiner Frau hängen, und die zwei werden ein Fleisch sein.
Nichtsdestotrotz wird auch der Gedanke Gewicht haben, dass diese eheliche oder partnerschaftliche Bindung in guten und in bösen Tagen Bestand haben soll. Jesu Bild macht deutlich, dass das eine Fleisch eben zueinander gehört und nicht getrennt werden kann, ohne himmlische und irdische Gesetze und Gebote zu verletzen.
Drittens: Herzenssache
Scheidungen sind eine Realität. Das Ideal der ewigen Liebe oder der stabilen bürgerlichen Ehe wird je nachdem, wie liberal eine Gesellschaft ist, oft in Frage gestellt. Theoretisch oder praktisch. Viele Faktoren spielen da eine Rolle, und gegenwärtig werden auch viel offenere Partnerschaftsmodelle diskutiert und praktiziert. Verletzungen und Kränkungen inklusive.
Auch diese sind Teil der menschlichen Natur. Das wird deutlich am Wort Jesu, wenn er von der Herzenshärtigkeit spricht. Das griechische Wort klingt fast wie eine Krankheit: Sklerokardia. Herzenshärtigkeit. Obgleich das nun weniger ein medizinischer Fakt im engeren Sinn ist, drückt sich in dieser Bezeichnung doch etwas aus, was dem Menschen oft widerfährt.
Als Beispiel mag das Wort aus der alttestamentlichen Lesung dienen. Das Dichten und Trachten des menschlichen Herzens ist böse von Jugend auf. Böse, hart, unnachgiebig, unflexibel, ungnädig. Hier wird das Herz nach biblischer Anthropologie nicht nur als ein Organ der Emotionen, sondern auch als eines des Willens und des Verstandes beschrieben.
Diesem harten Herzen wird in der Flutgeschichte das Herz Gottes gegenübergestellt: “Und der Herr roch den lieblichen Geruch und sprach in seinem Herzen: Ich will hinfort nicht mehr die Erde verfluchen um der Menschen willen.” (1. Mose 8,21) Das demütige Opfer Noahs erweicht Gottes Herz und er trifft eine Entscheidung, den Menschen nicht mehr zu bestrafen, trotz seiner Herzenshärtigkeit.
Wie im katholischen Eheversprechen stiftet Gott einen ewigen Bund mit dem Menschen. Auch auf die ständig drohende Gefahr hin, dass der Mensch untreu wird. Aus göttlichen Kräften ist das auch möglich.
Ob mein Herz dadurch auch erweicht wird?
Ob ich dadurch auch nachsichtiger, vorsichtiger, sanfter, geduldiger und treuer werde?
Der Anspruch also bleibt. Aber er wird nicht allein aus verhärtetem Herzensgrund gesetzt. Er hofft auf die Weichheit des Herzens. Er glaubt an Gottes weiches Herz. Er handelt in der Liebe meines weichen Herzens. Und sieht das weiche Herz im Mitmenschen. Auch wenn es sich nicht immer so anfühlt.
Dann ist mehr möglich, als möglich erscheint.
Dann ist Liebe nicht nur ein Ideal sondern wunderbare Realität
Und der Frieden Gottes, der höher ist als all unsere Vernunft, bewahre unsere Herzen in Christus Jesus unserm Herrn.
- Miteinander und füreinander beten
Du hast uns gesagt, Gott, was gut ist.
Wir bitten dich für uns Menschen – weil wir dein Wort hören, aber nicht tun.
Wir bitten dich um Gnade dafür, dass wir genau das tun,
was du uns nicht geboten hast
Wir bitten dich um Vergebung, weil wir nicht weise handeln können.
Weil wir immer wieder in die alten tiefen Spuren von Hass und Gewalt fallen.
Wir bitten dich um Barmherzigkeit für uns alle –
und ganz besonders für alle Menschen, die heute auf unserer Erde
Kriege und gewaltsame Auseinandersetzungen erleben müssen,
die all dies am eigenen Leib erleiden.
Lass uns gewiss sein, Du leidest mit allen,
die das unerträglich finden, aber nichts tun können.
Lass uns Trost werden, denn Du weinst mit allen, die weinen.
Du sitzt bei allen, die in Angst um ihre Angehörigen sind.
Lass in unser Herz, dass Du bei allen bist, die ihr Leben verlieren
und sie in Frieden bei dir aufnimmst.
Stärke alle, die jetzt einfach nur helfen,
die Tote bergen, Verletzte in Krankenhäuser bringen, die Lebensmittel verteilen
und versuchen, einen Weg durch das Chaos zu bahnen.
Gib Weisheit und Unerschütterlichkeit für alle,
die auf Verhandlungen und Lösungen drängen und nicht nachlassen,
auch wenn die Wirklichkeit lauter schreit.
Wir möchten Liebe üben, unser Gott, aber wir versagen immer wieder.
Hab Geduld mit uns. Uns hilf uns, es immer wieder zu versuchen –
gegen so viel Leid und Hass.
Bleib in all dem bei uns und hilf uns dabei,
immer weiter nach deinem Wort zu suchen
In Jesu Namen bitten wir:
Vater unser im Himmel,
geheiligt werde Dein Name.
Dein Reich komme. Dein Wille geschehe,
wie im Himmel, so auf Erden.
Unser tägliches Brot gib uns heute.
Und vergib uns unsere Schuld,
wie auch wir vergeben unsern Schuldigern.
Und führe uns nicht in Versuchung,
sondern erlöse uns von dem Bösen.
Denn dein ist das Reich und die Kraft
und die Herrlichkeit in Ewigkeit. Amen.
- Segen
Es segne und behüte uns, Gott, der Allmächtige und Barmherzige,
der Vater, der Sohn und der Heilige Geist.
Amen.
(Pfarrer Olaf Wisch)