20. Sonntag nach Trinitatis (22.10.)2023

  • Anfangen

In deinen Händen, Herr, steht unsere Zeit.
Denke an mich in deiner Gnade.
Erhöre mich und hilf mir. Amen

  • Eröffnung

„Es ist dir gesagt, Mensch, was gut ist und was der HERR von dir fordert: nichts als Gottes Wort halten und Liebe üben und demütig sein vor deinem Gott.“ Dieser Wochenspruch aus dem Buch des Propheten Micha ist einerseits eine Selbstverständlichkeit in unserem Glauben und wirft andererseits im konkreten Fall viele Fra-gen auf. Es ist hilfreich, darüber nachzu-
deken und dafür zu beten.

  • Ein Lied: Wohl denen, die da wandeln vor Gott in Heiligkeit (EG 295)

1) Wohl denen, die da wandeln
vor Gott in Heiligkeit,
nach seinem Worte handeln
und leben allezeit;
die recht von Herzen suchen Gott
und seine Zeugniss‘ halten,
sind stets bei ihm in Gnad.

2) Von Herzensgrund ich spreche:
dir sei Dank allezeit,
weil du mich lehrst die Rechte
deiner Gerechtigkeit.
Die Gnad auch ferner mir gewähr;
ich will dein‘ Rechte halten,
verlaß mich nimmermehr.

3) Mein Herz hängt treu und feste
an dem, was dein Wort lehrt.
Herr, tu bei mir das Beste,
sonst ich zuschanden werd.
Wenn du mich leitest, treuer Gott,
so kann ich richtig laufen
den Weg deiner Gebot.

4) Dein Wort, Herr, nicht vergehet,
es bleibet ewiglich,
so weit der Himmel gehet,
der stets beweget sich;
dein Wahrheit bleibt zu aller Zeit
gleichwie der Grund der Erden,
durch deine Hand bereit‘.

  • Aus Psalm 119

Wohl denen, die ohne Tadel leben, die im Gesetz des HERRN wandeln!
Wohl denen, die sich an seine Zeugnisse halten,
die ihn von ganzem Herzen suchen,
die auf seinen Wegen wandeln und kein Unrecht tun.
Du hast geboten, fleißig zu halten deine Befehle.
O dass mein Leben deine Gebote mit ganzem Ernst hielte.
Wenn ich schaue allein auf deine Gebote, so werde ich nicht zuschanden.
Ich danke dir mit aufrichtigem Herzen,
dass du mich lehrst die Ordnungen deiner Gerechtigkeit.
Deine Gebote will ich halten; verlass mich nimmermehr!
Tu wohl deinem Knecht, dass ich lebe und dein Wort halte.
Öffne mir die Augen, dass ich sehe die Wunder an deinem Gesetz.

  • Worte nach dem Markusevangelium (Mk 10,2-9)

Und Pharisäer traten hinzu und fragten ihn, ob es einem Mann erlaubt sei, sich von seiner Frau zu scheiden, und versuchten ihn damit. Er antwortete aber und sprach zu ihnen: Was hat euch Mose geboten? Sie sprachen: Mose hat zugelassen, einen Scheidebrief zu schreiben und sich zu scheiden. Jesus aber sprach zu ihnen: Um eures Herzens Härte willen hat er euch dieses Gebot geschrieben; aber von Anfang der Schöpfung an hat Gott sie geschaffen als Mann und Frau. Darum wird ein Mann seinen Vater und seine Mutter verlassen und wird an seiner Frau hängen, und die zwei werden ein Fleisch sein. So sind sie nicht mehr zwei, sondern ein Fleisch. Was nun Gott zusammengefügt hat, soll der Mensch nicht scheiden.

  • Gedanken zum Markusevangelium

Erstens: Das Eheversprechen
Als ich meine ersten kirchlichen Trauungen und Gottesdienste zur Eheschließung vorbereitete, musste ich oft über den letzten Satz des heutigen Predigttextes nachdenken. Was nun Gott zusammengefügt hat, soll der Mensch nicht scheiden.Ich war mir nicht sicher, ob ich ihn offenen Herzens zwei Menschen zusprechen kann. Dahinter stand meine Vorstellung, dass damit ein so hoher Anspruch an das Paar und auch an mich verbunden ist, dass er kaum einzuhalten wäre.
Ein lebenslanger Bund sollte damit eingesetzt werden, der von Gott gefordert unter seinem strengen Gesetz stünde. Diese Vorstellung speist sich aus zwei Quellen. Die eine ist ein Partnerschaftsideal, das aus den romantischen Ideen des 19. Jahrhunderts herrührt. Um 1800 wird zunehmend Partnerschaft nicht nur vorrangig als ein Zweckbündnis betrachtet. Die emotionale Komponente gewinnt erheblich an Gewicht. Sie entspringt nicht nur aus Notwendigkeit der gemeinsamen Pflege von Kindern und Familienangehörigen sondern aus dem Anspruch, sich ein Leben lang einander zugetan zu sein und sich zu lieben.
Dem steht ein katholisches Verständnis von Ehe und Partnerschaft zur Seite. Dieses Verständnis findet sich etwa im katholischen Kirchenrecht. Im Kodex des kanonischen Rechts ist die Ehe mit etwa 100 Rechtssätzen geregelt, das sind reichlich 40 Seiten Text. Die Grundlage dieses Rechtes ist das durch die Eheleute gegenseitig gespendete Sakrament. Da heißt es etwa: “Die Ehe kommt durch den Konsens der Partner zustande, der zwischen rechtlich dazu befähigten Personen in rechtmäßiger Weise kundgetan wird; der Konsens kann durch keine menschliche Macht ersetzt werden.” (Can. 1057, Codex des kanonischen Rechtes)
Es wird also die gegenseitige Verantwortung und Willenskundgebung der menschlichen Partner verbunden mit der nichtmenschlichen Macht Gottes.
Diese beiden Punkte, das Versprechen der Liebe und die religiös-rechtliche Setzung dieser Liebe, finden sich anschaulich in den romantischen Heiratsszenen von Hollywoodfilmen, wenn sich ein Paar vor der versammelten Hochzeitsgesellschaft und der Kulisse eines Meeresstrandes ewige Treue verspricht.
Dass dieses hohe Ideal nicht mit meinen Erfahrungen übereinstimmt, ließ mich zweifeln. Ewige Liebe, dachte ich, das ist doch fragwürdig.
Diese Fragwürdigkeit ergibt sich aus dem Umstand, dass in diesen Gedanken Gott und Mensch irgendwie verwechselt werden. Der Mensch verbindet? Oder doch eher Gott? Was verbindet Gott tatsächlich? Können Menschen dazu befähigt sein, eine göttliche Verbindung zu schaffen? Oder ist es nicht vielmehr ein Wunsch?
Mit diesen Fragen verstand ich diesen Satz eher als eine Zusage und als einen Segen: Was Gott verbunden hat, dass soll der Mensch nicht scheiden. Es steckt dann immer noch ein hoher Anspruch dahinter, aber auch das Versprechen Gottes, eine tragende Kraft in diesem Bund zu sein. Ich bin als Partner nicht allein dafür verantwortlich, und auch nicht allein mein Partner. Es ist eine Zusage, die Kraft geben kann in Zeiten, wenn die romantische Liebe nicht mehr trägt. Das konnte ich gut sagen und zusprechen.

Zweitens: Der Scheidebrief
Die Praxis seiner Umwelt, gegen die sich hier Jesus im Streitgespräch mit den Pharisäern wendet, sah vor, dass der Mann in einer Partnerschaft einen sogenannten Scheidebrief ausstellen konnte. Die Umstände, die einen Scheidebrief erlaubten, werden im 5. Buch Mose beschrieben: “Wenn jemand ein Weib nimmt und ehelicht sie, und sie nicht Gnade findet vor seinen Augen, weil er etwas schändliches an ihr gefunden hat, so soll er einen Scheidebrief schreiben und ihr in die Hand geben und sie aus seinem Haus entlassen.” (5. Mose 24,1)
In der Auslegung dieser Regel wird nun darüber debattiert, was das sein könnte, das Schändliche. Die Meinungen der Auslegung gehen da weit auseinander. Das kann auf der einen Seite ein unerfüllter Kinderwunsch sein und auf der anderen Seite auch einfach eine schönere Frau, die gerade den Weg des Ehemannes kreuzt. Jedenfalls ist die Stellung der Frau völlig prekär. Sie hat in dieser Beziehung kaum Rechte und ist mehr oder weniger der Gnade des Mannes und dem Grad der jeweiligen Auslegung ausgeliefert. Viele Geschichten aus dem Alten Testament gewinnen diesbezüglich eine besondere Dringlichkeit. Etwa die Geschichte der Hagar, die sich in der Auseinandersetzung mit Sara und Abraham hintangestellt sieht und fliehen muss. Du bist ein Gott, der mich sieht (1. Mose 16,13), zeigt dann eine Zusage in größter Not.
Jesu strenge Forderung, jede Scheidung für unmöglich zu erklären, ist dann nicht einfach ein unerfüllbares Gebot, sondern schützt auch die Rechte der Frau und gibt ihr eine viel sicherere Stellung in der Partnerschaft.
Jesus begründet dies eben mit der von Anfang gegebenen Natur des Menschen, der sich zu einem anderen Menschen hingezogen fühlt und dafür sogar die familiären Bande der Ursprungsfamilie hinter sich lässt: Darum wird ein Mann seinen Vater und seine Mutter verlassen und wird an seiner Frau hängen, und die zwei werden ein Fleisch sein.
Nichtsdestotrotz wird auch der Gedanke Gewicht haben, dass diese eheliche oder partnerschaftliche Bindung in guten und in bösen Tagen Bestand haben soll. Jesu Bild macht deutlich, dass das eine Fleisch eben zueinander gehört und nicht getrennt werden kann, ohne himmlische und irdische Gesetze und Gebote zu verletzen.

Drittens: Herzenssache
Scheidungen sind eine Realität. Das Ideal der ewigen Liebe oder der stabilen bürgerlichen Ehe wird je nachdem, wie liberal eine Gesellschaft ist, oft in Frage gestellt. Theoretisch oder praktisch. Viele Faktoren spielen da eine Rolle, und gegenwärtig werden auch viel offenere Partnerschaftsmodelle diskutiert und praktiziert. Verletzungen und Kränkungen inklusive.
Auch diese sind Teil der menschlichen Natur. Das wird deutlich am Wort Jesu, wenn er von der Herzenshärtigkeit spricht. Das griechische Wort klingt fast wie eine Krankheit: Sklerokardia. Herzenshärtigkeit. Obgleich das nun weniger ein medizinischer Fakt im engeren Sinn ist, drückt sich in dieser Bezeichnung doch etwas aus, was dem Menschen oft widerfährt.
Als Beispiel mag das Wort aus der alttestamentlichen Lesung dienen. Das Dichten und Trachten des menschlichen Herzens ist böse von Jugend auf. Böse, hart, unnachgiebig, unflexibel, ungnädig. Hier wird das Herz nach biblischer Anthropologie nicht nur als ein Organ der Emotionen, sondern auch als eines des Willens und des Verstandes beschrieben.
Diesem harten Herzen wird in der Flutgeschichte das Herz Gottes gegenübergestellt: “Und der Herr roch den lieblichen Geruch und sprach in seinem Herzen: Ich will hinfort nicht mehr die Erde verfluchen um der Menschen willen.” (1. Mose 8,21) Das demütige Opfer Noahs erweicht Gottes Herz und er trifft eine Entscheidung, den Menschen nicht mehr zu bestrafen, trotz seiner Herzenshärtigkeit.
Wie im katholischen Eheversprechen stiftet Gott einen ewigen Bund mit dem Menschen. Auch auf die ständig drohende Gefahr hin, dass der Mensch untreu wird. Aus göttlichen Kräften ist das auch möglich.
Ob mein Herz dadurch auch erweicht wird?
Ob ich dadurch auch nachsichtiger, vorsichtiger, sanfter, geduldiger und treuer werde?
Der Anspruch also bleibt. Aber er wird nicht allein aus verhärtetem Herzensgrund gesetzt. Er hofft auf die Weichheit des Herzens. Er glaubt an Gottes weiches Herz. Er handelt in der Liebe meines weichen Herzens. Und sieht das weiche Herz im Mitmenschen. Auch wenn es sich nicht immer so anfühlt.
Dann ist mehr möglich, als möglich erscheint.
Dann ist Liebe nicht nur ein Ideal sondern wunderbare Realität
Und der Frieden Gottes, der höher ist als all unsere Vernunft, bewahre unsere Herzen in Christus Jesus unserm Herrn.

  • Miteinander und füreinander beten

Du hast uns gesagt, Gott, was gut ist.
Wir bitten dich für uns Menschen – weil wir dein Wort hören, aber nicht tun.
Wir bitten dich um Gnade dafür, dass wir genau das tun,
was du uns nicht geboten hast
Wir bitten dich um Vergebung, weil wir nicht weise handeln können.
Weil wir immer wieder in die alten tiefen Spuren von Hass und Gewalt fallen.
Wir bitten dich um Barmherzigkeit für uns alle –
und ganz besonders für alle Menschen, die heute auf unserer Erde
Kriege und gewaltsame Auseinandersetzungen erleben müssen,
die all dies am eigenen Leib erleiden.
Lass uns gewiss sein, Du leidest mit allen,
die das unerträglich finden, aber nichts tun können.
Lass uns Trost werden, denn Du weinst mit allen, die weinen.
Du sitzt bei allen, die in Angst um ihre Angehörigen sind.
Lass in unser Herz, dass Du bei allen bist, die ihr Leben verlieren
und sie in Frieden bei dir aufnimmst.
Stärke alle, die jetzt einfach nur helfen,
die Tote bergen, Verletzte in Krankenhäuser bringen, die Lebensmittel verteilen
und versuchen, einen Weg durch das Chaos zu bahnen.
Gib Weisheit und Unerschütterlichkeit für alle,
die auf Verhandlungen und Lösungen drängen und nicht nachlassen,
auch wenn die Wirklichkeit lauter schreit.
Wir möchten Liebe üben, unser Gott, aber wir versagen immer wieder.
Hab Geduld mit uns. Uns hilf uns, es immer wieder zu versuchen –
gegen so viel Leid und Hass.
Bleib in all dem bei uns und hilf uns dabei,
immer weiter nach deinem Wort zu suchen

In Jesu Namen bitten wir:
Vater unser im Himmel,
geheiligt werde Dein Name.
Dein Reich komme. Dein Wille geschehe,
wie im Himmel, so auf Erden.
Unser tägliches Brot gib uns heute.
Und vergib uns unsere Schuld,
wie auch wir vergeben unsern Schuldigern.
Und führe uns nicht in Versuchung,
sondern erlöse uns von dem Bösen.
Denn dein ist das Reich und die Kraft
und die Herrlichkeit in Ewigkeit. Amen.

  • Segen

Es segne und behüte uns, Gott, der Allmächtige und Barmherzige,
der Vater, der Sohn und der Heilige Geist.
Amen.

(Pfarrer Olaf Wisch)

19. Sonntag nach Trinitatis (15.10.)2023

  • Anfangen

In deinen Händen, Herr, steht unsere Zeit.
Denke an mich in deiner Gnade.
Erhöre mich und hilf mir. Amen

  • Eröffnung

Der Wochenspruch für die neue Woche steht beim Propheten Jeremia Kap.17, 14 „Heile du mich, HERR, so werde ich heil; hilf du mir, so ist mir geholfen.“
Die Erzählung von der Heilung des Gichtkranken macht uns am heutigen Sonntag deutlich, dass der Mensch nicht al-lein aus dem Leib besteht, der krank werden und sterben kann. Wenn Jesus heilt, so heilt er immer den ganzen Menschen.

  • Ein Lied: So lang es Menschen gibt auf Erden Erden (EG 427)
  • Psalm: Psalm 32, Verse 1-7.11

Wohl dem, dem die Übertretungen vergeben sind,
dem die Sünde bedeckt ist!
Wohl dem Menschen, dem der Herr die Schuld nicht zurechnet,
in dessen Geist kein Falsch ist!
Denn da ich es wollte verschweigen,
verschmachteten meine Gebeine durch mein tägliches Klagen.
Denn deine Hand lag Tag und Nacht schwer auf mir,
dass mein Saft vertrocknete, wie es im Sommer dürre wird.
Darum bekannte ich dir meine Sünde, und meine Schuld verhehlte ich nicht.
Ich sprach: Ich will dem Herrn meine Übertretungen bekennen.
Da vergabst du mir die Schuld meiner Sünde.
Deshalb werden alle Heiligen zu dir beten zur Zeit der Angst;
darum, wenn große Wasserfluten kommen, werden sie nicht an sie gelangen.
Du bist mein Schirm, du wirst mich vor Angst behüten,
dass ich errettet gar fröhlich rühmen kann.
Freuet euch des Herrn und seid fröhlich, ihr Gerechten,
und jauchzet, alle ihr Frommen.

  • Evangelium für den heutigen Sonntag – Markus, 2. Kapitel, Verse 1-12

Und nach etlichen Tagen ging er wieder nach Kapernaum; und es wurde bekannt, dass er im Hause war. Und es versammelten sich viele, sodass sie nicht Raum hatten, auch nicht draußen vor der Tür; und er sagte ihnen das Wort. Und es kamen einige, die brachten zu ihm einen Gelähmten, von vieren getragen. Und da sie ihn nicht zu ihm bringen konnten wegen der Menge, deckten sie das Dach auf, wo er war, gruben es auf und ließen das Bett herunter, auf dem der Gelähmte lag.
Da nun Jesus ihren Glauben sah, sprach er zu dem Gelähmten: Mein Sohn, deine Sünden sind dir vergeben.
Es saßen da aber einige Schriftgelehrte und dachten in ihren Herzen:
Wie redet der so? Er lästert Gott! Wer kann Sünden vergeben als Gott allein?
Und Jesus erkannte alsbald in seinem Geist, dass sie so bei sich selbst dachten, und sprach zu ihnen: Was denkt ihr solches in euren Herzen? Was ist leichter, zu dem Gelähmten zu sagen: Dir sind deine Sünden vergeben, oder zu sagen: Steh auf, nimm dein Bett und geh hin? Damit ihr aber wisst, dass der Menschensohn Vollmacht hat, Sünden zu vergeben auf Erden – sprach er zu dem Gelähmten: Ich sage dir, steh auf, nimm dein Bett und geh heim!
Und er stand auf und nahm sogleich sein Bett und ging hinaus vor aller Augen, sodass sie sich alle entsetzten und Gott priesen und sprachen: Wir haben solches noch nie gesehen.

  • Gedanken zum Text

Liebe Gemeinde,
es ist jetzt ca. 1 Jahr her, da wurde ich nach einem Gottesdienst im Seniorenheim zu einer Bewohnerin gerufen, die Geburtstag hatte, und bettlägerig war.
Die Frau hatte schon wochenlang nicht mehr gesprochen. Sie lag im Bett und starrte an die Decke oder blickte aus ihrem großen Fenster hinaus in den Himmel, den sie sehen konnte. Als ich die Frau ansprach erhielt ich keine Reaktion, sie schien durch mich hindurchzublicken, sie kannte mich ja auch nicht. Von den Schwestern hatte ich erfahren, dass die Frau nur entfernte Angehörige hatte, die nur sehr selten zu Besuch kamen, lediglich zwei Nonnen schauten etwas öfter vorbei.
Da saß ich nun am Bett, neben einer mir unbekannten Frau, die nicht reagierte. Das war eine ziemlich bedrückende Situation für mich. Ich erzählte ihr, dass wir gerade Gottesdienst gefeiert und worüber wir gesprochen hatten.
Keine Reaktion.
Schließlich fragte ich sie, ob ich ihre Hand halten dürfe und mit ihr beten sollte, sie reagierte nicht wirklich, ließ aber die Berührung der Hand zu. Was betet man in einer solchen Situation? Mir fiel nur der Vaterunser ein und ich begann mit dem Gebet. Dann passierte etwas ganz Erstaunliches, die Frau drückte meine Hand und begann die Worte mitzusprechen, erst ganz zaghaft, dann immer lauter und bewusster. Es war ein unglaublich bewegender Moment für mich und selbst der Pfleger, der mit dem Mittagessen zur Tür hereinkam, blieb wie angewurzelt stehen und wartete mit dem Tablett in der Hand bis wir zu Ende gebetet hatten. Zum Abschluss segnete ich die Frau und ärgerte mich, dass ich kein Öl dabei hatte um sie den Segen noch einmal leiblich erfahrbar machen zu können.
Dieses Erlebnis hat mich tief bewegt, denn es hat mir gezeigt wie viel Kraft in einer Begegnung, in einer Berührung und in einem Gebet stecken kann.
„Liebe Schwestern und Brüder,
Leidet jemand unter euch, der bete; ist jemand guten Mutes, der singe Psalmen.
Ist jemand unter euch krank, der rufe zu sich die Ältesten der Gemeinde, dass sie über ihm beten und ihn salben mit Öl in dem Namen des Herrn. Und das Gebet des Glaubens wird dem Kranken helfen, und der Herr wird ihn aufrichten; und wenn er Sünden getan hat, wird ihm vergeben werden.“
So schreibt es der Apostel Jakobus in seinem Brief. Eine klare Handlungsanweisung?
Er richtet diesen Brief an alle Juden die Christen geworden sind und die immer wieder mit der Frage konfrontiert sind, wie sich dieses Christsein im Leben im Alltag zeigt. Christsein, das heißt in Verbindung sein, nicht alleine sein, zu einer
Gemeinschaft zu gehören die füreinander da ist. Egal ob ich froh bin und aus Freude Lieder singe und meinem Gott
danke, oder ob ich leide oder krank bin. Ich bin darauf angewiesen in Beziehung zu bleiben. In Beziehung zu Gott
und zu den Menschen.
Krankheit versetzt den Menschen nicht in eine passive Situation, an der er nichts ändern kann. Krankheit wird als Teil des Menschseins begriffen, aber sie geht nicht nur den Kranken an, sondern auch die Gemeinschaft. Der Kranke muss nicht still in seinem Kämmerlein leiden, er kann und soll die Ältesten rufen, ihnen sein Leid klagen und diese Klage gemeinsam im Gebet vor Gott bringen. Der oder die Kranke darf Berührung und wohltuendes Salböl erwarten.
Dabei geht es nicht darum, dass aus einer solchen Begegnung die körperliche Krankheit geheilt wird.
Es geht darum die Seele zu stärken mit der Krankheit umzugehen, sich der Gemeinschaft mit Gott und den Schwestern und Brüdern getragen wissen. Nicht allein, nicht einsam mit den Problemen umgehen zu müssen.
Liebe Gemeinde, was macht das mit uns?
Wie geht es uns mit der praxisorientierten Handreichung des Jakobus? In unsere heutige Zeit ist Krankheit zwar auch
allgegenwärtig, aber sie wird eher versteckt. Alle wollen ewig stark und ewig jung sein. Krankheit gilt als Makel.
Ich erlebe manchmal Menschen, die sagen, dass sie nicht besucht werden wollen, weil sie „keine Umstände“ machen möchten, niemandem von ihren Gebrechen erzählen wollen und dann still leiden, nicht nur körperlich,
sondern auch seelisch.
Dabei hat auch die moderne Wissenschaft immer wieder nachgewiesen, wie wichtig seelische und körperliche Ge-sundheit zusammenhängen. Das Teilen und das Mitteilen des eigenen Zustandes gegenüber Gott und den Menschen versetzt mich in eine aktive Position, ich bin nicht der Krankheit ausgeliefert, sondern kann sie benennen und mich von der Gemeinschaft getragen wissen.
Niemand muss alleine sein, und keiner ist alleine, denn er kann sich der Liebe und der Gnade Gottes sicher sein.
In den letzten beiden Jahren hier im Süden habe ich vielfach erfahren wie sehr die Gemeinschaft in der Gemeinde gelebt und gepflegt wird. Es gibt Besuchsdienste und wenn jemand von einem anderen erfährt, dass jemand krank ist,
dann wird auch schon mal der Pfarrer, die Pfarrerin oder die Vikarin darauf angesprochen und gezielt zu den Men-schen geschickt. Das ist wunderbar.
Wir haben noch eine andere Möglichkeit die über die persönliche, direkte Begegnung mit Leidenden und Kranken vor Ort hinausgeht. Hier im Gottesdienst ist der Ort wo wir gemeinsam die Dinge zur Sprache bringen die uns bewegen.
Heute haben sie am Eingang einen kleinen Zettel bekommen mit der Bitte jemanden zu benennen der oder die krank ist und deren Leiden wir hier zur Sprache bringen sollen. Vielleicht fällt ihnen ja jemand ein, den sie gerne benannt haben möchten. Sie können zur Fürbitte nach vorn kommen und ihr Anliegen selbst vorlesen, oder sie geben den Zettel ab und wir bringen es in der Fürbitte zur Sprache. Bringen unser Anliegen zu Gott und hoffen, dass er die Bitten erhört.
In unsere Fürbitten im Gottesdienst nehmen wir nicht nur den Einzelnen in den Blick, sondern schauen immer auch auf die Umstände in unserer Stadt, in unserem Land in unserer Welt. Da ist zurzeit viel zu bedenken.
Der Terrorkrieg der Hamas in Israel und Palästina hat unsere Welt seit letzter Woche tief erschüttert. Noch immer tobt der Krieg in der Ukraine. Am Montag haben wir an den Anschlag in auf die Synagoge hier in Halle und der beiden völlig unbeteiligten Opfer gedacht.
Eine scheinbar nicht enden wollende Spirale von Gewalt zieht durch unsere Welt. Seit Ausbruch des Krieges treffen sich Menschen zu Friedensgebeten. Bringen ihre Bitte um Frieden vor Gott. Immer wieder.
Wir sind ohnmächtig und zugleich nicht sprachlos, und dadurch nicht machtlos.
Wir haben Stimmen und Herzen, die sich erheben können. Wir können aufbegehren gegen das Böse und unsere ei-genen Herzen und Sinne nach dem ausrichten was gut ist, und uns nicht von blindem Hass und hetzerischen Parolen einiger weniger blenden lassen und auf Gottes Liebe vertrauen.
Das ist manchmal schwer auszuhalten, aber in der Gemeinschaft und im Sprechen darüber keimt immer wieder neue Hoffnung. Das letzte Wort hat nicht die Gewalt und das Böse, sondern die Liebe und Gnade Gottes in Ewigkeit, die über uns hinausgeht.
„Dabei hilft uns der Geist Gottes in all unseren Schwächen und Nöten. Wissen wir doch nicht einmal, wie wir beten sollen, damit es Gott gefällt! Deshalb tritt Gottes Geist für uns ein, er bittet für uns mit einem Seufzen, wie es sich nicht in Worte
fassen lässt.“ (Röm 8,26)
Meine kleine Anekdote vom Anfang hat gezeigt, wie wichtig die Begegnung und die Anteilnahme am Leid anderer ist, was eine Berührung ausmachen kann, wie sehr ein Gebet trägt.
Jakobus hat uns vor 2000 Jahren ins Stammbuch geschrieben wie wir als Christen einander beistehen sollen und kön-nen. Er schrieb nicht, dass das Gebet gesund macht, aber dass es Heil machen kann.
Denn; das Gebet des Glaubens wird dem Kranken helfen, und der Herr wird ihn aufrichten; und wenn er Sünden ge-tan hat, wird ihm vergeben werden.
Oft wissen wir nicht, wie das Gebet des Glaubens im richtigen Moment formuliert werden kann, aber Jesus Christus hat für uns vorgesorgt und uns sein Gebet geschenkt – das Vaterunser. Wir haben die Telefonnummer Gottes, denn seine Liebe ist stärker als all unsere Vernunft. Er bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.

  • Miteinander und füreinander beten

Hörst du die Klage? Siehst du die Tränen, ewiger Gott?
Die Steine in der Wüste schreien Dein Heiliges Land leidet.
Verzweifelte Eltern trauern um ihre Kinder.
Mit Hohngelächter sind sie gekommen und haben die geschändet, die den Frieden lieben.
Die Mörder prahlen mit ihren Waffen.
Du bist der Gott der Gerechtigkeit.
Du wirst daran gedenken, darum hoffen wir.
Kyrie eleison.

Hörst du das Weinen? Siehst du die Angst, ewiger Gott?
In verminten Feldern sterben Menschen und Tiere.
Kriegstage folgen auf Kriegsnächte.
Bevor die Wunden vernarben, werden neue geschlagen.
Die Kriegsherren feiern den Tod. Sie verachten dein Gebot.
Du bist der Gott des Friedens.
Du wirst daran gedenken, darum hoffen wir.
Kyrie eleison.

Siehst du unser Entsetzen.
Immernoch sind wir fassungslos und betroffen über die grausame Tat eines Einzelnen
der in unserer Stadt ein Blutbad anrichten wollte.
Die Tür hielt stand. Danke guter Gott.
Wir bitten dich für die Opfer, nimm sie auf in deinen ewigen Frieden.
Bewahre sie auch in unserem Herzen.

Hörst du das Seufzen? Siehst du die Kranken, ewiger Gott?
Sie warten auf Heilung. Sie warten auf die Linderung ihrer Schmerzen.
Erdbeben und Hunger plagt wehrlose Männer, Frauen und Kinder.
Sie hoffen auf Rettung.
Die, die den Schwachen beistehen, sind müde
und die Mächtigen kennen dich nicht.
Du bist der Gott der Rettung.
Du wirst ja daran gedenken, darum hoffen wir.
Kyrie eleison.
Hörst du unsere Lieder?
Siehst du unseren Glauben,ewiger Gott?
Wir fragen nach dir.
Wir kommen zu dir.
Wir bitten dich für unsere Kinder.
Wir bitten dich für die, die du uns an die Seite stellst.
Wir bitten dich für deine weltweite Gemeinde.
Du bist gütig und deine Barmherzigkeit hat kein Ende.
Du wirst ja daran gedenken.
So hoffen wir im Namen Jesu und rufen:
Kyrie eleison.

In Jesu Namen bitten wir:
Vater unser im Himmel,
geheiligt werde Dein Name.
Dein Reich komme. Dein Wille geschehe,
wie im Himmel, so auf Erden.
Unser tägliches Brot gib uns heute.
Und vergib uns unsere Schuld,
wie auch wir vergeben unsern Schuldigern.
Und führe uns nicht in Versuchung,
sondern erlöse uns von dem Bösen.
Denn dein ist das Reich und die Kraft
und die Herrlichkeit in Ewigkeit. Amen.

  • Segen

Es segne und behüte uns, Gott, der Allmächtige und Barmherzige,
der Vater, der Sohn und der Heilige Geist.
Amen.

(Vikarin Christin Schulze-Gerlach)

14. Sonntag nach Trinitatis (10.09.)2023

  • Anfangen

In deinen Händen, Herr, steht unsere Zeit.
Denke an mich in deiner Gnade.
Erhöre mich und hilf mir.
Amen.

  • Eröffnung

Der Wochenspruch für die neue Woche steht im Psalm 103.
„Lobe den Herrn, mein Seele,
und vergiss nicht, was er dir Gutes getan hat.“

  • Psalmlied zu Psalm 146 (EG 303)

Lobe den Herren, o meine Seele! Ich will ihn loben bis in` Tod;
Weil ich noch Stunden auf Erden zähle, will ich lobsingen meinem Gott.
Der Leib und Seel gegeben hat, werde gepriesen früh und spat.
Halleluja.
Fürsten sind Menschen, vom Weib geboren,
und kehren um zu ihrem Staub;
ihre Anschläge sind auch verloren,
wenn nun das Grab nimmt seinen Raub.
Weil denn kein Mensch uns helfen kann, rufe man Gott um Hilfe an.
Halleluja:
Selig, ja selig ist der zu nennen, des Hilfe der Gott Jakobs ist,
welcher vom Glauben sich nicht lässt trennen
und hofft getrost auf Jesus Christ.
Wer diesen Herrn zum Beistand hat, findet am besten Rat und Tat.
Halleluja.
Rühmet, ihr Menschen, den hohen Namen des, der so große Wunder tut.
Alles, was Odem hat, rufe Amen und bringe Lob mit frohem Mut.
Ihr Kinder Gottes, lobt und preist Vater und Sohn und Heilgen Geist!
Halleluja.

  • Lesung: Lukas 17, 11-19

Es begab sich, als Jesus nach Jerusalem wanderte, dass er durch das Gebiet zwischen Samarien und Galiläa zog.
Und als er in ein Dorf kam, begegneten ihm zehn aussätzige Männer;
Die standen von ferne und erhoben ihre Stimme und sprachen:
Jesus, lieber Meister, erbarme dich unser!
Und da er sie sah, sprach er zu ihnen:
Geht hin und zeigt euch den Priestern!
Und es geschah, als sie hingingen, da wurden sie rein.
Einer aber unter ihnen, als er sah, dass er gesund geworden war,
kehrte er um und pries Gott mit lauter Stimme
und fiel nieder auf sein Angesicht zu Jesu Füßen und dankte ihm.
Und das war ein Samariter.
Jesus aber antwortete und sprach: Sind nicht die zehn rein geworden?
Wo sind aber die neun?
Hat sich sonst keiner gefunden, der wieder umkehrte,
um Gott die Ehre zu geben, als nur dieser Fremde?
Und er sprach zu ihm: Steh auf, geh hin; dein Glaube hat dir geholfen.

  • Gedanken zum Text

Der heutige Text beinhaltet eine Weg- und Grenzgeschichte.
Jesus ist auf dem Weg von Galiäa über Samaria nach Jerusalem, das in Judäa liegt. Von daher ist es auch eine Grenzgeschichte. Denn, ein frommer Jude ging nicht durch Samaria. In Judäa leben die Rechtgläubigen, in Samaria die, die etwas anderes glauben. Die einen wollen mit den anderen nichts zu tun haben.
Dort, in einem unscheinbaren Ort, begegnet Jesus zehn Männern. Sie sind vom Aussatz gezeichnet, einer schlimmen Hautkrankheit, die, damit erkrankte vom normalen Leben ausschloss. Diese Hautkrankheit war sichtbar, machte die Erkrankten erkennbar.
Der Umgang mit Gesunden war streng verboten. Nicht einmal nähern durften sie sich gesunden Menschen, d.h. sie lebten abgesondert in unwirtlichen menschenfeindlichen Gebieten.
Aber das, was sie aus der Gemeinschaft der anderen ausschließt, bringt diese Männer zusammen.
Sie kommen aus verschiedenen Landesteilen, aber die Herkunft spielt jetzt keine Rolle. Sie sind zu einer Schicksalsgemeinschaft geworden, ausgeschlossen von der Beziehung zu anderen Menschen, ihren Familien, Nachbarn und Freunden.
Und sie sind ausgeschlossen vom Besuch des Tempels, der Gemeinschaft mit Gott.
Lukas schreibt, „die zehn stehen von ferne“.
Sie dürfen sich Jesus nicht nähern, sie dürfen die Grenze nicht überschreiten. Aber sie dürfen ihre Stimme benutzen und mit ihr die Grenze überschreiten.
„Jesus, lieber Meister, erbarme dich unser!“
Der Schrei hallt durch die Stille. Ihre ganze Verlassenheit, Ausweglosigkeit stecken sie in diesen Schrei.
Jesus hört den Schrei.
Jesus hört in ihm die große Not, die ihm entgegen geschrieen wird. Jesus erkennt ihre Not, ihre ganzes Elend.
Er unterbricht seinen Weg, wendet sich ihnen zu und schickt sie auf einen Hoffnungsweg.
„Geht hin, zeigt euch den Priestern!“
Das heißt, überschreitet die Grenze und geht auf einem neuen Weg.
Wie eine Heilung bestätigt wird ist klar vorgeschrieben im biblischen Gesetz, eine Art Quarantäneregel aus antiker Zeit.
Wer geheilt vom Aussatz war, musste sich waschen, sich scheren und wiederholt den Priestern zeigen, opfern und wurde dann als geheilt entlassen.
„Geht, zeigt euch!“ Wenn das keine Zumutung war?
Am Aussehen der Haut hatte sich nichts geändert.
Noch sah sie krank aus und nun diese Zumutung. Geht dahin, wo euch niemand liebevoll empfangen wird, wo kühle Sachlichkeit über „Gesund oder Krank“ entscheiden wird.
Sind sie in den Augen der Priester gesund gibt es das neue Leben in der Heimat mit Familie, Nachbarn und Freunden.
Lautet das Urteil „nicht gesund“ heißt es zurück über die Grenze in Isolation an einsamen Orten weiter dahin zu vegetieren.
Im Gegensatz zu anderen Heilungsgeschichten gibt es hier keine
Sofortheilung.
Jesus mutet den Männern fast unmenschliches zu.
Ohne Sicherheitsgarantie, nur auf sein Wort hin – GEHT!
Und sie gehen dorthin, wo sie hingehen dürfen.
Nehmen in Kauf, dass es umsonst sein könnte, dass man sie davon jagt zurück über die Grenze ins alte Leben.
Sie glauben und gehen. Und während sie gehen, heißt es ganz schlicht, werden sie rein.
Einer trennt sich von seinen Leidensgenossen. Er kommt zurück zu Jesus, fällt vor ihm nieder und dankt aus vollem Herzen.
Er kehrt um, er ein Samariter kehrt an den Ort zurück, wo seine Heilung ihren Anfang nahm. Für ihn ist der Ort der Verbannung, des Schreckens, zum Ort des Heils geworden.
Wo bleiben die anderen? So lautet Jesu verwunderte Frage, die nicht beantwortet wird.
Doch der Geheilte erhält Zuspruch und Wegweisung:
Steh auf, geh hin; dein Glaube hat dir geholfen.
Geh zurück zu den Menschen, die zu dir gehören.
Geh zurück in die Welt der Lebendigen.
Jesus muss weitergehen, seinen Weg nach Jerusalem.
Auch der Samariter geht seinen Weg in seine Welt, in der er verkünden kann, was ihm geschehen ist.
Was er erlebt, erlitten und gesehen hat, wird ihn von nun an begleiten. Aber er ist geheilt an Leib und Seele.
Und die, die weitergegangen sind?
Sie fehlen. Das macht die Geschichte deutlich. Es steht noch aus, dass sie kommen und danken. Das Heil gilt aller Welt.
Erst die „ZEHN“ ist die vollkommene Zahl. Alle Menschen sollen heil werden und teilhaben dürfen am Glück der Gottesnähe, der Gemeinschaft, sollen teilhaben dürfen am Leben.
Einer ist zurückgekehrt, Neun fehlen – noch.
Eine Geschichte auf dem Weg und über Grenzen wird uns erzählt. Eine Geschichte auf dem Weg zwischen Leben und Tod, Verzweiflung und Hoffnung, zwischen Einsamkeit und Nähe.
Eine Weg- Geschichte zwischen Glauben und dem Warten auf Glauben.
Spüren wir die Sehnsucht, fühlen wir, was uns fehlt, wissen wir, wohin wir gehen sollen? Und welche Grenze wir überwinden müssen? Die Antwort muss Jede und Jeder für sich selbst finden.
Amen.

  • Füreinander beten

Gott, für alles Gute, dass du uns tust danken wir dir.
Wir bitten dich für alle, die morgens mit einem Dank auf den Lippen aufstehen und abends dankbar zu Bett gehen.

Wir bitten dich für die Menschen, die das Gute nicht sehen können,
die das Leben bitter und misstrauisch gemacht hat.

Wir bitten dich für alle, die aus allem das Beste machen
und denen oft zuviel zugemutet wird.

Wir bitten dich für jene,
die andere teilhaben lassen an dem Guten, dass ihnen widerfährt.
Die teilen und abgeben, die sich kümmern und sorgen.
Die sich engagieren und Verantwortung übernehmen.

Wir bitten dich für alle, denen vorenthalten wird,
was sie zum Leben brauchen:
ein Auskommen und Frieden, ein Zuhause und Geborgenheit,
Liebe und Respekt.

In Jesu Namen bitten wir:
Vaterunser im Himmel.
Geheiligt werde dein Name.
Dein Reich komme. Dein Wille geschehe, wie im Himmel, so auf Erden.
Unser tägliches Brot gib uns heute.
Und vergib uns unsere Schuld,
wie auch wir vergeben unsern Schuldigern.
Und führe uns nicht in Versuchung,
sondern erlöse uns von dem Bösen.
Denn dein ist das Reich und die Kraft
und die Herrlichkeit in Ewigkeit. Amen.

  • Segen

Es segne und behüte uns, Gott, der Allmächtige und Barmherzige,
der Vater, der Sohn und der Heilige Geist. Amen

(Gudrun Naumann)

8. Sonntag nach Trinitatis (30.07.)2023

  • Eröffnung

„Ich will dem Herren singen, denn er ist hoch erhaben.” So jubeln die Israeliten auf ihrem Weg in die Freiheit. Aber dieser Weg ist nicht leicht. Es geht ins Unbekannte. Unnötiges Gepäck würde nur hinderlich sein. Mit Gott ist dieser Weg aber machbar. Das lernen wir aus Liedern, Worten und Gebeten. Amen.

  • Zur Zeit der Angst – Ein Psalm (aus Psalm 32)

Wohl dem, dem die Übertretungen vergeben sind,
dem die Sünde bedeckt ist!
Wohl dem Menschen, dem der HERR die Schuld nicht zurechnet,
in dessen Geist kein Falsch ist!
Denn da ich es wollte verschweigen,
verschmachteten meine Gebeine durch mein tägliches Klagen.
Denn deine Hand lag Tag und Nacht schwer auf mir,
dass mein Saft vertrocknete, wie es im Sommer dürre wird.
Darum bekannte ich dir meine Sünde,
und meine Schuld verhehlte ich nicht.
Ich sprach: Ich will dem HERRN meine Übertretungen bekennen.
Da vergabst du mir die Schuld meiner Sünde.
Deshalb werden alle Heiligen zu dir beten zur Zeit der Angst;
darum, wenn große Wasserfluten kommen,
werden sie nicht an sie gelangen.
Du bist mein Schirm, du wirst mich vor Angst behüten,
dass ich errettet gar fröhlich rühmen kann.
Freuet euch des HERRN und seid fröhlich, ihr Gerechten,
und jauchzet, alle ihr Frommen.

  • Er selbst kommt uns entgegen – Ein Lied: „Vertraut den neuen Wegen“ (EG395)

1. Vertraut den neuen Wegen,
auf die der Herr uns weist,
weil Leben heißt: sich regen,
weil Leben wandern heißt.
Seit leuchtend Gottes Bogen
am hohen Himmel stand,
sind Menschen ausgezogen
in das gelobte Land.

2. Vertraut den neuen Wegen
und wandert in die Zeit!
Gott will, dass ihr ein Segen
für seine Erde seid.
Der uns in frühen Zeiten
das Leben eingehaucht,
der wird uns dahin leiten,
wo er uns will und braucht.

3. Vertraut den neuen Wegen,
auf die uns Gott gesandt!
Er selbst kommt uns entgegen.
Die Zukunft ist sein Land.
Wer aufbricht, der kann hoffen
in Zeit und Ewigkeit.
Die Tore stehen offen.
Das Land ist hell und weit

  • Mitten ins Meer – Lesung aus dem 2. Buch Mose Kapitel 14

Da erhob sich der Engel Gottes, der vor dem Heer Israels herzog,
und stellte sich hinter sie.
Und die Wolkensäule vor ihnen erhob sich
und trat hinter sie
und kam zwischen das Heer der Ägypter und das Heer Israels.
Und dort war die Wolke finster und hier erleuchtete sie die Nacht,
und so kamen die Heere die ganze Nacht einander nicht näher.

Als nun Mose seine Hand über das Meer reckte,
ließ es der HERR zurückweichen
durch einen starken Ostwind die ganze Nacht
und machte das Meer trocken,
und die Wasser teilten sich.
Und die Israeliten gingen hinein mitten ins Meer auf dem Trockenen,
und das Wasser war ihnen eine Mauer zur Rechten und zur Linken.

Und die Ägypter folgten und zogen hinein ihnen nach,
alle Rosse des Pharao, seine Wagen und Reiter,
mitten ins Meer.

Als nun die Zeit der Morgenwache kam,
schaute der HERR auf das Heer der Ägypter
aus der Feuersäule und der Wolke
und brachte einen Schrecken über ihr Heer
und hemmte die Räder ihrer Wagen
und machte, dass sie nur schwer vorwärtskamen.

Da sprachen die Ägypter: Lasst uns fliehen vor Israel;
der HERR streitet für sie wider Ägypten.
Aber der HERR sprach zu Mose:
Recke deine Hand aus über das Meer,
dass das Wasser wiederkomme und herfalle über die Ägypter,
über ihre Wagen und Reiter.

Da reckte Mose seine Hand aus über das Meer,
und das Meer kam gegen Morgen wieder in sein Bett,
und die Ägypter flohen ihm entgegen.
So stürzte der HERR sie mitten ins Meer.
Und das Wasser kam wieder und bedeckte Wagen und Reiter,
das ganze Heer des Pharao, das ihnen nachgefolgt war ins Meer,
sodass nicht einer von ihnen übrig blieb.
Aber die Israeliten gingen trocken mitten durchs Meer,
und das Wasser war ihnen eine Mauer zur Rechten und zur Linken.
So errettete der HERR an jenem Tage Israel aus der Ägypter Hand.
Und sie sahen die Ägypter tot am Ufer des Meeres liegen.
So sah Israel die mächtige Hand,
mit der der HERR an den Ägyptern gehandelt hatte.
Und das Volk fürchtete den HERRN,
und sie glaubten ihm und seinem Knecht Mose.

Damals sangen Mose und die Israeliten dies Lied dem HERRN und sprachen:
Ich will dem HERRN singen, denn er ist hoch erhaben;
Ross und Reiter hat er ins Meer gestürzt.
Der HERR ist meine Stärke und mein Lobgesang und ist mein Heil.
Das ist mein Gott, ich will ihn preisen,
er ist meines Vaters Gott, ich will ihn erheben.
Der HERR ist der rechte Kriegsmann, HERR ist sein Name.
Des Pharao Wagen und seine Macht warf er ins Meer,
seine auserwählten Streiter versanken im Schilfmeer.

Wort des lebendigen Gottes!

  • Flüchten vor sich selbst – Gedanken zu Israels Durchzug durch das Schilfmeer (2. Mose 14)

1. Kinderbibel
Gut kann ich mich noch an die eine Kinderbibel erinnern, an dieses eine Bild. In Schwarzweiß, vielleicht mit einer Feder gezeichnet. Mitten in den wild zusammenschlagenden Wellen des Meeres ertrinken die Ägypter. Ihre Heeresmacht wird gekennzeichnet. Die Männer tragen Helme. Das Rad eines Streitwagens ist noch sichtbar, bevor er ganz in den Fluten versinkt. Metall schwimmt nicht. Und auch die Köpfe der Pferde, die panisch sich über Wasser halten wollen. Aber ihr Untergang ist gewiss.
Am Ufer der Katastrophe stehen die leicht bekleideten, unkriegerisch und friedlich aussehenden Israeliten. Die Erleichterung ist ihnen ins Gesicht geschrieben. Gerettet! Durch Gottes Hilfe.
Auch für mich als Kind war das befriedigend zu sehen. Die Gefahr vorüber. Die Bösen haben ordentlich eins aufs Dach gekriegt. Dass sie sterben, stand da nicht im Vordergrund. Aber deutlich das Gefühl, dass Gott den Schwächeren hilft, dass er den Mackern und Angebern und Unterdrückern nicht das letzte Wort lässt.
Ein Wunsch, der bleibt. Wäre doch schön, wenn die Welt so funktionieren würde.

2. Fluchthilfe
Erst gegen Morgen können die Israeliten losziehen. Die ganze Nacht weht der Ostwind, um die Passage durch das Meer gangbar zu machen. Bis dahin errichtet Gottes Engel eine Wolkensäule, die Ägypter und das Heer Israels trennt. Die ganze Nacht hindurch. Dass ihnen keine Gefahr droht. Dann gehen sie los; und ich stelle mir vor, wie sie das Wunder bestaunen, die Wassersäule recht und links, und wieviel Vertrauen sie aufbringen müssen, dass dieses Wunder bis ans andere Ufer anhält. Und ich frage mich, was die Ägypter da hineintreibt. Ihr Anspruch auf die billigen Arbeitskräfte, ihre Wut auf dieses Volk, dessen Gott so viele Katastrophen über Ägypten hat hereinbrechen lassen; oder ihre Pflicht ihrem Pharao gegenüber; oder letztlich der Umstand, dass sie das Wunder dem Zufall zuordnen und nicht Gott?
Aber schnell merken sie, dass sie sich auf feindlichem Terrain bewegen. Schrecken bricht über sie herein und die Räder ihrer Wagen wird gehemmt. Jetzt kehren sie doch um. Zu spät. Da brechen schon die Wellen über sie herein. Nicht einer von ihnen blieb übrig.
Und ich frage mich, war das nötig? Die Israeliten waren doch sicher. Die Ägypter kehrten doch schon um. Warum müssen sie alle sterben?

3. Schulden
Gott wird es schon wissen, warum? Gott meint es am Ende gut mit uns. Was uns Böses geschieht, haben wir uns selbst zuzuschreiben. Ich sitze mit einem Patienten im Andachtsraum und wir denken nach über diese Geschichte aus dem 2. Buch Mose. Alles perfekt, der engelhafte Schutz in der Nacht, der trockene Meeresboden, auch eben der Tod der Ägypter. Mit dieser Geschichte dreht sich unser Gespräch in eine andere Richtung. Dass er seinen Fuß verloren hat, ist grade nicht so wichtig. Er erzählt mir von seiner Selbständigkeit. Die hat nicht funktioniert. Er musste Insolvenz anmelden. Ich bin überrascht von dem Eindruck, die seine Worte auf mich machen. Es kommt mir so vor, als ob diese Insolvenz, der Verlust seines Geschäftes und das damit einhergehende persönliche Scheitern schlimmer sei als der verlorene Fuß.
Das war eine schlimme Zeit, erzählt er weiter, und erst in seiner Gemeinde habe er sich wieder fangen können. Finanziell war ja schon alles geregelt. Aber das Scheitern hing ihm noch schwer an. Der Rückblick, die Wünsche und Träume, die Pläne, alles das hat nicht funktioniert. Das Leben geht weiter, aber immer mit dieser Last. Es bräuchte was, was diese innere Last von Scham und Schuld einfach wegwäscht, im Meer ersäuft. Ein für alle Mal. Da gibt es nichts Halbherziges. Als er merkte und spürte, dass er in seiner Gemeinde trotzdem einen Platz hat, dass er nicht verurteilt und beschämt wird, gewinnt er ein Vertrauen, das ihm Kraft gibt. Aus dieser Kraft heraus kann er selbst den Verlust seines Fußes annehmen.

4. Fluchthilfe 2
Vor dir selbst kannst du nicht flüchten, heißt es. Vor deinem inneren Ägypter. Der dich beschäftigt und dich quält, der dir keinen Ausweg lässt. Und der dich verführt, weil es doch die gewohnte Art ist, zu leben. Da weiß man wenigstens, woran man ist.
Wenn ich vor mir eine Wüste habe und hinter mir mein bisheriges Leben mit seinen Wünschen und Träumen und Plänen, dann kann ich nicht einfach loslassen. Ich kann nicht dieses alte Leben nicht mit mir herumschleppen, weil dann die Kraft für den Weg vor mir nicht reicht. Der innere Ägypter muss sterben. Ersaufen in den Wellen des Meeres. Untergehen mit seiner Rüstung und seinen Kampfwagen und seinen Pferden. Es ist wie eine Auferstehung, eine Taufe, die einen neuen Menschen aus mir macht. Wer einmal einen schweren Verlust erlitten hat, weiß, dass das reale Erfahrungen sind. Er kennt das Gefühl der Belastung und spürt die Erleichterung, wenn er diese Last hinter sich lassen kann.
Dafür ist es hilfreich, darüber zu reden und die Dinge klar zu benennen. Wie es der Beter im Psalm 32 ausdrückt:
Denn da ich es wollte verschweigen, verschmachteten meine Gebeine durch mein tägliches Klagen. Denn deine Hand lag Tag und Nacht schwer auf mir, dass mein Saft vertrocknete, wie es im Sommer dürre wird. Sela. Darum bekannte ich dir meine Sünde, und meine Schuld verhehlte ich nicht. Ich sprach: Ich will dem HERRN meine Übertretungen bekennen. Da vergabst du mir die Schuld meiner Sünde.
Es ist hilfreich darüber zu reden, nicht um das Vergangene zu vergessen, sondern um es nicht mehr tragen zu müssen. Ich kann es gewissermaßen unter die Leute bringen. Ich gewinne das Vertrauen, dass sie mich nicht verurteilen. Ich glaube daran, dass Gott mir die Schuld vergibt, den inneren Ägypter ersäuft und mir Kraft gibt für den ungewissen Weg vor mir. Anders würde es nicht gehen. Anders könnten die Israeliten nicht den Weg durch die Wüste antreten. Deshalb erzählen wir diese Geschichte bis heute. Das kindliche Gefühl, dass Gott mir in meiner Schwäche hilft. Das ich darüber sprechen kann und mich von meiner Last befreit.

Vor dir selbst kannst du nicht flüchten, heißt es. So stimmt das nicht. Der Weg ist offen. Der Meeresboden ist trocken. Eine Brücke ist gebaut. Ich gehe hinüber und bin frei. Das Herz voller Gesang: Ich will dem Herrn singen, denn er ist hoch erhaben; Ross und Reiter hat er ins Meer gestürzt. Der Herr ist meine Stärke und mein Lobgesang und ist mein Heil.
Amen.

  • Antworten sind dürftig – Miteinander und füreinander beten

Barmherziger Gott,
Dorf um Dorf kämpfen sie im Krieg. Das Töten geht weiter. Es ist schrecklich diese Bilder zu sehen.
Wie können sie das alles hinter sich lassen? Wieder Frieden finden in dieser Welt. So viele Fragen, Gott, die Antworten sind dürftig. Wie können wir wieder Vertrauen gewinnen und Zuversicht in eine friedliche Zukunft in dieser Welt?

Seele um Seele, Gott, kämpfen wir in unserem Alltag. So viele Krisen und Nöte, Streit und Missgunst. Wie geht der Weg weiter? Was können wir loslassen? Wie können wir wieder aufeinander zugehen? So viele Fragen, Gott, die Antworten sind dürftig. Oder hören wir dich nicht, weil unser Verstand und unser Herz verstopft ist mit den Dingen, die wir geplant und uns angeeignet haben?

Tag um Tag kämpfen wir für unser Leben. Wir müssen Abstriche machen, wir erleiden Verluste und scheitern an unseren Plänen. Immer mehr begreifen wir, dass unser Leben hier auf Erden nicht endlos ist. Wir werden krank, wir trauern und fühlen uns einsam. So viele Fragen, Gott, die Antworten sind dürftig. Lenke unseren Blick nach vorn. Dass wir neu hoffen lernen auf deine Zukunft, ohne Schmerz und Leid und Tränen.

Vater unser im Himmel,
geheiligt werde Dein Name.
Dein Reich komme.
Dein Wille geschehe,
wie im Himmel, so auf Erden.
Unser tägliches Brot gib uns heute.
Und vergib uns unsere Schuld,
wie auch wir vergeben unsern Schuldigern.
Und führe uns nicht in Versuchung,
sondern erlöse uns von dem Bösen.
Denn dein ist das Reich und die Kraft
und die Herrlichkeit in Ewigkeit.
Amen.

  • Segen

Es segne und behüte uns der allmächtige und barmherzige
Gott, Vater, Sohn und Heiliger Geist.
Er bewahre uns vor Unheil und führe uns zum ewigen Leben.
Amen.

(Pfr. Olaf Wisch)

4. Sonntag nach Trinitatis (02.07.)2023

  • Eröffnung

„Einer trage des andern Last, so werdet ihr das Gesetz Christi erfüllen.“ Mit dieser Forderung geleitet uns der Apostel Paulus in die neue Woche. Aber auch mit der Zuversicht, im Namen Christi die eigene Last nicht allein tragen zu müssen. Getragen zu sein, wenn wir selbst nichts mehr tragen können.
Dieser Hoffnung nähern wir uns an in Gebet, Lied und Gottes Wort.

  • Als einer im Elend rief – Aus Psalm 34

Ich will den HERRN loben allezeit;
sein Lob soll immerdar in meinem Munde sein.
Meine Seele soll sich rühmen des HERRN,
dass es die Elenden hören und sich freuen.
Preiset mit mir den HERRN
und lasst uns miteinander seinen Namen erhöhen!
Da ich den HERRN suchte, antwortete er mir
und errettete mich aus aller meiner Furcht.
Die auf ihn sehen, werden strahlen vor Freude,
und ihr Angesicht soll nicht schamrot werden.
Als einer im Elend rief, hörte der HERR
und half ihm aus allen seinen Nöten.
Der Engel des HERRN lagert sich um die her,
die ihn fürchten, und hilft ihnen heraus.
Schmecket und sehet, wie freundlich der HERR ist.
Wohl dem, der auf ihn trauet!
Fürchtet den HERRN, ihr seine Heiligen!
Denn die ihn fürchten, haben keinen Mangel.
Reiche müssen darben und hungern;
aber die den HERRN suchen, haben keinen Mangel an irgendeinem Gut.
Wenn die Gerechten schreien, so hört der HERR
und errettet sie aus all ihrer Not.
Der HERR ist nahe denen, die zerbrochenen Herzens sind,
und hilft denen, die ein zerschlagenes Gemüt haben.
Der Gerechte muss viel leiden,
aber aus alledem hilft ihm der HERR.
Der HERR erlöst das Leben seiner Knechte,
und alle, die auf ihn trauen, werden frei von Schuld.

  • Brunnquell guter Gaben – „O Gott, du frommer Gott“ (EG 495)

1 O Gott, du frommer Gott, du Brunnquell guter Gaben,
ohn den nichts ist, was ist, von dem wir alles haben:
gesunden Leib gib mir und dass in solchem Leib
ein unverletzte Seel und rein Gewissen bleib.

2 Gib, dass ich tu mit Fleiß, was mir zu tun gebühret,
wozu mich dein Befehl in meinem Stande führet.
Gib, dass ich’s tue bald, zu der Zeit, da ich soll,
und wenn ich’s tu, so gib, dass es gerate wohl.

3 Hilf, dass ich rede stets, womit ich kann bestehen;
lass kein unnützlich Wort aus meinem Munde gehen;
und wenn in meinem Amt ich reden soll und muss,
so gib den Worten Kraft und Nachdruck ohn Verdruss.

  • So seid ihr doch selig – Worte nach dem 1. Petrusbrief (1. Petrus 3,8-17)

Endlich aber seid allesamt gleich gesinnt, mitleidig, brüderlich, barmherzig, demütig. Vergeltet nicht Böses mit Bösem oder Scheltwort mit Scheltwort, sondern segnet vielmehr, weil ihr dazu berufen seid, auf dass ihr Segen erbt.
Denn »wer das Leben lieben und gute Tage sehen will, der hüte seine Zunge, dass sie nichts Böses rede, und seine Lippen, dass sie nicht betrügen. Er wende sich ab vom Bösen und tue Gutes; er suche Frieden und jage ihm nach. Denn die Augen des Herrn sehen auf die Gerechten, und seine Ohren hören auf ihr Gebet; das Angesicht des Herrn aber sieht auf die, die Böses tun«.
Und wer ist’s, der euch schaden könnte, wenn ihr dem Guten nacheifert? Und wenn ihr auch leidet um der Gerechtigkeit willen, so seid ihr doch selig. Fürchtet euch nicht vor ihrem Drohen und erschreckt nicht;
heiligt aber den Herrn Christus in euren Herzen. Seid allezeit bereit zur Verantwortung vor jedermann, der von euch Rechenschaft fordert über die Hoffnung, die in euch ist, und das mit Sanftmut und Ehrfurcht, und habt ein gutes Gewissen, damit die, die euch verleumden, zuschanden werden, wenn sie euren guten Wandel in Christus schmähen.
Denn es ist besser, wenn es Gottes Wille ist, dass ihr um guter Taten willen leidet als um böser Taten willen.

Wort des lebendigen Gottes!

  • Wenn ich am verletzlichsten bin. – Gedanken zum 1. Petrusbrief

Haben Sie schon mal Taube gegessen? Ich ein Mal, soweit ich mich erinnern kann. In einer Reissuppe. Taube ist nicht so beliebt. Mein Vater hat Tauben gezüchtet, eine alte Rasse, Deutsche Trommeltauben. Essen mochte er sie nicht. Bei Gelegenheit hat er sie verschenkt. Ich kann mich noch erinnern, dass ich mit einer Tüte am Fahrradlenker zwei geschlachtete Tauben zu einer Bekannten gebracht habe.
Heute stelle ich aber die Frage, warum mein Vater sich dennoch die Mühe der Taubenzucht gemacht hat. Er brauchte ja einen eigenen Stall, Futter und vor allem viel Zeit; u.a. um seine Tiere zu füttern, den Stall auszumisten, sie veterinärmedizinisch zu versorgen und ein Auge darauf zu haben, ob das äußere Erscheinungsbild den Ansprüchen einer Ausstellung genügt. Dazu kam noch der regelmäßige Ärger, wenn sich die Tauben auf das Dach des Nachbarn setzten und auf seine Ziegel kackten. Ein Grund dafür, dass sich mein Vater diese Mühe gemacht hat, liegt sicher darin, dass er schon als Kind dafür Interesse entwickelt hat. Es war ein Hobby, das auch sein Vater schon betrieben hatte. Es hat ihn ein ganzes Leben begleitet. Es gehörte zu ihm, wie er als Kind zu seiner Familie gehört hat. Der zweite Grund lag wohl darin, dass er sich als Taubenzüchter mit anderen Taubenzüchtern austauschen konnte. Auf den schon erwähnten Ausstellungen bekam er Anerkennung für seine Arbeit.
Es sind also jeweils besondere soziale Situationen, die es für ihn wertvoll machten. Es hatte einen Nutzen, der nicht unmittelbar auf der Hand liegt, wenn ich als Nichttaubenzüchter darauf schaue. Aber die Taubenzüchter unter sich waren glücklich. Alle hatten Ahnung, standen in einem freundschaftlichen Austausch und Wettbewerb und erzeugten so ein Gefühl der Zugehörigkeit und Geborgenheit, die einem urmenschliches Bedürfnis nach Nähe gerecht wird. Das lag meinem Vater am Herzen. Die Mühe lohnte sich.
Eine ähnliche Frage ließe sich stellen mit Blick auf die Gemeinde(n), an die der 1. Petrusbrief gerichtet wurde. Die Mitglieder in diesen Gemeinden lebten vermutlich in Kleinasien, in einer weitgehend nichtjüdischen, also heidnischen Umwelt, die das Verhalten der christlichen Gemeinden und ihrer Mitglieder mit Argwohn beobachteten. Sie passten nicht zum Rest der Gesellschaft. Den christlichen Gemeinden wurden “Menschenhaß, Staatsfeindlichkeit, Gottlosigkeit, Aberglaube, kultische Unzucht und wirtschaftliche Schädigung”* vorgeworfen, weil sie sich so ungewöhnlich verhielten. Die anderen Menschen fragten sich also, warum diese Gemeinden ihr menschliches Verhalten ablehnten, indem sie bestimmten Vergnügungen nicht nachgingen (Menschenhass), warum sie sich eher distanziert zur öffentlichen Ordnung verhielten (Staatsfeindlichkeit), warum sie nur einen Gott verehrten (Gottlosigkeit), warum dieser Gott Menschengestalt besitzt (Aberglaube), warum sie in ihren Versammlungen, wie man munkelte, diesen Menschen aßen und tranken (kultische Unzucht) und warum sie nicht genauso munter und gierig konsumierten wie sie selbst (wirtschaftliche Schädigung). Dieser Argwohn, und das ist der Hintergrund des Briefes, schlug dann oft um in Aggression. Die christlichen Gemeinden wurden mehr oder weniger verfolgt und bedrängt. Mitunter äußerte sich diese Aggression und dieses Unverständnis auch in offener Gewalt.
Der Briefschreiber ermuntert nun die Gemeinde, dennoch bei ihrem Glauben zu bleiben. Denn die naheliegendste Reaktion auf die Feindschaft gegenüber den Gemeinden liegt ja auf der Hand. Wenn man sich wieder an die Verhaltensweisen seiner Umwelt anpasste, hatte man keinen Ärger mehr. Man schwimmt mit der Masse und fällt nicht weiter auf. Man ist dann einer unter vielen.
Aber so einfach ist es nicht. Mein Vater hätte die Taubenzucht auch einfach lassen können, weil ihm die Tauben gar nicht schmeckten.
Aber es hatte für ihn einen Wert, weil sich daraus soziale Situationen ergaben, die ihn in seiner Persönlichkeit bestärkten. Es hatte gewissermaßen ein Vorteil. Eine ganz ähnliche Betrachtungsweise gibt es auch bezüglich religiöser Gemeinschaften. In einem Zweig entwicklungstheoretischer Forschung wird dann darüber gesprochen, dass sich aus der festen Bindung an eine Gemeinschaft ein Vorteil ergibt. Im Petrusbrief wird das gleich in den ersten Zeilen des heutigen Predigttextes angesprochen. Mit Blick auf die christliche Gemeinschaft fordert der Briefschreiber: “Endlich aber seid allesamt gleich gesinnt, mitleidig, brüderlich, barmherzig, demütig. Vergeltet nicht Böses mit Bösem oder Scheltwort mit Scheltwort, sondern segnet vielmehr, weil ihr dazu berufen seid, auf dass ihr Segen erbt.”
Auch wenn das nicht immer gelingen mochte – denn nicht umsonst gemahnt der Briefschreiber die Empfänger daran – bot eine solche Gemeinschaft Hilfe und Unterstützung, menschliche Wärme und Verständnis. Wenn sich ein Mensch auf eine solche Gemeinschaft stützen kann, kann er sich erfolgreicher und sicherer in der Welt bewegen. Darin liegt der Vorteil, Mitglied einer solchen Gesellschaft zu sein. Auch wenn es, von außen betrachtet, kaum einen Nutzen hat.
Ein weiterer tiefergehender Grund, der nicht in einer spezifischen Anpassung an die Umwelt liegt, findet sich in dem, was der Petrusbrief nur andeutet. Schon zu Beginn fordert er, sich von weltlichem Besitz abzukehren und das Augenmerk auf unvergängliche Werte zu legen. “Dadurch soll sich eure Standfestigkeit im Glauben, die kostbarer ist als Gold, das im Feuer geprüft wurde und doch vergänglich ist, herausstellen – zu Lob, Herrlichkeit und Ehre bei der Offenbarung Jesu Christi.”
Der Vergleich mit dem wertvollen Gold, das ja sowohl beständig als auch wertvoll ist, legt das nahe. Im Verzichtüben und sich auf das Wesentliche konzentrieren kann eine große Erleichterung liegen. Das ist uns heute besonders nah, wenn wir mit den Forderungen nach Leistung und Konsum konfrontiert werden. Einerseits fehlt es an allen Ecken und Enden, die Kostensteigerungen machen uns viele Sorgen und zugleich werden wir überschwemmt mit Gütern und Vergnügungen, die kaum noch zu bewältigen sind. Was brauche ich wirklich zum Leben? Ist es, um nur mal ein Beispiel zu nennen, nicht erholsamer im Park spazieren zu gehen, und auch kostengünstiger, als auf einen teuren Flug in die Karibik zu sparen? Aber zugleich wirkt es absolut erstrebenswert, vielleicht auch weil es andere ebenso machen und ich daran Teil haben möchte.
Die christliche Gemeinschaft bot damals (und auch heute?) eine Gelegenheit, dieser Logik des möglichst viel und immer mehr zu entkommen. Sie legte den Fokus auf andere Werte, weil sie darum wusste und daran glaubte, dass alles, was der Mensch in seinem Leben anhäufen konnte, angesichts der eigenen Vergänglichkeit unsinnig wurde. Es bedeutete also eine große Entlastung, nicht mehr quasi gezwungen zu sein, den Wertvorstellungen der anderen Menschen nachzujagen, sondern, wie es im Zitat aus dem 34. Psalm heisst, dem Frieden.
Und mit diesem Psalm 34, der, liebe Gemeinde, in den Predigttext eingewoben ist, komme ich auch noch zu einem dritten Grund, warum Menschen an ihrer Gemeinschaft festhielten und –halten, obwohl sie eine besondere Mühe macht. Denn die Gründe, die ich zuvor genannt habe, sind zwar durchaus wichtig und hilfreich, um zu verstehen, warum Menschen sich damals und heute dem christlichen Glauben zuwenden, aber sie sind nicht hinreichend. Denn Geborgenheit und innere Freiheit finde ich auch in anderen Religionen oder sogar im Taubenzüchterverein.
Der Psalmbeter im Psalm 34 nimmt seine Stärke nicht allein aus der Erfahrung, dass ihm das Vertrauen auf Gott in einer Gemeinschaft, Durchhaltevermögen und größere Vorteile verschafft. Er sieht sie vor allem in der einen Erfahrung, die gerade nicht auf seine Stärke, auf seine Eigenleistung oder auf sein Wohlverhalten abzielt. Sie liegt gerade nicht darin, um noch einmal auf das Anfangsbild zurückzukommen, dass er die schönste Taube gezüchtet hat, sondern vielmehr im genauen Gegenteil. Im Psalm 34 heisst es einige Verse später: „Der HERR ist nahe denen, die zerbrochenen Herzens sind, und hilft denen, die ein zerschlagenes Gemüt haben.”
Hier, liebe Gemeinde, geht es nicht mehr um Vorteile und Nutzen. Diese Haltung des Beters rechnet nicht damit, dass ihm irdische Gerechtigkeit widerfahre. Aber es ist ihm Gewinn, Gott nah zu sein. Sinn ergibt das natürlich nur, wenn ich selbst glaube, dass Gottes Gegenwart wertvoller ist als alles, was ich auch sonst erreichen kann. Dass Gottes Gegenwart größer ist als alle Werte, die ich mir zurechtlege. Schöner als die schönste Taube, wärmer als die größte Geborgenheit, sicherer als die sicherste Gemeinschaft, besser sogar noch als alles, was ich mir als letzten und besten Wert ausdenken könnte. Gerade in der Zerbrochenheit, in der Zerschlagenheit, sogar in Krankheit und Einsamkeit, bin ich Gott besonders nahe. Und lebe dann genau so, wie es Gott gemeint hat. In einer gottgemäßen Weise. Wie im Paradies.

Wenn ich also, liebe Gemeinde, am verletzlichsten bin, bin ich Gott am nächsten. Diese Erfahrung macht der Psalmbeter, diese Erfahrung findet sich in der Gemeinde in Kleinasien und sie findet sich auch in unserer heutigen Gemeinde. Lohnt es sich, hier zu sein, im Gottesdienst? Das ist nicht die Frage! Im Grunde gibt es keine Frage mehr. Im Grunde ist es nur der eine Moment, wo ich aus dem Sumpf der alltäglichen Anstrengungen und aus dem Morast meiner besonderen Kenntnisse und Fähigkeiten auftauche, und einfach nur Menschenkind sein darf. Demütig und hingebungsvoll.
Mit menschlichen Bildern und Worten ist das nur unzureichend zu erfassen. Dem Psalmbeter gelingt es ein wenig, der Petrusbrief lässt es erahnen. Vielleicht auch die Geschichte meines Vaters, wenn ich mir vorstelle, dass der sechsjährige im Taubenstall seines Vaters das zitternde und lebendige Täubchen in seinen Händen hält und eine Ahnung davon bekommt, wie wunderbar und verletzlich diese Welt gemacht ist. Ein wenig. Für diesen Augenblick.
Auch hier. Unter uns. Trotz aller Widrigkeiten.

Denn der Friede Gottes, der höher ist als alle unsere Vernunft, und tiefer reicht als unsere Angst, bewahre unsere Herzen und Sinne in Jesus Christus. Amen.

(*Udo Schnelle, Einleitung in das Neue Testament, Göttingen 2005 (5. Auflage), S. 451.)

  • Keine Antwort geben können – Miteinander und füreinander beten

Weil wir, Gott, verletzliche und vergängliche Wesen sind,
suchen wir nach deiner Nähe.
Können wir sie finden im Streit der Welt, in der Hast und Jagd nach irdischen Gütern, in den schmerzlichen Ungerechtigkeiten und unerträglichen Bildern von Hunger und Gewalt?
Sei bei uns und bleibe bei uns, auch wenn wir darauf keine Antwort geben können.
Weil wir, Gott, verletzliche und vergängliche Wesen sind,
suchen wir nach deiner Nähe.
Können wir sie finden im Unglauben der Welt, die nicht mehr nach dir fragt und ganz darauf setzt, sich selbst zu retten und zu erlösen?
Sei bei uns und bleibe bei uns, auch wenn wir darauf keine Antwort geben können.
Weil wir, Gott, verletzliche und vergängliche Wesen sind,
suchen wir nach deiner Nähe.
Können wir sie finden, in dem, was uns zerschlägt und zerbricht, wenn wir sehen, wie wir selbst und unsere Liebsten leiden an Krankheit und Einsamkeit, an Sinnlosigkeit und Schmerz?
Sei bei uns und bleibe bei uns, auch wenn wir darauf keine Antwort geben können.
Weil wir, Gott, verletzliche und vergängliche Wesen sind,
suchen wir nach deiner Nähe.
Können wir sie finden in den Worten, die wir in Demut und Hingabe an dich richten?
Wir beten, mit den Worten Jesu:

Vater unser im Himmel,
geheiligt werde Dein Name.
Dein Reich komme.
Dein Wille geschehe,
wie im Himmel, so auf Erden.
Unser tägliches Brot gib uns heute.
Und vergib uns unsere Schuld,
wie auch wir vergeben unsern Schuldigern.
Und führe uns nicht in Versuchung,
sondern erlöse uns von dem Bösen.
Denn dein ist das Reich und die Kraft
und die Herrlichkeit in Ewigkeit.
Amen.

  • Segen

Es segne und behüte uns der allmächtige und barmherzige
Gott, Vater, Sohn und Heiliger Geist.
Er bewahre uns vor Unheil und führe uns zum ewigen Leben.
Amen.

(Pfr. Olaf Wisch)

3. Sonntag nach Trinitatis (25.06.)2023

  • Eröffnung

„Der Menschensohn ist gekommen, zu suchen und selig zu machen, was verloren ist.“ Mit dieser Zuversicht eröffnet der Evangelist diese Woche. In dieser Andacht denken wir darüber nach, was es bedeutet, das Verlorene zu suchen und selig zu machen; für den Verlorenen, für Gott, und auch für jene, die den Verlorenen verloren gegeben haben. !

  • Von den reichen Gütern deines Hauses – Aus Psalm 103

Lobe den Herrn, meine Seele,
und was in mir ist, seinen heiligen Namen!
Lobe den Herrn, meine Seele,
und vergiss nicht, was er dir Gutes getan hat:
der dir alle deine Sünde vergibt
und heilet alle deine Gebrechen,
der dein Leben vom Verderben erlöst,
der dich krönet mit Gnade und Barmherzigkeit,
der deinen Mund fröhlich macht
und du wieder jung wirst wie ein Adler.
Der Herr schafft Gerechtigkeit und Recht
allen, die Unrecht leiden.
Er hat seine Wege Mose wissen lassen,
die Kinder Israel sein Tun.
Barmherzig und gnädig ist der Herr,
geduldig und von großer Güte.
Er wird nicht für immer hadern
noch ewig zornig bleiben.
Er handelt nicht mit uns nach unsern Sünden
und vergilt uns nicht nach unsrer Missetat.
Denn so hoch der Himmel über der Erde ist,
lässt er seine Gnade walten über denen, die ihn fürchten.
So fern der Morgen ist vom Abend,
lässt er unsre Übertretungen von uns sein.
Wie sich ein Vater über Kinder erbarmt,
so erbarmt sich der Herr über die, die ihn fürchten.

  • In Schneeweiß kehren – Lied: „Jesus nimmt die Sünder an“ (EG 353)

1) Jesus nimmt die Sünder an.
Saget doch dies Trostwort allen,
welche von der rechten Bahn
auf verkehrten Weg verfallen.
Hier ist, was sie retten kann:
Jesus nimmt die Sünder an.

2) Keiner Gnade sind wir wert;
doch hat er in seinem Worte
eidlich sich dazu erklärt.
Sehet nur, die Gnadenpforte
ist hier völlig aufgetan:
Jesus nimmt die Sünder an.

3) Wenn ein Schaf verloren ist,
suchet es ein treuer Hirte;
Jesus, der uns nie vergisst,
suchet treulich das Verirrte,
dass es nicht verderben kann:
Jesus nimmt die Sünder an.

4) Kommet alle, kommet her,
kommet, ihr betrübten Sünder!
Jesus rufet euch, und er
macht aus Sündern Gottes Kinder.
Glaubt doch und denket dran:
Jesus nimmt die Sünder an.

5) Ich Betrübter komme hier
und bekenne meine Sünden;
lass, mein Heiland,
mich bei dir Gnade zur Vergebung finden,
dass dies Wort mich trösten kann:
Jesus nimmt die Sünder an.

6) Ich bin ganz getrosten Muts;
ob die Sünden blutrot wären,
müssen sie kraft deines Bluts
dennoch sich in Schneeweiß kehren,
da ich gläubig sprechen kann:
Jesus nimmt die Sünder an!

7) Mein Gewissen quält mich nicht,
will mich das Gesetz verklagen;
der mich frei und ledig spricht,
hat die Schulden abgetragen,
dass mich nichts verdammen kann:
Jesus nimmt die Sünder an.

8) Jesus nimmt die Sünder an;
mich hat er auch angenommen
und den Himmel aufgetan,
dass ich selig zu ihm kommen
und auf den Trost sterben kann:
Jesus nimmt die Sünder an.

  • Noch Raum da – Worte aus dem Buch Jona (Jona 3,10-4,11)

Als aber Gott das Tun der Leute in Ninive sah, wie sie umkehrten von ihrem bösen Wege, reute ihn das Übel, das er ihnen angekündigt hatte, und tat’s nicht.
Das aber verdross Jona sehr, und er ward zornig 2und betete zum Herrn und sprach: Ach, Herr, das ist’s ja, was ich dachte, als ich noch in meinem Lande war. Deshalb wollte ich ja nach Tarsis fliehen; denn ich wusste, dass du gnädig, barmherzig, langmütig und von großer Güte bist und lässt dich des Übels gereuen. So nimm nun, Herr, meine Seele von mir; denn ich möchte lieber tot sein als leben. Aber der Herr sprach: Meinst du, dass du mit Recht zürnst?
Und Jona ging zur Stadt hinaus und ließ sich östlich der Stadt nieder und machte sich dort eine Hütte; darunter setzte er sich in den Schatten, bis er sähe, was der Stadt widerfahren würde. Gott der Herr aber ließ einen Rizinus wachsen; der wuchs über Jona, dass er Schatten gab seinem Haupt und ihn errettete von seinem Übel. Und Jona freute sich sehr über den Rizinus.
Aber am Morgen, als die Morgenröte anbrach, ließ Gott einen Wurm kommen; der stach den Rizinus, dass er verdorrte. Als aber die Sonne aufgegangen war, ließ Gott einen heißen Ostwind kommen, und die Sonne stach Jona auf den Kopf, dass er matt wurde. Da wünschte er sich den Tod und sprach: Ich möchte lieber tot sein als leben.
Da sprach Gott zu Jona: Meinst du, dass du mit Recht zürnst um des Rizinus willen? Und er sprach: Mit Recht zürne ich bis an den Tod. Und der Herr sprach: Dich jammert der Rizinus, um den du dich nicht gemüht hast, hast ihn auch nicht aufgezogen, der in einer Nacht ward und in einer Nacht verdarb, und mich sollte nicht jammern Ninive, eine so große Stadt, in der mehr als hundertzwanzigtausend Menschen sind, die nicht wissen, was rechts oder links ist, dazu auch viele Tiere?

Wort des lebendigen Gottes!

  • Der göttlichen Gerechtigkeit folgend – Gedanken zum Buch Jona

das Buch Jona ist Teil der sogenannten Kleinen Propheten. Es ist kein typisches Prophetenbuch als eine Sammlung von Reden und Sprüchen, die den Willen und das Wort Gottes durch den Mund des Propheten weitergeben. Es ist vielmehr eine Novelle, die eine zusammenhängende Geschichte und das Schicksal eines Menschen erzählt. In diesem Fall das Schicksal des Propheten Jona. Diese Geschichte ist auf dem Bild aus der Lutherbibel von 1545 in allen wesentlichen Details abgebildet.
In der Mitte des Bildes sehen wir, wie Jona von Gott beauftragt wird, den Bewohnern Ninives die Strafe Gottes anzukündigen. Davor versucht Jona zu fliehen, aber während der Flucht auf einer Fahrt über das Meer ereignet sich ein Sturm, vor dem sich die Seeleute durch Abwerfen von Ballast retten wollen. Schließlich springt Jona aber in die Fluten, um das Schiff zu retten, und wird von einem großen Fisch verschluckt und vor der Stadt Ninive wieder ausgespuckt. Ninive ist in der linken oberen Ecke des Bildes als prächtige und mächtige Stadt zu erkennen. Schließlich kehrt sich die Geschichte zu dem Teil, der im 4. Kapitel des Buches Jona beschrieben wird. Die Stadt wird nicht zerstört; zerstört ist aber die Aufgabe des Jona. Zumindest aus seiner Sicht. Wenigstens findet er Ruhe unter einem Rizinusstrauch. Aber auch der geht ein, weil die Sonne ihn verbrennt, und Jona klagt Gott an, weil er sein Leben in diesem Moment als sinnlos empfindet. Darauf antwortet Gott ihm und fragt ihn, ob denn das Leben so vieler Menschen und Tiere wirklich so unwichtig sein könne.

Diese alten Illustration, die eine ganze Geschichte in einem Bild und nicht in laufenden Bildern darstellt, ist hilfreich für das Verständnis. Denn alles hängt mit allem zusammen.
Die Reaktion des Jona, der auf das Erbarmen Gottes mit Zorn reagiert, wäre sonst kaum verständlich.
Zwei Dinge sind es, die diesen Zorn des Jona durchaus einleuchtend erscheinen lassen. Das eine ist die Aufgabe, die er von Gott gestellt bekommt und vor der er fliehen will. Das hat seinen Grund nicht nur in dem unwilligen Charakter des Propheten. Er lässt sich auch daran festmachen, dass die Stadt Ninive als Hauptstadt des assyrischen Reiches im biblischen Sinne dafür steht, dass sie andere Länder brutal überfällt, erobert, ausraubt und verwüstet und viele Menschen teils entführt, teils umgebracht hat. Es ist der Eigensinn und die brutale Macht einer sehr großen Stadt, die Gott bestrafen möchte. Gott schickt Jona also in das Herz des Feindes. Keine angenehme Vorstellung.
Und nun vergibt Gott dieser Stadt. Jona kann und will das nicht verstehen.
Gott antwortet ihm mit dem Gleichnis des Rizinusstrauches, das Jona am eigenen Leibe und an eigener Seele erfährt. Gott zeigt ihm daran, wie wertvoll jedes Leben ist. Es darf nicht einfach zerstört werden. Auch wenn es die Gerechtigkeit verlangt. Einerseits mit dem gekränkten Stolz des Jona, der den “Lohn” für seine Arbeit einfordert. Andererseits mit der Strafe für die Taten der Bewohner der Stadt Ninive.
Gott übergeht das. Nicht einfach so, es kommt die Reue und Buße der Bewohner Ninives mit auf die Rechnung. Aber – zumindest scheinbar – nicht das Leid der Menschen, die unter ihnen gelitten haben.
Gottes Vergebung ist schwer zu verstehen. Die menschliche Gerechtigkeit wird hier auf den Prüfstand gestellt. Es ist keine Frage mehr, ob Gottes Barmherzigkeit menschlichem Empfinden gerecht wird. Begründet wird dies im Wesentlichen damit, wie gesagt, dass das Leben einen Wert hat, der durch menschliche Gerechtigkeit nicht in Frage gestellt werden kann.
Diese Ansicht finden wir vielfach in der Bibel. Etwa in der Geschichte der Sintflut, die Gott selbst bereuen lässt, was er der Menschheit angetan hat. Wir finden sie ebenso in der Beispielgeschichte vom verlorenen Sohn, in der der Bruder die Frage nach Gerechtigkeit stellt. Sein Vater antwortet ihm mit der Freude darüber, dass sein Bruder noch lebt. Und schließlich ist sie präsent in der Geschichte Jesu Christi, der der göttlichen Gerechtigkeit folgend, am Kreuz sterben muss.
Was hier also für den Menschen Jona offensichtlich erscheint, diese große Ungerechtigkeit, sieht Gott anders. Er hat einen anderen “Überblick”. Gott sieht neben dem Kreuz auch die Auferstehung. Dennoch, aus menschlicher Perspektive ist das mitunter schwer erträglich.
Vielleicht aber etwas besser verständlich mit dem Blick auf das kleine Detail des verdorrten Rizinusstrauches. Dieser ist doch noch weitaus unbedeutender als ein Menschen- oder Tierleben. Und doch hat Jona daran sein Herz gehängt. Der Strauch spendet nicht nur Schatten sondern auch Trost. Er steht dafür, wie wunderbar diese Welt sein kann. Er steht dafür, dass alles wohlgeordnet und voller Schönheit ist. Es ist bitter, wenn Jona erkennen muss, dass ihm auch dieser Trost nicht zu Gebote steht. Alles liegt in Gottes Hand, sein Leben, das Leben der Bewohner von Ninive, sogar das Leben des Strauches.
Was bleibt, mitten im Zweifel an der Gerechtigkeit Gottes und im Zorn auf Gottes Handeln, ist die Einsicht, oder besser gesagt, der Glaube, das Vertrauen und die Zuversicht, dass Gott weiter denkt als es der menschliche Verstand zulässt. Das wird in der Geschichte Jonas nicht weiter ausgeführt. Das überlässt die Bibel unserer Phantasie, unserer Barmherzigkeit und unserem Glauben.
Und wenn sie also Phantasie, Barmherzigkeit und Glauben in uns wecken kann, dann hat auch der Prophet Jona ein großes Werk getan.
Amen.

Holzschnitt aus: Biblia: Die gantze Heilige Schrifft Deudsch, Wittenberg 1545 Bearbeitung: ©by Sabrina Reiner Makohl (https://www.stilkunst.de/lutherbibel-1545/Jona/jona-img.php)
  • Menschenleben retten – Miteinander und füreinander beten

Ein Beispiel dafür, wie schwer es sein kann, zu glauben, dass Gott auch das Leben der Menschen schätzt, die anderen Gewalt antun, findet sich in der heutigen Fürbitte der Organisation „Brot für die Welt“.
Die Situation im Sudan wird durch den Bürgerkrieg immer entsetzlicher. In Genf wurden jetzt auf einer UN-Geberkonferenz 1,37 Milliarden für die humanitäre Hilfe im Sudan gesammelt. Deutschland will bis 2024 200 Mio. Euro geben.
Am Ende kann es doch nur der Frieden leisten, für alle Menschen ein würdiges Leben zu gewährleisten.

Wir beten für die Menschen im Sudan,
die in Hunger und Bürgerkrieg um ihr Überleben kämpfen.
Wir hören die Berichte, dass überall in Darfur und Karthum gekämpft wird,
dass Menschen in ihren Häusern und auf offener Straße angegriffen werden.
In diesen Tagen wird durch all die Gewalt aus der drückenden Armut und Not im Sudan eine unermessliche humanitäre Katastrophe.
Wir bitten Dich:
Lass es gelingen, dass durch die eingesammelten Gelder auf der UN-Geberkonferenz
endlich mehr Hilfsgüter in den Sudan gebracht werden.
Segne Helferinnen und Helfer, die vor Ort arbeiten und Menschenleben retten.
Lass die Hoffnung auf Frieden im Sudan nicht erlöschen.
Stärke mit Deinem Geist alle,
die sich klug und besonnen dafür einsetzen, dass die Gewalt abnimmt.
Öffne Wege des Friedens
für eine bessere Zukunft im Sudan.

Vater unser im Himmel,
geheiligt werde Dein Name.
Dein Reich komme.
Dein Wille geschehe,
wie im Himmel, so auf Erden.
Unser tägliches Brot gib uns heute.
Und vergib uns unsere Schuld,
wie auch wir vergeben unsern Schuldigern.
Und führe uns nicht in Versuchung,
sondern erlöse uns von dem Bösen.
Denn dein ist das Reich und die Kraft
und die Herrlichkeit in Ewigkeit.
Amen.

  • Segen

Es segne und behüte uns der allmächtige und barmherzige
Gott, Vater, Sohn und Heiliger Geist.
Er bewahre uns vor Unheil und führe uns zum ewigen Leben.
Amen.

(Pfr. Olaf Wisch)

2. Sonntag nach Trinitatis (18.06.)2023

  • Eröffnung

„Kommt her zu mir, alle, die ihr mühselig und beladen seid; ich will euch erquicken.“
Diese herzliche Einladung Jesu aus dem Matthäusevangelium steht heute über dieser Woche. Diese Einladung gilt nicht nur für heute, für diesen Tag, sondern für unser ganzes Leben. Aber wird sie auch gehört?

  • Von den reichen Gütern deines Hauses – Aus Psalm 36

Herr, deine Güte reicht, so weit der Himmel ist,
und deine Wahrheit, so weit die Wolken gehen.
Deine Gerechtigkeit steht wie die Berge Gottes /
und dein Recht wie die große Tiefe.
Herr, du hilfst Menschen und Tieren.
Wie köstlich ist deine Güte, Gott,
dass Menschenkinder unter dem Schatten deiner Flügel Zuflucht haben!
Sie werden satt von den reichen Gütern deines Hauses,
und du tränkst sie mit Wonne wie mit einem Strom.
Denn bei dir ist die Quelle des Lebens,
und in deinem Lichte sehen wir das Licht.

  • Ein Lied: „Kommt her, ihr seid geladen“ (EG 213)

1) Kommt her, ihr seid geladen,
der Heiland rufet euch;
der süße Herr der Gnaden,
an Huld und Liebe reich,
der Erd und Himmel lenkt,
will Gastmahl mit euch halten
und wunderbar gestalten,
was er in Liebe schenkt.

2) Kommt her, verzagte Sünder,
und werft die Ängste weg,
kommt her, versöhnte Kinder,
hier ist der Liebesweg.
Empfangt die Himmelslust,
die heilge Gottesspeise,
die auf verborgne Weise
erquicket jede Brust.

3) Kommt her, betrübte Seelen,
die Not und Jammer drückt,
mit Gott euch zu vermählen,
der wunderbar beglückt.
Kommt, legt auf ewig ab
der Sünde bange Säumnis;
empfanget das Geheimnis,
das Gott vom Himmel gab.

4) O Wonne kranker Herzen,
die mir von oben kam!
Verwunden sind die Schmerzen,
getröstet ist der Gram.
Was von dem Himmel fließt,
hat lieblich sich ergossen;
mein Herz ist gar durchflossen
vom süßen Liebesgeist.

5) Drum jauchze, meine Seele,
hell aus der Sündennacht!
Verkünde und erzähle
die tiefe Wundermacht,
die unermesslich süß,
ein Born der Liebe, quillet
und jeden Jammer stillet,
der fast verzweifeln ließ.

6) Drum jauchze, meine Seele,
drum jauchze deinem Herrn!
Verkünde und erzähle
die Gnade nah und fern,
den Wunderborn im Blut,
die sel’ge Himmelsspeise,
die auf verborgne Weise
dir gibt das höchste Gut.

  • Noch Raum da – Evangelium nach Lukas (Lk 14,15-24)

Da aber einer das hörte, der mit zu Tisch saß, sprach er zu Jesus: Selig ist, der das Brot isst im Reich Gottes! Er aber sprach zu ihm: Es war ein Mensch, der machte ein großes Abendmahl und lud viele dazu ein. Und er sandte seinen Knecht aus zur Stunde des Abendmahls, den Geladenen zu sagen: Kommt, denn es ist schon bereit! Da fingen sie alle an, sich zu entschuldigen. Der erste sprach zu ihm: Ich habe einen Acker gekauft und muss hinausgehen und ihn besehen; ich bitte dich, entschuldige mich. Und ein andrer sprach: Ich habe fünf Joch Ochsen gekauft und ich gehe jetzt hin, sie zu besehen; ich bitte dich, entschuldige mich. Wieder ein andrer sprach: Ich habe eine Frau geheiratet; darum kann ich nicht kommen. Und der Knecht kam zurück und sagte das seinem Herrn. Da wurde der Hausherr zornig und sprach zu seinem Knecht: Geh schnell hinaus auf die Straßen und Gassen der Stadt und führe die Armen und Verkrüppelten und Blinden und Lahmen herein. Und der Knecht sprach: Herr, es ist geschehen, was du befohlen hast; es ist aber noch Raum da. Und der Herr sprach zu dem Knecht: Geh hinaus auf die Landstraßen und an die Zäune und nötige sie hereinzukommen, dass mein Haus voll werde. Denn ich sage euch: Keiner der Männer, die eingeladen waren, wird mein Abendmahl schmecken.

  • Was Gott mir gegeben hat. – Gedanken zum Lukasevangelium

Das Evangelium beginnt mit einer Aussage eines Menschen, der mit Jesus am Tisch sitzt: Da aber einer das hörte, der mit zu Tisch saß, sprach er zu Jesus: Selig ist, der das Brot isst im Reich Gottes!
Eine kleine Predigt in sich ist das. Das leibliche Essen wird ihm in Gegenwart Jesu zu einem geistigen Essen. Das Essen hier zu einem Bild für das Essen seines Leben. Nicht nur zur Sättigung des Körpers sondern auch des Geistes.
Und er geht davon aus, dass dieses Essen für jeden eine wohlschmeckende und beglückende Mahlzeit ist.
Er schränkt nichts ein.
Um so überraschender ist dann aber Jesu Antwort, der mit der Geschichte eines Hausherrn einsetzt, der „Viele“ einlädt. Wen er da einlädt, wird nicht weiter beschrieben. Jedenfalls haben aber diese „Vielen“ etwas Besseres zu tun. Sie brauchen die Einladung nicht, oder sie ist ihnen nicht so wichtig. Acker, Vieh und Frau, das ist es, was für diese in diesem Moment zählt.
Der Hausherr ist zornig. Und so öffnet er sein Haus für andere Menschen, die nicht gerade mit ihrem Besitz beschäftigt sind. Für Menschen, die Zeit haben, und das Mahl des Hausherrn zu schätzen wissen. Zweimal geht der Knecht hinaus, um diese Menschen einzuladen. Es ist ein großes Haus und es passen viele Menschen dort hinein; und dennoch sind anscheinend die meisten ebenfalls mit etwas Besserem beschäftigt.
An dieser Stelle könnte sich die Hörerin fragen, warum die zuerst Eingeladenen die Einladung ausschlagen. Fehlt es ihnen an Einsicht? Setzen sie falsche Prioritäten?
Das ist eine Deutung, die ich oft höre im Raum der Kirche. Wenn nur wenige Menschen zum Gottesdienst kommen, wird immer wieder danach gefragt, warum? Was machen wir falsch? Können wir nicht attraktiver sein und eine echte Alternative zu den üblichen Beschäftigungen, die Menschen davon abhalten die gute Botschaft zu hören? Sie ist doch für alle wichtig! Selig ist, der das Brot isst im Reich Gottes! So ist es doch.

Diese Fragen und diese Aussage des Tischgastes an Jesu Seite werden aber überraschenderweise von Jesus nachhaltig in Frage gestellt. Keiner der Männer, die eingeladen waren, wird mein Abendmahl schmecken. Das ist sein hartes Resumee am Ende der Geschichte. Es ist eine direkte Reaktion auf die Aussage des Tischgastes. Und sie beschließt zugleich die Beispielgeschichte.
Für den einladenden Hausherrn gibt es also nicht die Frage, ob sein Abendmahl gut genug ist. Ob seine Einladung einladend ist. Für ihn gibt es nur die Feststellung, dass die ursprünglich Eingeladenen, ich sag es mal böse, an Geschmacksverirrung leiden. Der Grund ist deutlich ausgeführt. Sie haben mit ihrem Besitz zu tun. Und vergessen darüber, worauf es wirklich ankommt. Und was wirklich schmeckt. Sie haben es so sehr vergessen, dass sie schlichtweg nicht in der Lage sind, den guten Geschmack des Abendmahles zu schmecken. Der Hausherr und ebenso Jesus seinem Tischnachbarn gegenüber stellen also fest: Es wird ihnen nicht schmecken. Es gibt Menschen, denen selbst die Seligkeit des Reiches Gottes nicht zusagen wird.

Das klingt ziemlich hoffnungslos, wie sich diese Geschichte da am Ende bündelt.
Gibt es tatsächlich Menschen, die verloren sind? Denen das Reich Gottes nicht schmackhaft gemacht werden kann?

Ich mag das nicht glauben und bin auf der Suche nach Antworten.

Zwei Gedanken dazu möchte ich hier teilen.

Den einen nenne ich den Gedanken zur Schwarzbrotpredigt. Das ist ein gern gebrauchtes Bild in der kirchlichen Sprache, das davon ausgeht, dass es nur eine Zeit braucht und die richtige Sprache oder auch den richtigen Inhalt, um den Hörer einer Predigt klarzumachen, dass er sich bisher mit weniger nahrhaften Lebensmitteln gesättigt hat.
Ich habe da immer meinen Vater vor Augen, der nach einem Stück Torte oder auch zwei nach etwas „Festem“ verlangte. Dann schnitt er sich ein Stück Brot ab und schnitt sich ein Stück Blutwurst ab und aß dann genüßlich, um den allzu süßen Geschmack des Kuchens zu neutralisieren. Ernährungsphysiologisch kann man das durchaus in Frage stellen. Aber für ihn bedeutete es einen Kontrast im Geschmack, der die Geschmackswelt wieder ein bisschen ins Gleichgewicht brachte.
Demgemäß müssten wir nur warten, dass die Menschen übersättigt sind von den allzu süßen und verführerischen Genüssen der Welt, um die Botschaft Christi wieder hören und schätzen zu können.
Allerdings kommen auch mir da Zweifel. Es muss mitunter schon Schlimmes passieren, um den Appetit auf die etwas härtere und schwerer zu kauende Schwarzbrotpredigt zu wecken.

Das führt mich zum zweiten Gedanken. Können wir was tun, um diesen Appetit zu wecken? Ich denke dabei an die Worte des Theologen und Dichters Christian Lehnert, der seine Erfahrungen mit unterschiedlichen Gottesdiensten beschreibt: „Ich habe Messen größter musikalischer, liturgischer und sprachlicher Ausdruckskraft erlebt, Feste der Sinne in strahlenden Kirchen, und ich habe dabei irgendwann, leer im Herzen, nur noch die Ornamente der Deckenbemalung verfolgt und bin hinausgegangen, so wie ich hineingekommen bin. Es gibt das Gegenteil: Dorfgottesdienste, wo die Pfarrerin in aller Eile einen Gottesdienst abarbeitet. Er darf nicht länger als vierzig Minuten dauern, weil dann schon der nächste im Nachbardorf ansteht. Sie spricht zu schnell, man bemerkt in jedem Detail, jeder Lesung, jedem Gebet und Lied das Bestreben, abzukürzen und zu verdichten, und ich bin doch am Ende plötzlich wie verzaubert von dem, was am Altar geschieht, und empfange, taumelnd fast, das Sakrament …“*
Zunächst also, liebe Gemeinde, können wir nichts tun. Es ergibt sich. Es kommt ganz darauf an. Wer sitzt da, in welcher Verfassung, mit welchen Stimmungen. Was hat er vorher erlebt, wie geht es ihm und wie nimmt er das wahr, was um ihn geschieht. Und dann gibt es den einen Moment, der ihn verzaubert.
Wir haben das nicht in der Hand. Es überfordert uns und wir können es am Ende nur dem Heiligen Geist überlassen. Und vielleicht unserer eigenen Frömmigkeit, unserer eigenen Überzeugung und nicht unserer Überzeugungskraft.

Und zugleich wecken diese beiden Gedanken die Hoffnung und auch eine innere Ruhe, dass das, was uns hier am Herzen liegt, was uns in diesem Moment wichtig ist, auch andere Menschen erreichen kann. Es ist kein Wettbewerb und keine Messe der besten Botschaften. Es ist eine Bewegung der Seelen, die letzten Endes in der Hand Gottes liegt.
Und ich glaube, dass auch Jesus das sagen möchte. Wenn er nämlich die Armen und Verkrüppelten, die Blinden und Lahmen im Blick hat, die auf den Landstraßen und an den Zäunen, dann meint er wohl die, die nicht nur am Leib leiden. Dann sind wohl auch die gemeint, die ich erst mal gar nicht im Blick habe, weil sie doch schon alles haben. Zu haben scheinen.

Dann ist es gut, ein Stück Brot im Schrank zu haben, ein Wort, das in aller Eile dennoch weit reicht, ein Abschiedsgruss, der nach langen Reden die Dinge auf den Punkt bringt, der signalisiert, hier ist ein Platz, wo du das findest, was du zum Leben brauchst. Weil es mir selbst gut getan hat. Weil ich mit gutem Herzen sagen kann: Das ist für dich! Weil Gott es mir gegeben hat.

Amen.

*Christian Lehnert, Der Gott in einer Nuß. Berlin 2017, S. 18.

  • Was uns bewegt – Miteinander und füreinander beten

Guter Gott,
Hunger herrscht überall auf der Welt.
Für den Leib und die Seele.
Was die einen zuviel haben, fehlt den anderen.
Wir sind übersättigt von diesen Einsichten.
Wecke unseren Appetit, dass wir wieder danach suchen,
was uns wirklich nährt,
und lege uns Worte bei, die das deutlich sagen.

Guter Gott,
Hunger herrscht überall auf der Welt.
Für den Leib und die Seele.
Wir sind übersättigt von den Meinungen.
Welche sollen wir haben?
Wecke unseren Appetit, dass wir wieder danach suchen,
was unseren Mitmenschen bewegt
und lege uns Worte bei, die ihn erreichen.

Guter Gott,
Hunger herrscht überall auf der Welt.
Für den Leib und die Seele.
In unserer Kirche und unseren Gottesdiensten
wollen wir deine gute Botschaft weitergeben.
Aber wir haben viele Fragen.
Wecke unseren Appetit, keine vorschnellen Antworten zu geben,
sondern von dem zu sprechen,
was uns in der Tiefe unserer Seele bewegt.

Guter Gott,
Hunger herrscht überall auf der Welt.
An Leib und Seele.
Auch hier in unmittelbarer Nähe.
Wecke unseren Appetit, dass wir die Augen offen haben,
und etwas Zeit und etwas Nahrung
für unsere Verwirrung, Einsamkeit und Not.

Vater unser im Himmel,
geheiligt werde Dein Name.
Dein Reich komme.
Dein Wille geschehe,
wie im Himmel, so auf Erden.
Unser tägliches Brot gib uns heute.
Und vergib uns unsere Schuld,
wie auch wir vergeben unsern Schuldigern.
Und führe uns nicht in Versuchung,
sondern erlöse uns von dem Bösen.
Denn dein ist das Reich und die Kraft
und die Herrlichkeit in Ewigkeit.
Amen.

  • Segen

Es segne und behüte uns der allmächtige und barmherzige
Gott, Vater, Sohn und Heiliger Geist.
Er bewahre uns vor Unheil und führe uns zum ewigen Leben.
Amen.

(Pfr. Olaf Wisch)

1. Sonntag nach Trinitatis (11.06.)2023

  • Eröffnung

„Wer euch hört, der hört mich; und wer euch verachtet, der verachtet mich.“ Der Wochenspruch aus dem Lukasevangelium erinnert uns daran, wo wir Gott finden können. In den Worten Jesu und in den Worten derer, die seinem Wort folgen. Da ist Gott uns nah. Amen.

  • Tagesgebet

Du unbegreiflicher Gott,
die Himmel können dich nicht fassen –
und doch kommst du uns nahe in deinem Wort.
Hilf, dass wir deine Stimme unterscheiden
von den vielen anderen Stimmen, die auf uns einreden,
damit unser Leben dir gehöre, getragen und geformt
von deiner Liebe, die uns in Jesus Christus begegnet.
Amen.

  • Was mir nützlich ist – „Von Gott will ich nicht lassen“ (EG 365)

1) Von Gott will ich nicht lassen,
denn er lässt nicht von mir,
führt mich durch alle Straßen,
da ich sonst irrte sehr.
Er reicht mir seine Hand;
den Abend und den Morgen
tut er mich wohl versorgen,
wo ich auch sei im Land

2) Wenn sich der Menschen Hulde
und Wohltat all verkehrt,
so findt sich Gott gar balde,
sein Macht und Gnad bewährt.
Er hilft aus aller Not,
errett‘ von Sünd und Schanden,
von Ketten und von Banden,
und wenn’s auch wär der Tod.

3) Auf ihn will ich vertrauen
in meiner schweren Zeit;
es kann mich nicht gereuen,
er wendet alles Leid.
Ihm sei es heimgestellt;
mein Leib, mein Seel, mein Leben
sei Gott dem Herrn ergeben;
er schaff’s, wie’s ihm gefällt!

4) Es tut ihm nichts gefallen,
denn was mir nützlich ist.
Er meint’s gut mit uns allen,
schenkt uns den Herren Christ,
sein eingebornen Sohn;
durch ihn er uns bescheret,
was Leib und Seel ernähret.
Lobt ihn in’s Himmels Thron!

5) Lobt ihn mit Herz und Munde,
welchs er uns beides schenkt!
Das ist ein selge Stunde,
darin man sein gedenkt;
denn sonst verdirbt all Zeit,
die wir zubringn auf Erden.
Wir sollen selig werden
und bleibn in Ewigkeit.

  • Mit Flehen und Seufzen – Lesung aus dem 1. Johannesbrief (1Joh 4,13-21)

Daran erkennen wir, dass wir in ihm bleiben und er in uns, dass er uns von seinem Geist gegeben hat.
Und wir haben gesehen und bezeugen, dass der Vater den Sohn gesandt hat als Heiland der Welt. Wer nun bekennt, dass Jesus Gottes Sohn ist, in dem bleibt Gott und er in Gott. Und wir haben erkannt und geglaubt die Liebe, die Gott zu uns hat: Gott ist Liebe; und wer in der Liebe bleibt, der bleibt in Gott und Gott in ihm. Darin ist die Liebe bei uns vollendet, auf dass wir die Freiheit haben, zu reden am Tag des Gerichts; denn wie er ist, so sind auch wir in dieser Welt. Furcht ist nicht in der Liebe, sondern die vollkommene Liebe treibt die Furcht aus. Denn die Furcht rechnet mit Strafe; wer sich aber fürchtet, der ist nicht vollkommen in der Liebe. Lasst uns lieben, denn er hat uns zuerst geliebt. Wenn jemand spricht: Ich liebe Gott, und hasst seinen Bruder, der ist ein Lügner. Denn wer seinen Bruder nicht liebt, den er sieht, der kann nicht Gott lieben, den er nicht sieht. Und dies Gebot haben wir von ihm, dass, wer Gott liebt, dass der auch seinen Bruder liebe.

  • Das ein‘ ist in dem Andern. – Ein Dialog zu den Worten des Johannesbriefes

Früher, sagst du, gab es noch Zeit, dem Gras beim Wachsen zuzusehen.
Das Gras war wichtig und unglaublich interessant.
Früher, entgegne ich, hättest du gar keine Zeit gehabt für solche Kleinigkeiten. Vor lauter Sorgen um Geld, und Haus und Heizung. Da hättest du Tag und Nacht arbeiten müssen. Die Augen wären dir zugefallen vor Müdigkeit und du würdest gar nichts sehn.
Früher, sagst du, wohnten die großen Dinge in den kleinen. Deshalb waren die kleinen Dinge so wichtig. Genauso wichtig wie die großen. Dann aber haben wir die kleinen Dinge von den großen getrennt. Oder die großen von den kleinen. Es schien dem Menschen besser so. Aber die großen Dinge halten uns seitdem noch mehr auf Trab.
Die großen Dinge stehlen sich in unsere Pläne und Träume. Sie locken und verführen uns mit ihrer Wichtigkeit. Sie beherrschen alles und die kleinen Dinge, oder das, was wir für klein halten, werden an den Rand gerückt. Aus Sorge und aus Angst, das scheinbar Große zu verpassen und ihm nicht gerecht zu werden.
Rede du nur, sage ich müde. Ich kann dir gar nicht folgen. Wie sollen die großen Dinge in den kleinen sein?
Große Dinge sind groß, kleine Dinge sind klein. Jedes ist für sich. Schon immer.
Und ja, die großen Dinge nehmen uns ganz in Anspruch. Die kleinen Dinge übersehen wir. So ist das nun mal. Früher war das so und heute auch. Selbst in der freien Zeit.
Der Rest ist Spinnerei.
Der Rest ist Gott, sagst du. Der Rest ist die Liebe.
Und dann liest du mir vor. Aus dem 1. Johannesbrief:
Wenn wir uns untereinander lieben, so bleibt Gott in uns, und seine Liebe ist in uns vollkommen.
In uns! Großer Gott in kleinem Menschen, sagst du. Triumphierend schaust du mich an.
Große Dinge, die in kleinen wohnen, denke ich. Gott ist groß. Ich bin klein. Wie könnte er in mir wohnen. Der Liebe wegen?
Ich denke an Angelus Silesius. An den Sinnreim: Das ein‘ ist in dem Andern.
Jch bin nicht ausser GOtt / und GOtt nicht ausser mir /
Jch bin sein Glantz und Liecht / und Er ist meine Zihr.*
Groß und Klein vereint.
Genau genommen, sage ich zu dir, hat der Unterschied zwischen Groß und Klein dann gar keinen Sinn mehr.
Du nickst mit dem Kopf und sagst: Aha, doch noch da? Ich dachte schon, die Gedanken hätten dich gefressen. Aber ich sehe es ein bisschen anders. Gott ist klein. Gott ist Liebe. Einfach Liebe. Er ist so klein, dass er in uns wohnen kann.
In jedem von uns. Im Bruder, in der Schwester, in den Notleidenden, in den Traurigen, in den Verachteten. Sie sind Gott. Sie sind klein. Sie sind groß, weil sie Gott Raum gewähren. Weil sie den großen Dingen nicht genügen, wohnt Gott in ihnen.
Denn Gott ist keine Angst. Gott ist kein Gericht. Gott kommt zu uns Menschen. Die Liebe will bei uns sein. Mitten in uns drin. Mit Angst und Gericht hat das nichts zu tun. Auch nicht mit Macht und Gewalt, nicht mit Erfolg und Geld und Reichtum. Mit nichts, was als groß gilt auf der Welt. Mit nichts, was uns Angst macht, was uns einschüchtert, bewertet und beurteilt.
Das klingt schön, sage ich. Aber die Sorgen bleiben doch.
Dafür haben wir später noch genug Zeit, sagst du.
Du hast Recht, sage ich, wie es in einem Lied heisst: Das ist ein sel’ge Stunde, darin man sein gedenkt; denn sonst verdirbt all Zeit.**
So ungefähr, sagst du. Aber jetzt sehen wir dem Gras beim Wachsen zu, ok?

*Angelus Silesius, Cherubinischer Wandersmann, hg. von Georg Ellinger, Halle 1895, S. 23, Nr. 106.
** EG365,5

  • Umgeben von großen Dingen? – Miteinander und füreinander beten

Großer Gott,
wir sind umgeben von den großen Dingen, die unsere Welt beherrschen. Reichtum und Macht prägen unser Zusammenleben. Sie nehmen uns gefangen. Befreie uns von den Gedanken, dass nur das scheinbar Große uns glücklich machen kann.
Frieden und Gerechtigkeit zwischen Ländern, zwischen Menschen und in der Gesellschaft wohnen in den kleinen Dingen. Dort können wir sie finden. Weil du in ihnen wohnst.

Großer Gott,
der Glaube sagt, dass du für uns klein und schwach geworden bist. Wir merken, wie schwer das zu verstehen ist und zu sagen ist. Stärke uns, dass wir diese Botschaft auch gegen den Anschein weitersagen und leben können.

Großer Gott,
du bist gegenwärtig in den Menschen, die uns oft klein erscheinen. In Jesus Christus hast du uns gezeigt, dass wir in diesen Menschen unserem Glauben besonders nah kommen. Stärke uns in dieser Nähe. Lass uns erfahren, dass wir dich erkennen in denen, denen wir sonst lieber ausweichen.

Großer Gott,
wenn wir uns selbst klein fühlen, wenn wir uns schwach, krank, wertlos und traurig fühlen, dass du uns dann besonders nah bist.

Großer Gott,
wir beten zu dir mit wenigen Worten, die uns Jesus Christus gelehrt hat.

Vater unser im Himmel,
geheiligt werde Dein Name.
Dein Reich komme.
Dein Wille geschehe,
wie im Himmel, so auf Erden.
Unser tägliches Brot gib uns heute.
Und vergib uns unsere Schuld,
wie auch wir vergeben unsern Schuldigern.
Und führe uns nicht in Versuchung,
sondern erlöse uns von dem Bösen.
Denn dein ist das Reich und die Kraft
und die Herrlichkeit in Ewigkeit.
Amen.

  • Segen

Es segne und behüte uns der allmächtige und barmherzige
Gott, Vater, Sohn und Heiliger Geist.
Er bewahre uns vor Unheil und führe uns zum ewigen Leben.
Amen.

(Pfr. Olaf Wisch)

Pfingstmontag (29.05.)2023

  • Eröffnung

Erfüllt vom heiligen Geist fingen die Jünger an zu predigen „in andern Sprachen, wie der Geist ihnen zu reden eingab“. So wird es in der Apostelgeschichte beschrieben. Die Gemeinschaft im christlichen Glauben begann also damit, dass Verständigungsschwierigkeiten überwunden werden. Das ist eine Aufgabe, die bis heute immer wieder angegangen werden muss. Und die den guten Geist Gottes unter uns wirksam werden lässt.

  • Du bist mein Gebet – Ein Psalm nach Psalm 118 (Peter Spangenberg)

Sagt mit mir Danke!
Danke, lieber Gott,
dass du so freundlich mit uns umgehst
und uns mit deiner Liebe begegnest.
Die ganze Gemeinde sage: Danke!
In allen Kirchen sollen sie singen: Danke!
Wenn wir Angst haben und nicht wissen wohin,
dann können wir uns an Gott wenden.
Er ist dann ganz für uns da
und gibt uns neuen Lebensmut.
Sich auf Gott zu verlassen hat Sinn.
Lieber Gott, du bist meine Rückendeckung,
du bist mein Gebet
in dir bin ich ruhig
wie ein kleines Kind in der Wiege.
Ich werde nicht zerbrechen,
ich werde leben.
Du mutest mir viel zu,
aber du lässt mich nicht allein.
Kam ich mir schon vor,
als würde ich nicht mehr gebraucht,
so hast du mich wieder ins Leben eingefügt.
Was für ein Tag!
Ein großes Fest mit Gott.
Sagt mit mir: Danke! Und freut euch mit.

  • Mach du uns eins – Ein Lied: „Atme in uns, Heiliger Geist“ (EGE 7)

Atme in uns, Heiliger Geist,
brenne in uns, Heiliger Geist,
wirke in uns, Heiliger Geist,
Atem Gottes, komm!

Komm, du Geist, durchdringe uns,
komm, du Geist, kehr bei uns ein.
Komm, du Geist, belebe uns,
wir ersehnen dich.

Atme in uns, Heiliger Geist,
brenne in uns, Heiliger Geist,
wirke in uns, Heiliger Geist,
Atem Gottes, komm!

Komm, du Geist, mach du uns eins,
komm, du Geist, erfülle uns.
Komm, du Geist und schaff uns neu,
wir ersehnen dich.

  • Die Menschen sind platt. – Worte aus dem 1. Kapitel der Apostelgeschichte

(Der untenstehende Text orientiert sich an den Vorgaben der sogenannten einfachen oder leichten Sprache, die Personen mit eingeschränkten Deutschkenntnissen, Menschen mit Lern- oder auch Leseschwierigkeiten helfen soll, am gesellschaftlichen oder eben auch kirchlichen Leben teilzuhaben.)

Alle Freunde von Jesus Christus sind zusammen.

Die Freunde sitzen im Haus:

und hören plötzlich Lärm am Himmel.
Ein Sturm ist im ganzen Haus
und die Freunde sehen Zungen aus Feuer.
Die Feuerzungen verteilen sich.
Und das Feuer ist auf den Jüngern.
Der Geist von Gott brennt jetzt in den Freunden Jesu.
Die Freunde haben Herzklopfen vor Freude.
Alle Apostel reden in anderen Sprachen.
Der Geist von Gott redet für sie.

In Jerusalem wohnen Juden aus allen Ländern.
Die Juden glauben an Gott.
Auf einmal ist es dann so laut.

Und alle Menschen rennen hin.
Und die Menschen sind verwirrt:
Die Menschen sind aus vielen fremden Ländern.
Die Menschen sprechen viele fremde Sprachen.
Und alle Menschen verstehen die Apostel.
Die Menschen sind platt.
Und alle Menschen wundern sich.

Die Freunde von Jesus sprechen mit uns.
Sie sprechen wie wir.
Sie sprechen unsere Sprachen.
Egal aus welchem Land wir sind.
Wie geht das?

Worte der Heiligen Schrift.

  • Nicht viele Worte – Gedanken zu 3. Kapitel des 1. Samuelbuches.

Jerusalem ist eine Stadt, in der Juden aus vielen Ländern miteinander leben. Nicht alle sprechen die selbe Sprache. Aber sie sind hier, weil Jerusalem ein Zentrum für ihren Glauben ist. Sie sind miteinander verbunden in diesem Glauben an den einen Gott, der Himmel und Erde gemacht hat und der das Volk Israel aus der Knechtschaft in Ägypten in ein gelobtes Land geführt hat.
So sind sie getrennt und verbunden zugleich.
Es gibt eine sprachliche Barriere.
Es gibt einen gemeinsamen Glauben.

Dieses Jerusalem erscheint fast wie eine große Stadt unserer heutigen Zeit. Eingebettet in das römische Reich, das nahezu die damals bekannte Welt umfasst.
Ein Sammelbecken verschiedener Menschen und auch Religionen.
Bis heute fragen wir uns, wie das gehen kann.
Das fragen sich auch die Menschen, die Zeugen des Pfingstwunders geworden sind.

Schwierig ist so eine große Menge unterschiedlicher Bewohner und Besucher einer Stadt, weil diese vielen Menschen mit je eigenen Vorstellungen vom Zusammenleben und Werten daherkommen. Verständigungsschwierigkeiten gibt es also nicht nur wegen der jeweiligen Landessprache. Schon jede Geste, jede Bewegung, jede Begegnung trägt in sich die Gefahr, einander misszuverstehen.

Dabei ist die Stadt nur der Ort, wo sich unsere individuellen Eigenschaften besonders gut entfalten können. Fluch und Segen ist das zugleich. Ich habe viele Möglichkeiten, mich zu entfalten und zu entwickeln. Gleichzeitig vergrößert sich die Gefahr, meinem Mitmenschen damit auf die Füße zu treten. Was ich eigentlich nicht will. Vielmehr bin ich ein Gemeinschaftswesen, dass sich nach Anerkennung und Geborgenheit sehnt. Und so gibt es immer zwei Sehnsüchte. Die eine richtet sich auf meine Möglichkeiten, mir die Welt nach meinem Bilde zu erschaffen. Die andere aber auf die Suche nach Sicherheit und Wärme, die mein Leben erhält.

Ich meine, dass das auch vor 2000 Jahren schon so war. Und es galt sicher auch für die Jünger und Freunde Jesu. Für diese war es ein Wagnis und ein völlig neuer Weg, den sie beschritten haben. Sie waren eine kleine Minderheit nicht nur unter den Menschen des riesigen römischen Reiches. Sie waren auch unter den jüdischen Menschen im Grunde Außenseiter. Sie folgten Jesus. Sie hofften darauf, dass er der ersehnte Messias sei, der dem jüdischen Volk ein freies und selbstbestimmtes Leben verspricht.

Eigene Ziele und eigene Sehnsüchte in einer damals schon unübersichtlichen Welt. Sicher sein kann sich da niemand.
Wie könnten sie sich verständlich machen in dieser Stadt, in diesem Glauben, in diesem römischen Reich?
Die Geschichte vom Pfingstfest gibt darauf eine Antwort, die tiefer reicht als das, was ein Sprachkurs oder eine Lernapp auf dem Handy regeln könnte.

Diese Frage reicht tief und sie beschäftigt uns bis heute. Die Zahl der Stimmen und Meinungen und Ansichten und Überzeugungen ist kaum zu zählen. Mit dem, was ich vorzubringen habe, was ich mir wünsche oder zu erreichen trachte, stehe ich immer in der Gefahr, an Grenzen zu stoßen, Missfallen zu erregen oder andere Menschen zu verletzen. Unser Miteinander ist ein fragiles Gebilde und leicht aus dem Gleichgewicht zu bringen.

Da ist es gut, Orientierung zu haben; oder besser gesagt, Orientierung zu erfahren. Es ist eine Orientierung, die sich nicht festhalten lässt oder die ich in der Tasche mit mir tragen könnte. Es gibt keinen Kompass, der immer nach Norden zeigte. Diese Art von Orientierung ist in jeder Begegnung und bei jeder Gelegenheit neu auszuhandeln und einzustellen. Wohin treibt es mich heute, was bewegt mich und wem stehe ich gegenüber, mit welcher Lebensgeschichte werde ich da konfrontiert?

So ist es auch an jedem Tag. Wer wohnt da neben mir? Wen begegne ich? Was teilen wir miteinander? Was verbindet uns? Und worin unterscheiden wir uns?
So ist es auch damals in Jerusalem unter dem Brausen des Sturmes, unter den Feuerflammen und dem Feuer in uns. Ein höchst bewegliches und bewegtes Gebilde.
Ein Pfingstwunder geschieht. Bis heute feiern wir deshalb miteinander Gottesdienst. Wir beten und singen. Wir feiern unseren Glauben. Wir teilen die Sehnsucht nach Frieden vor Gott und den Menschen. Wir verstehen uns. Hoffentlich.
Dieses Verständnis braucht zuerst die Kraft aus dem Himmel, die uns zusammenbringt in dieser verrückten und verrückt gewordenen Welt. Und dann braucht es aber auch die Kraft, die unserem Zartgefühl, unserer Sorgfalt und unserer Hingabe entspricht. Gott stellt sie bereit, und wir können etwas daraus machen. Wie ein Band, das jede und jeden von uns miteinander verbindet. Darauf können wir acht geben. Dass es nicht zerreisst. Gottes Band in seinem heiligem Geist. Der uns bewahre und stärke zum rechten Glauben in Jesus Christus. Amen.

  • Vor nichts Halt machen – Miteinander und füreinander beten

Gott, wir bitten dich für alle Menschen in Not!
Vereine uns immer weiter zum gemeinsamen Geben durch Deinen Heiligen Geist.
Lass Freigiebigkeit und Großzügigkeit aufblühen.
Dein Geist mache vor nichts Halt und überwinde Eigensinn und Verständnisbarrieren!
Treib aus, was uns beengt und befreie uns Deine Liebe zu leben!
Ermutige uns, in deinem Sinne zu denken, zu fühlen und zu handeln,
in der Kraft deines Pfingst-Geistes, der alle menschlichen Grenzen überwindet.

Vater unser im Himmel,
geheiligt werde Dein Name.
Dein Reich komme.
Dein Wille geschehe,
wie im Himmel, so auf Erden.
Unser tägliches Brot gib uns heute.
Und vergib uns unsere Schuld,
wie auch wir vergeben unsern Schuldigern.
Und führe uns nicht in Versuchung,
sondern erlöse uns von dem Bösen.
Denn dein ist das Reich und die Kraft
und die Herrlichkeit in Ewigkeit.
Amen.

  • Segen

Es segne und behüte uns der allmächtige und barmherzige
Gott, Vater, Sohn und Heiliger Geist.
Er bewahre uns vor Unheil und führe uns zum ewigen Leben.
Amen.

(Pfr. Olaf Wisch)

Exaudi (21.05.)2023

  • Eröffnung

Am sechsten Sonntag nach Ostern, am Sonntag Exaudi, befestigt der Wochenspruch die bleibende Bindung an Jesus Christus: „“Christus spricht: Wenn ich erhöht werde von der Erde, so will ich alle zu mir ziehen.“ Zwischen Himmelfahrt und Pfingsten wird die Grenze zwischen Himmel und Erde durchlässig. Gemeinsam können wir uns dafür rüsten und offen sein für Gottes Wort.

  • Auf ebener Bahn – Ein Psalm (Ps 27,1.7-14)

Der Herr ist mein Licht und mein Heil;
vor wem sollte ich mich fürchten?
Der Herr ist meines Lebens Kraft;
vor wem sollte mir grauen?
Herr, höre meine Stimme, wenn ich rufe;
sei mir gnädig und antworte mir!
Mein Herz hält dir vor dein Wort: /
»Ihr sollt mein Antlitz suchen.«
Darum suche ich auch, Herr, dein Antlitz.
Verbirg dein Antlitz nicht vor mir,
verstoße nicht im Zorn deinen Knecht!
Denn du bist meine Hilfe; verlass mich nicht
und tu die Hand nicht von mir ab, du Gott meines Heils!
Denn mein Vater und meine Mutter verlassen mich,
aber der Herr nimmt mich auf.
Herr, weise mir deinen Weg
und leite mich auf ebener Bahn um meiner Feinde willen.
Gib mich nicht preis dem Willen meiner Feinde!
Denn es stehen falsche Zeugen wider mich auf und tun mir Unrecht.
Ich glaube aber doch, dass ich sehen werde
die Güte des Herrn im Lande der Lebendigen.
Harre des Herrn!
Sei getrost und unverzagt und harre des Herrn!

  • Die Leuchte unsern Füßen – Ein Lied: „Herr für Dein Wort sei hoch gepreist“ (EG 196)
  1. Herr, für dein Wort sei hoch gepreist;
    laß uns dabei verbleiben
    und gib uns deinen Heilgen Geist,
    daß wir dem Worte glauben,
    dasselb annehmen jederzeit
    mit Sanftmut, Ehre, Lieb und Freud
    als Gottes, nicht der Menschen.
  2. Öffn uns die Ohren und das Herz,
    daß wir das Wort recht fassen,
    in Lieb und Leid, in Freud und Schmerz
    es aus der Acht nicht lassen;
    daß wir nicht Hörer nur allein
    des Wortes, sondern Täter sein,
    Frucht hundertfältig bringen.
  3. Am Weg der Same wird sofort
    vom Teufel hingenommen;
    in Fels und Steinen kann das Wort
    die Wurzel nicht bekommen;
    der Same, der in Dornen fällt,
    von Sorg und Lüsten dieser Welt
    verdirbet und ersticket.
  4. Ach hilf, Herr, daß wir werden gleich
    dem guten, fruchtbarn Lande
    und sein an guten Werken reich
    in unserm Amt und Stande,
    viel Früchte bringen in Geduld,
    bewahren deine Lehr und Huld
    in feinem, gutem Herzen.
  5. Dein Wort, o Herr, laß allweg sein
    die Leuchte unsern Füßen;
    erhalt es bei uns klar und rein;
    hilf, daß wir draus genießen
    Kraft, Rat und Trost in aller Not,
    daß wir im Leben und im Tod
    beständig darauf trauen.
  6. Gott Vater, laß zu deiner Ehr
    dein Wort sich weit ausbreiten.
    Hilf, Jesu, daß uns deine Lehr
    erleuchten mög und leiten.
    O Heilger Geist, dein göttlich Wort
    laß in uns wirken fort und fort
    Glaub, Lieb, Geduld und Hoffnung.
  • Geh wieder hin – Worte aus dem 3. Kapitel des 1. Samuelbuches

Und zu der Zeit, als der Knabe Samuel dem Herrn diente unter Eli, war des Herrn Wort selten, und es gab kaum noch Offenbarung. Und es begab sich zur selben Zeit, dass Eli lag an seinem Ort, und seine Augen fingen an, schwach zu werden, sodass er nicht mehr sehen konnte. Die Lampe Gottes war noch nicht verloschen. Und Samuel hatte sich gelegt im Tempel des Herrn, wo die Lade Gottes war. Und der Herr rief Samuel. Er aber antwortete: Siehe, hier bin ich!, und lief zu Eli und sprach: Siehe, hier bin ich! Du hast mich gerufen. Er aber sprach: Ich habe nicht gerufen; geh wieder hin und lege dich schlafen. Und er ging hin und legte sich schlafen. Der Herr rief abermals: Samuel! Und Samuel stand auf und ging zu Eli und sprach: Siehe, hier bin ich! Du hast mich gerufen. Er aber sprach: Ich habe nicht gerufen, mein Sohn; geh wieder hin und lege dich schlafen. Aber Samuel kannte den Herrn noch nicht, und des Herrn Wort war ihm noch nicht offenbart. Und der Herr rief Samuel wieder, zum dritten Mal. Und er stand auf und ging zu Eli und sprach: Siehe, hier bin ich! Du hast mich gerufen. Da merkte Eli, dass der Herr den Knaben rief. Und Eli sprach zu Samuel: Geh wieder hin und lege dich schlafen; und wenn du gerufen wirst, so sprich: Rede, Herr, denn dein Knecht hört. Samuel ging hin und legte sich an seinen Ort. Da kam der Herr und trat herzu und rief wie vorher: Samuel, Samuel! Und Samuel sprach: Rede, denn dein Knecht hört.

Worte der Heiligen Schrift.

  • Nicht viele Worte – Gedanken zu 3. Kapitel des 1. Samuelbuches

Liebe Gemeinde,

im Samuelbuch wird etwas beschrieben, was uns für die Bibel nicht ungewöhnlich vorkommt. Samuel wird von Gott angesprochen. In der Bibel geschieht dies doch öfter. Gott spricht. Zu Mose aus dem brennenden Dornbusch. Zu Jakob im Traum. Zu Jesus aus dem geöffneten Himmel. Doch Samuel kann diese Ansprache nicht einordnen. Deshalb geht er davon aus, dass es Eli sei, der Priester des Tempels, dem Samuel dient; es muss wohl dieser gewesen sein, der ihn da plötzlich anspricht. Mit Gott rechnet er nicht. Denn es wird ja auch gesagt, dass „das Wort des Herrn selten“ war und es „kaum noch Offenbarung“ gab. Einem heutigen Menschen ginge es ganz ähnlich. Wenn dieser heute eine Stimme hörte, würde er nach einer Quelle suchen, die nichts mit Gott zu tun hat; etwa einen Menschen in der Nähe oder von einem technischen Gerät herrührend oder gar eine Stimme aufgrund einer Geisteskrankheit. Zudem ist es im Falle Samuels so, dass er „den Herrn noch nicht kannte, und des Herrn Wort war ihm noch nicht offenbart“.
Aber auch Eli braucht drei Anläufe, bis er Gott als Quelle der Stimme annimmt. Immerhin hat er aber als Priester die Erfahrung, die diesen Umstand in Erwägung zieht.
Erstaunlich ist allerdings, dass Samuel ihm ohne Zögern glaubt. Nachdem ihn Eli instruiert hat, reagiert Samuel sofort auf Gottes Stimme und antwortet ihm, indem er sich ihm als sein Knecht vorstellt.

Dieses Vertrauen in Elis Deutung nutzt auch die Werbung. Marketing-Experten wissen, dass die beste Werbung Mund-zu-Mund-Propaganda ist. Ein uraltes Prinzip, dass heute wieder besonders im Blick ist durch die Mittel der modernen Kommunikation. Die Ursache liegt darin, dass wir Freunden, Bekannten und Familienmitgliedern am meisten vertrauen. Wenn mir ein guter Freund etwas empfiehlt, dem ich auch gewisse Kenntnisse zuschreibe, gehe ich davon aus, dass es eine gute Entscheidung ist.
Die Grundlage dafür ist – wie gesagt – das Vertrauen, dass ich einem Menschen entgegenbringe. Ich vertraue darauf, dass er es gut mit mir meint. Dann folge ich seinem Rat gerne und kann mich erfahrungsgemäß darauf verlassen.

Wenn man so will, „bewirbt“ Eli Gott. Auf sein Wort hin erkennt Samuel die Stimme Gottes. Das würde wohl heute nicht mehr ohne Weiteres funktionieren. Wenn ich aufgrund der Empfehlung eines befreundeten Handwerkers eine Bohrmaschine kaufe, ist das selbstverständlich. Aber wenn er mir erzählte, ich solle auf Gottes Stimme hören, wäre ich doch verwundert.

Dennoch bewegt mich diese Geschichte, weil sie doch so nah an unser heutiges Empfinden und Denken heranreicht. Gottes Stimme ist selten geworden und es gibt kaum noch Offenbarung. Gläubige Menschen sagen oft, dass es wohl leichter wäre zu glauben, wenn uns die Mütter und Väter des Glaubens in der Bibel tatsächlich Auge in Auge gegenüberstehen würden. Aber würde ich ihnen mehr glauben als meinem Handwerkerfreund?

Heute wie damals braucht es jedenfalls eine Vorbereitung, oder „Werbung“, um Gottes Stimme hören zu können. Wahrnehmen werde ich sie dann, wenn mir von einem anderen Menschen vermittelt wird, dass ich sie hören könnte und kann. Läse ich etwa nur eine Bibelstelle, hörte ich Gott noch lange nicht. Es käme darauf an, was es in mir selbst auslöst und wie eben Menschen dazu stehen, denen ich vertraue. Viele Worte braucht es dazu nicht. Das wäre schon wieder verdächtig. So als ob Gott angepriesen werden müsste. Wenn eine Freundin mir etwas empfiehlt, muss sie nicht viele Worte machen. Demgemäß ist auch die Anweisung Elis kurz und knapp: Geh wieder hin und lege dich schlafen; und wenn du gerufen wirst, so sprich: Rede, Herr, denn dein Knecht hört. Eli erklärt nichts, er macht keine große Sache daraus, er verlangt nichts und will nichts weiter wissen; er lässt es einfach geschehen. Und Samuel glaubt ihm. So beginnt Samuels Geschichte mit Gott.

Zwischen Himmelfahrt und Pfingsten darf diese Geschichte als ein Beispiel gelten, wie Gott mit uns spricht. Jesus, Gottes Sohn, spricht uns nicht mehr direkt an. Denn er sitzt nun zur Rechten Gottes. Und das Erlebnis der Jünger zu Pfingsten war einmalig. Dennoch ist die Stimme Gottes da. Auf sehr individuelle Weise. Manchmal brauchen wir den Hinweis von außen, dass es die Stimme Gottes sei, die uns da begegnet. Manchmal brauchen wir eine gewisse Zeit, bis wir das auch akzeptieren.

Also ist es gut, die Ohren weit zu öffnen; und das Herz; und auch den Verstand. Es ist ein Angebot. Ich frage einen Freund, was er davon hält; was das sein kann, so eine Stimme. Und dann ist es gut nichts zu erklären, zu wissen, zu fordern oder eine große Sache daraus zu machen. Einfach nur zu sagen: Geh wieder hin; und wenn du gerufen wirst, so sprich: Rede, Herr, denn dein Knecht hört.
So einfach kann Werbung sein.

Amen.

  • Von dir betroffen – Miteinander und füreinander beten

Guter Gott,

unsere Welt ist voller Stimmen. Welcher können wir vertrauen?

Deshalb schärfe unseren Verstand,
und vor allem den Verstand jener,
die große Verantwortung tragen.
Guten Rates bedürfen wir alle.
Und großen Vertrauens, um diese Welt
wieder auf gute Wege zu leiten.
Friedliche und gerechte Wege.

Deshalb schärfe unsere Ohren,
dass wir deine Stimme hören können,
wenn wir taub geworden sind
vor Schmerz und Angst und Leid.
Dass wir dir antworten können,
wo sonst unsere Stimme versagt,
um uns in dir geborgen zu fühlen.

Deshalb öffne unser Herz.
dass wir deine Stimme hören
in den Stimmen der Menschen, die uns nah sind.
Nicht nur weil wir sie täglich treffen,
sondern auch, weil sie von dir betroffen sind.
Dass wir unsere Nähe zu dir miteinander
teilen können; und uns deiner Nähe vergewissern.

Deine Stimme verheiße uns deine Nähe.
Unsere Stimmen steigen zu dir auf
wenn wir mit den Worten Jesu Christi sprechen.

Vater unser im Himmel,
geheiligt werde Dein Name.
Dein Reich komme.
Dein Wille geschehe,
wie im Himmel, so auf Erden.
Unser tägliches Brot gib uns heute.
Und vergib uns unsere Schuld,
wie auch wir vergeben unsern Schuldigern.
Und führe uns nicht in Versuchung,
sondern erlöse uns von dem Bösen.
Denn dein ist das Reich und die Kraft
und die Herrlichkeit in Ewigkeit.
Amen.

  • Segen

Es segne und behüte uns der allmächtige und barmherzige
Gott, Vater, Sohn und Heiliger Geist.
Er bewahre uns vor Unheil und führe uns zum ewigen Leben.
Amen.

(Pfr. Olaf Wisch)

Rogate (14.05.)2023

  • Eröffnung

Fünf Wochen nach Ostern feiern wir den Sonntag Rogate. Er legt besonderes Augenmerk auf Gebet und Fürbitte. Zu jeder Zeit und an jedem Ort haben wir diese nötig in einer unübersichtlich gewordenen Welt. Und wir bitten Gott um seine Hilfe und seinen Trost.

An diesem Sonntag beschäftigen wir uns in der Luthergemeinde mit dem Buch „Der alte König in seinem Exil“ des österreichischen Autors Arno. Er beschreibt darin die Begegnung mit seinem dementen Vater und gewährt darin überraschende Einblicke, die uns zeigen, das nicht nur dem Vater sondern auch uns „Normalen“ die Welt fremd und heimatlos geworden ist.

  • Von meiner Jugend an – Ein Psalm (Ps 71,1-3b.5.9.20a.21b.23)

HERR, ich traue auf dich,
lass mich nimmermehr zuschanden werden.
Errette mich durch deine Gerechtigkeit
und hilf mir heraus,
neige deine Ohren zu mir und hilf mir!
Sei mir ein starker Hort,
dahin ich immer fliehen kann,
Denn du bist meine Zuversicht, HERR, mein Gott,
meine Hoffnung von meiner Jugend an.
Verwirf mich nicht in meinem Alter,
verlass mich nicht, wenn ich schwach werde.
Du lässest mich erfahren viel Angst und Not
und machst mich wieder lebendig
und tröstest mich wieder.
Meine Lippen und meine Seele, die du erlöst hast,
sollen fröhlich sein und dir lobsingen.

  • In den dunklen Stunden – Ein Lied: „Ich möcht‘, dass einer mit mir geht“ (EG 209)

Ich möcht‘, dass einer mit mir geht,
der’s Leben kennt, der mich versteht,
der mich zu allen Zeiten kann geleiten.
Ich möcht‘, dass einer mit mir geht.

Ich wart‘, dass einer mit mir geht,
der auch im Schweren zu mir steht,
der in den dunklen Stunden mir verbunden.
Ich wart‘, dass einer mit mir geht.

Es heißt, dass einer mit mir geht,
der’s Leben kennt, der mich versteht,
der mich zu allen Zeiten kann geleiten.
Es heißt, dass einer mit mir geht.

Sie nennen ihn den Herren Christ,
der durch den Tod gegangen ist;
er will durch Leid und Freuden mich geleiten.
Ich möcht‘, dass er auch mit mir geht.

  • In diesen kurzen Augenblicken – Gedanken zu Arno Geigers Buch „Der alte König in seinem Exil und zu Psalm 71

Psalm 71 ist im Gesangbuch überschrieben mit der Bitte: Verlass mich nicht in meinem Alter.
Das passt unmittelbar zum Buch Arno Geigers. Ein Mensch wird alt und erkrankt an Demenz. Zunehmend verliert er seine Orientierung und findet sich im Alltag nicht mehr zurecht. Für die Menschen um ihn, seine Familie und seine Pflegerinnen ist das eine immense Herausforderung. Der Sohn dieses Menschen beschreibt, wie er nach und nach begreift, was der beste Umgang mit seinem Vater ist. In der Fachsprache heisst das Validierung. Er versucht nicht mehr den Vater von der schalen Wirklichkeit zu überzeugen. Er versucht vielmehr, das, was wir Normalität nennen, an die andersartige Innenwelt des Vaters anzupassen. Er bewegt sich auf einem Zwischenraum zwischen der Welt des Vaters und seiner eigenen. Diese Welten passen nicht mehr übereinander, aber es gelingt ihm, immer wieder Brücken zu schlagen, sprachlich, emotional und alltagspraktisch.
Wir wissen heute, dass im Umgang mit demenzkranken Menschen vor allem die Zeit ein bedeutender Faktor ist. Vieles würde möglich sein, wenn wir die Zeit hätten, jeden einzelnen Menschen zu begleiten. Doch im gegenwärtigen System von Gesundheit und Pflege ist das kaum denkbar.
Der Sohn kann das. Er lässt sein rastloses Leben als Schriftsteller ruhen, gerade an dem Punkt, an dem er beginnt erfolgreich zu werden, und steht dem Vater bei. Fast klingt es, als ruhe er selbst aus. Eine Zeit lang.
Mit diesen Gedanken wird die Bitte des Psalms noch eindringlicher. Wer selbst noch nicht von altersbedingten Krankheiten und Einschränkungen betroffen ist, kann hier einen Eindruck davon bekommen.
Der letzte Vers des Psalms rührt dabei nah an die Geschichte Arno Geigers: Meine Lippen und meine Seele, die du erlöst hast, sollen fröhlich sein und dir lobsingen. Gefangen ist ja der Vater in seiner dementen Welt und nur mit viel Zartgefühl und Geduld ist eine Begegnung möglich. Etwa, wenn der Sohn auf den Wunsch seines Vaters eingeht, nach Hause gehen zu dürfen, obwohl dieser ja zu Hause ist. Dennoch will er und muss er. Er fühlt sich fremd. Er hat Angst, weil er den Weg nicht kennt. Dann begleite ich dich, entscheidet schließlich der Sohn, und löst damit diese schwierige Situation. Die Angst wird weniger und das Herz fröhlicher.

Aber diese Geschichte bietet uns nicht nur einen Eindruck davon, wie Gott uns Menschen an die Seite stellt, die unseren Bitten und Gebeten Erfüllung gewähren.

Denn es gibt auch solche Sätze in Arno Geigers Buch: „Er – der Vater – ist befreit von dem, was man Informationsgesellschaft nennt, also der hat nur noch ein Bezugssystem im Grundsätzlichen. Wenn er Zugriff hat auf seine Intelligenz, was ja nicht immer der Fall ist, oder was leider nur hin und wieder der Fall ist, dann sagt er Dinge von einer Klarheit, also da greife ich danach mit beiden Händen, und ich weiß, das ist wichtig und ich nehm das mit fürs Leben.“

Da greife ich danach mit beiden Händen, sagt der Sohn. Ich nehm das mit fürs Leben. Der Sohn empfängt etwas vom Vater. Von diesem Vater, der kaum weiß, wo er ist und wer er war. Der nur noch in kleinen und kleinsten Kreisen agieren kann. Der Vater, der ständig selbst Hilfe braucht. Aber anscheinend gehen die Hilfe, die Hoffnung und der Trost nicht nur in eine Richtung. Das angesprochene Zitat deutet an, in welcher Weise der Vater für den Sohn hilfreich sein konnte. Der Sohn ist Autor und Schriftsteller. Es ist keine leichte Sache, davon zu leben. Gerade, wie gesagt, begann er, erfolgreicher zu werden. Damit gehen zahlreiche Reisen und eine Rastlosigkeit und Ortlosigkeit einher, die erschöpfend und ermüdend sind. Dazu kommt das, was Arno Geiger Informationsgesellschaft nennt. Ein Strom von Nachrichten und Bildern, von Dokumentationen und Unterhaltungen, eben von Informationen und Inhalten ergießen sich in unsere Köpfe. Das Gehirn ist normalerweise ein leistungsfähiges Organ, aber es braucht mitunter auch Ruhe. Diese Ruhe wird aber in unserer heutigen Welt, in der Informationen auch ein ökonomischer Faktor sind, nur noch selten gewährt. Neben der Verarbeitung selbst müssen wir uns noch andauernd die Frage stellen, was ist wirklich wichtig, was brauche ich und was kann ich wirklich glauben von dem, was im Internet oder in der Zeitung steht. Fröhlichkeit und Lobgesang bleiben da häufig auf der Strecke, Häme, Hass und Gleichgültigkeit werden gefördert.
In dieser Welt ist es nicht leicht zu sagen, wo jemand sein zu Hause hat, woran er sich halten kann und wo er unwidersprüchlich seine Heimstatt hat. Genau genommen könnte man sagen, dass der Sohn sich ebenso fremd und heimatlos fühlt wie sein Vater, der das eigene Haus nicht mehr erkennt. Bis auf wenige Augenblicke, die ihm eine Klarheit der Rede schenken, die der Sohn selbst als eine Gabe empfindet und empfängt. In diesen kurzen Augenblicken gewährt der Vater Einblick in eine Welt, die von Ruhe und Klarheit erfüllt ist und erlöst den Sohn von seiner Rastlosigkeit.

Wer sich auf die Suche nach Gott macht und ernsthaft nach ihm fragt, wird einer Welt begegnen, die ihm fremd ist. Umgekehrt könnte es aber auch sein, dass wir in jeder Begegnung mit einer fremden Welt Gott finden können. Denn nicht umsonst suchen wir ja eine Alternative zu dem, was uns die Haare grau werden lässt. All der Kummer der Welt, all die Krisen und Katastrophen, all das große Unrecht und Leid das uns bedrückt und uns alt aussehen lässt, können wir ja nicht als erstrebenswert erachten. Wenn wir also dieser Welt fremd werden, könnte es sein, dass wir einen Blick erhaschen, der uns darüber hinaus hilft, dorthin, wo Fröhlichkeit und Lobgesang Platz haben. Der Vater ist so eine fremde Welt und in diesem Sinne Gott näher als jeder junge, klardenkende und erfolgreiche Mensch. Vielleicht war es auch die schriftstellerische Neugier des Sohnes, die es ihm ermöglichte, die Welt des Vaters genauer zu erkunden und dabei einen Blick auf den Himmel zu werfen.
Es könnte also sein, dass wir da Gott finden, der viel Verständnis zeigt für eine ihm fremd gewordene Welt.

Amen.

  • Vieles in Frage gestellt – Miteinander und füreinander beten

Barmherziger Vater,
im Alter werden wir mit Lebensfragen konfrontiert,
die vieles in Frage stellen.
Nicht nur unser eigenes Leben
sondern auch das, was in dieser Welt uns wichtig erscheint.
Wenn wir nicht mehr können, was wir bisher vermochten,
brauchen wir geduldige und verständnisvolle Hilfe.
In unseren Zeiten sind wir dabei
nicht nur auf unsere Familien und Freunde angewiesen,
sondern auch auf ein Pflege- und Gesundheitssystem,
das oft an seine Grenzen gerät.
So bitten wir dich,
begleite jeden Menschen, der seine Kräfte verliert und Hilfe braucht,
stehen allen Menschen bei, die sich in der Pflege und Begleitung engagieren,
gib ihnen die Geduld und Einsicht, die sie brauchen,
um jenen beizustehen, die ihnen anvertraut sind.
Und gib den Verantwortlichen in der Politik
die Einsicht, dass sie die Notwendigkeit erkennen,
wie aufwändig und kräftezehrend es ist,
diese Hilfe zu leisten.
Wenn unsere Mütter und Väter Hilfe brauchen,
beten wir mit Worten an den Vater.

Vater unser im Himmel,
geheiligt werde Dein Name.
Dein Reich komme.
Dein Wille geschehe,
wie im Himmel, so auf Erden.
Unser tägliches Brot gib uns heute.
Und vergib uns unsere Schuld,
wie auch wir vergeben unsern Schuldigern.
Und führe uns nicht in Versuchung,
sondern erlöse uns von dem Bösen.
Denn dein ist das Reich und die Kraft
und die Herrlichkeit in Ewigkeit.
Amen.

  • Segen

Es segne und behüte uns der allmächtige und barmherzige
Gott, Vater, Sohn und Heiliger Geist.
Er bewahre uns vor Unheil und führe uns zum ewigen Leben.
Amen.

(Pfr. Olaf Wisch)

Kantate (07.05.)2023

  • Psalm 98

Singet dem Herrn ein neues Lied,
denn er tut Wunder.
Er schafft Heil mit seiner Rechten
und mit seinem heiligen Arm.
Der Herr lässt sein Heil verkündigen;
vor den Völkern macht er seine Gerechtigkeit offenbar.
Er gedenkt an seine Gnade und Treue für das Haus Israel, aller Welt Enden sehen das Heil unsres Gottes.
Jauchzet dem Herrn, alle Welt,
singet, rühmet und lobet!
Lobet den Herrn mit Harfen,
mit Harfen und mit Saitenspiel!
Mit Trompeten und Posaunen
jauchzet vor dem Herrn, dem König!
Das Meer brause und was darinnen ist,
der Erdkreis und die darauf wohnen
Die Ströme sollen frohlocken,
und alle Berge seien fröhlich vor dem Herrn; denn er kommt, das Erdreich zu richten.
Er wird den Erdkreis richten mit Gerechtigkeit und die Völker, wie es recht ist.

  • Lied: „Du meine Seele singe“ (EG 302)

1. Du meine Seele, singe,
wohlauf und singe schön
dem, welchem alle Dinge
zu Dienst und Willen stehn.
Ich will den Herren droben
hier preisen auf der Erd;
ich will Ihn herzlich loben,
solang ich leben werd.

4. Hier sind die treuen Sinnen,
die niemand Unrecht tun,
all denen Gutes gönnen,
die in der Treu beruhn.
Gott hält Sein Wort mit Freuden,
und was Er spricht, geschieht,
und wer Gewalt muss leiden,
den schützt Er im Gericht.

5. Er weiß viel tausend Weisen,
zu retten aus dem Tod,
ernährt und gibet Speisen
zur Zeit der Hungersnot,
macht schöne rote Wangen
oft bei geringem Mahl;
und die da sind gefangen,
die reißt Er aus der Qual.

8. Ach, ich bin viel zu wenig,
zu rühmen Seinen Ruhm;
der Herr allein ist König,
ich eine welke Blum.
Jedoch weil ich gehöre
gen Zion in Sein Zelt,
ist’s billig, dass ich mehre
Sein Lob vor aller Welt.

  • Lesung aus dem Alten Testament 1.Sam. 16,14-23

Der Geist des Herrn aber wich von Saul, und
ein böser Geist vom Herrn verstörte ihn.
Da sprachen die Knechte Sauls zu ihm: Siehe, ein böser Geist von Gott verstört dich.
Unser Herr befehle nun seinen Knechten, die vor ihm stehen, dass sie einen Mann suchen, der auf der Harfe gut spielen kann, damit, wenn der böse Geist Gottes über dich kommt, er mit seiner Hand darauf spiele, und es besser mit dir werde.
Da sprach Saul zu seinen Knechten: Seht nach einem Mann, der des Saitenspiels kundig ist, und bringt ihn zu mir.
Da antwortete einer der jungen Männer und sprach: Ich habe gesehen einen Sohn Isais, des Bethlehemiters, der ist des Saitenspiels kundig, ein tapferer Mann und tüchtig zum Kampf, verständig in seinen Reden und schön, und der Herr ist mit ihm.
Da sandte Saul Boten zu Isai und ließ ihm sagen: Sende deinen Sohn David zu mir, der bei den Schafen ist.
Da nahm Isai einen Esel und Brot und einen Schlauch Wein und ein Ziegenböcklein und sandte es Saul durch seinen Sohn David.
So kam David zu Saul und diente ihm. Und Saul gewann ihn sehr lieb, und er wurde sein Waffenträger.
Und Saul sandte zu Isai und ließ ihm sagen: Lass David mir dienen, denn er hat Gnade gefunden vor meinen Augen.
Wenn nun der Geist Gottes über Saul kam, nahm David die Harfe und spielte darauf mit seiner Hand. So erquickte sich Saul, und es ward besser mit ihm, und der böse Geist wich von ihm.

  • Predigt

Gnade sie mit euch und Friede von dem der da war, der da ist und der da kommen wird.
Liebe Gemeinde,
Die Knechte Sauls sorgen sich um ihren König. Irgendetwas muss passieren. So geht es nicht weiter. Alles zureden, vielleicht auch Hinweise auf das Tagesgeschäft oder die Erinnerung an seine Gottesfurcht: Nichts scheint zu helfen. Der Geist des Herrn ist von Saul gewichen und ein Böser Geist, auch vom Herrn, ängstigte ihn. Saul steckt in einer Krise, einer Macht- und damit auch Lebenskrise. Gott hat sich von ihm abgewendet. Ein anderer soll König für Israel werden und der ist auch schon gesalbt – David der Hirtenjunge. Er lebt noch ohne viel Aufsehen zu erregen bei seiner Familie und hütet die Schafe.

Die Knechte Sauls haben die rettende Idee und suchen einen Harfenspieler. Musik – könnte Saul helfen, wenn alle Worte ihn nicht mehr erreichen. So kommt David an Sauls Hof: Der David, der später selbst der berühmte König wird. Er beginnt seine Karriere am Hofe Sauls als Musiker, der die Seele des Königs berührt und aufheitert.
Der David, dem Saul bald aus Neid nach dem Leben trachtet und bis zu seinem Lebensende mit ihm in Konkurrenz um den Platz als König lebt.

Mit Musik dringt David zu Saul durch. Mit der Musik der Harfe. Worte trösten nicht, lösen nichts, haben keine Kraft. Es sind keine schlauen Ratschläge, keine Argumente, die Saul gegen seine Traurigkeit und Verzweiflung helfen.

Es ist die Musik, die sein Herz und seine Seele erreichen.
Es ist die Musik, die einen Raum eröffnet und ihm Kraft gibt, sich mit dem bösen Geist, den Gott auf ihn gelegt hat, auseinanderzusetzen.

Sie führt ihn aus seiner Situation heraus – in der er mit seinem Machtverlust umgehen muss, in der seine Pläne und seine Anerkennung, seine ganze Lebensleistung in Frage gestellt wird.
In der er an seine Grenzen gestoßen ist. In der er auch enttäuscht von Gott ist, der seine Zusage für das Königsamt einem anderen gegeben hat. Nämlich dem, der ihm jetzt mit seinem Harfenspiel sehr gut tut.

Die Musik, die zwischen den beiden erklingt, schafft einen konkurrenzfreien Raum zwischen David und Saul. Keiner von beiden muss hier der Held sein. David, der sich bald als begnadeter Krieger und kluger König zeigt, ist hier der Sänger und Harfenspieler. Er überstrahlt Saul in dieser Situation nicht. Er hilft und unterstützt ihn. Er steht ihm bei. Jetzt wo Saul damit fertig werden muss, sich von seinem Amt zu lösen und auszuhalten, dass Gott jemanden anderen für diese Aufgabe erwählt hat.

Liebe Gemeinde, die Geschichte ist wie eine Momentaufnahme, bevor der große Konkurrenzkampf zwischen David und Saul beginnt. Wie die Stille vor dem Sturm eines langen konfliktreichen und schmerzhaften Weges. Der Weg, auf dem Saul zurücktreten und David nach vorne treten muss. Der Weg, auf dem David viel zufällt und Saul krampfhaft an seinem Erfolg festhalten will und sich vom Neid gegenüber David leiten lässt.
Mir kam der Gedanke – Hätten sie doch einfach weiter zusammengesessen und Davids Harfenmusik gelauscht! Dann wäre doch alles gut geworden. Weniger Neid! Weniger Rachegedanken und Gewaltandrohungen! Aber so ist das Leben nicht, nicht nur bei David und Saul.
Aber über die Musik öffnet die Tür, dass David an seinen Hof kommt, ihm dient und Saul ihn lieb gewinnt.

Davids Musik schafft für Saul eigene Räume, Momente für seine Gefühle, für die guten und die bösen Geister in ihm, für Freude und Wut, für seine Sehnsucht nach Heil- und Ganz sein. Sie hat etwas Unverfügbares.
Sie reicht weiter als unsere Worte. Sie kann Gefühle aufnehmen oder für unsere Gefühle zum Ausdruck werden, ohne, dass wir sie aussprechen müssen.

Ich muss an einen Gottesdienst in der Gesundbrunnengemeinde denken. Durch die Pandemie hatten wir lange keine Gottesdienste gefeiert und die Kirche zum stillen Gebet aufgehalten. Und dann durften wir in einem Advents- Gottesdienst Musik von einem Streichquartett hören – diese Musik konnte mehr aufnehmen und ausdrücken als alle Worte es getan hätten – nach dieser langen Zeit der Stille.

Am Sonntag Kantate – ein schöner Gedanke – den die Geschichte von David und Saul uns heute ans Herz legt.
Wir brauchen Musik für unsere Seele.
Und sie hat ihre eigene Sprache und sie geht ihre eigenen Wege. Sie bleibt unverfügbar – wie unser Glaube auch.
Musik, die uns für einen Moment aus allem heraus nimmt, was wir gerade durchzustehen, auszuhalten, zu klären haben.
Oder alles aufnimmt was in uns ist und nicht in Worte gefasst werden kann.
Musik, die uns wieder in Beziehung zu uns selbst und auch zu Gott bringt.
Musik die eine ganz eigene verwandelnde Kraft hat und eine Atmosphäre schafft, in der wir uns selber besser spüren können und in der wir uns auch Gott noch einmal anders öffnen können.

Liest man die sehr spannungsreiche Geschichte von Saul und David weiter – kann man sich fragen, was aus dieser besonderen Verbindung von David und Saul geworden ist, die in unserem Predigttext heute erzählt wird. Mir kam der Gedanke, ob es vielleicht die Erinnerung an diese nahen Momente war, die David zwei Mal haben Saul nicht töten lassen, als er dazu die Möglichkeit gehabt hätte.

Kantate – Singt! – der Sonntag heute lädt uns zum Dank und zur Freude über die Musik ein, als eine besondere Gabe Gottes für uns Menschen. Sie ist kein Beiwerk zum gesprochenen Wort, nicht nur Untermalung – sie erzählt selbst, auf ihre je eigene Art, und schafft wichtige Räume für unsere Gefühle und für unseren Glauben.

Und der Friede Gottes, der höher ist als all unsere menschliche Vernunft bewahre unsere Herzen und Sinne in Jesus Christus. Amen.

  • Fürbitte

Wir füllen unsere Lungen, öffnen Mund und Seele,
Wir singen zu dir, der du die Melodie des Lebens bist.
Im Gesang klingt auch unser Gebet.
Wir bitten dich erfülle unsere Herzen mit deinem Geist, damit wir dich loben.

Wir sehen die Not auf dieser Welt, die Gewalt und das Elend so vieler Menschen auf dieser Erde.
Der Krieg in der Ukraine will kein Ende nehmen. Die Menschen im Sudan verzweifeln, und fliehen wenn sie es können.
Wir singen dir die Klage unserer Trauer und Verzweiflung.
Wir bitten dich, höre die Klage und steh den Menschen bei die so viel Leid ertragen müssen.
Gib den Menschen, die Leid verhindern können, deinen Guten Geist, damit Versöhnungslieder erklingen.

Guter Gott, wir sehen auch die Menschen in unserer Gemeinde, deren Stimmen verstummt sind,
weil sie krank sind, weil sie verzagt sind und ihnen die Worte fehlen.
Wir bitten dich; lass sie nicht allein in ihrer Traurigkeit und Angst. Gib ihnen einen Stimme um
um Hilfe zu bitten und ein Lied, dass ihnen Mut macht. Lass uns erkennen wo wir zuhören,
helfen und mitsingen müssen.

Guter Gott; heute bitten wir dich besonders für all jene, die unsere Kirche und andere Kirchen
im Laufe des Sommers besuchen.
Behüte und bewahre alle Radfahrer in dieser Saison, die sich auf den Weg machen,
deine Schöpfung zu bestaunen und die in unseren offenen Kirchen Orte der Stille und der Einkehr, Orte deiner Nähe finden.
Sei bei unser Kirche, dass wir die Orte der Begegnung mit dir erhalten
und für alle offen halten können.
Gott, wir singen und wir bitten dich mit unseren Liedern:
Erhöre uns wenn wir dich für uns und unsere Nächsten bitten
Mit Jesu Worten beten wir:

Vater unser im Himmel,
geheiligt werde Dein Name.
Dein Reich komme.
Dein Wille geschehe,
wie im Himmel, so auf Erden.
Unser tägliches Brot gib uns heute.
Und vergib uns unsere Schuld,
wie auch wir vergeben unsern Schuldigern.
Und führe uns nicht in Versuchung,
sondern erlöse uns von dem Bösen.
Denn dein ist das Reich und die Kraft
und die Herrlichkeit in Ewigkeit.
Amen.

Segen

Es segne und behüte uns der allmächtige und barmherzige Gott,
Vater, Sohn und Heiliger Geist.
Er bewahre uns vor Unheil
und führe uns zum ewigen Leben. Amen.

(Ord. Gemeindepädagogin G. Ortmann, Vikarin Ch. Schulze-Gerlach)

Jubilate (30.04.)2023

  • Eröffnung

Am dritten Sonntag nach Ostern, am Sonntag Jubilate, begrüsst uns der Wochenspruch mit der Verheissung aus dem 2. Korintherbrief: „Ist jemand in Christus, so ist er eine neue Kreatur; das Alte ist vergangen, siehe, Neues ist geworden.“ Gottes Schöpfermacht zeigt sich in der Auferstehung Jesu Christi und in der Hoffnung für unser Leben.

  • Unsere Füße nicht gleiten – Ein Psalm (Ps 66,1-9)

Jauchzet Gott, alle Lande! /
Lobsinget zur Ehre seines Namens;
rühmet ihn herrlich!
Sprecht zu Gott: Wie wunderbar sind deine Werke!
Deine Feinde müssen sich beugen vor deiner großen Macht.
Alles Land bete dich an und lobsinge dir,
lobsinge deinem Namen. SELA.
Kommt her und sehet an die Werke Gottes,
der so wunderbar ist in seinem Tun an den Menschenkindern.
Er verwandelte das Meer in trockenes Land, /
sie gingen zu Fuß durch den Strom;
dort wollen wir uns seiner freuen.
Er herrscht mit seiner Gewalt ewiglich, /
seine Augen schauen auf die Völker.
Die Abtrünnigen können sich nicht erheben. SELA.
Lobet, ihr Völker, unsern Gott,
lasst seinen Ruhm weit erschallen,
der unsre Seelen am Leben erhält
und lässt unsere Füße nicht gleiten.

  • „In deiner Urständ fröhlich ist“ – Ein Lied (EG 110)

Die ganze Welt, Herr Jesu Christ,
Halleluja, Halleluja,
in deiner Urständ fröhlich ist.
Halleluja, Halleluja.

Das himmlisch Heer im Himmel singt,
Halleluja, Halleluja,
die Christenheit auf Erden klingt.
Halleluja, Halleluja.

Jetzt grünet, was nur grünen kann,
Halleluja, Halleluja,
die Bäum zu blühen fangen an.
Halleluja, Halleluja.

Es singen jetzt die Vögel all,
Halleluja, Halleluja,
jetzt singt und klingt die Nachtigall.
Halleluja, Halleluja.

Der Sonnenschein jetzt kommt herein,
Halleluja, Halleluja,
und gibt der Welt ein neuen Schein.
Halleluja, Halleluja.

Die ganze Welt, Herr Jesu Christ,
Halleluja, Halleluja,
in deiner Urständ fröhlich ist.
Halleluja, Halleluja.

  • Eine kleine Weile? – Worte aus dem Johannesevangelium (Joh 16,16-23a)

Noch eine kleine Weile, dann werdet ihr mich nicht mehr sehen; und abermals eine kleine Weile, dann werdet ihr mich sehen. Da sprachen einige seiner Jünger untereinander: Was bedeutet das, was er zu uns sagt: Noch eine kleine Weile, dann werdet ihr mich nicht sehen; und abermals eine kleine Weile, dann werdet ihr mich sehen; und: Ich gehe zum Vater? Da sprachen sie: Was bedeutet das, was er sagt: Noch eine kleine Weile? Wir wissen nicht, was er redet.
Da merkte Jesus, dass sie ihn fragen wollten, und sprach zu ihnen: Danach fragt ihr euch untereinander, dass ich gesagt habe: Noch eine kleine Weile, dann werdet ihr mich nicht sehen; und abermals eine kleine Weile, dann werdet ihr mich sehen? Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Ihr werdet weinen und klagen, aber die Welt wird sich freuen; ihr werdet traurig sein, doch eure Traurigkeit soll zur Freude werden.
Eine Frau, wenn sie gebiert, so hat sie Schmerzen, denn ihre Stunde ist gekommen. Wenn sie aber das Kind geboren hat, denkt sie nicht mehr an die Angst um der Freude willen, dass ein Mensch zur Welt gekommen ist. Auch ihr habt nun Traurigkeit; aber ich will euch wiedersehen, und euer Herz soll sich freuen, und eure Freude soll niemand von euch nehmen. Und an jenem Tage werdet ihr mich nichts fragen.
Wort unseres Herrn Jesus Christus.

  • Fünf Fragen, oder; Fragen retten nicht die Welt. – Gedanken zum Johannesevangelium

Frage 1:
„Die etwas fragen / die verdienen Antwort“, heißt es in dem Gedicht Bertolt Brechts mit dem langen Titel: „Legende von der Entstehung des Buches Taoteking auf dem Weg des Laotse in die Emigration“. Ein Zöllner an der Grenze, (nicht zufällig wohl verwandelt Brecht den Grenzwächter in eine biblische Figur), fragt nach der Weisheit des Weisen und aus der Frage entsteht das Buch mit 81 Sprüchen. Die letzte Strophe hält deshalb fest: Aber rühmen wir nicht nur den Weisen / Dessen Name auf dem Buche prangt! / Denn man muss dem Weisen seine Weisheit erst entreißen. / Darum sei der Zöllner auch bedankt: / Er hat sie ihm abverlangt.
Brecht legt damit nahe, dass die Dinge erst werden und uns zueigen, wenn wir sie fragend abverlangen; dass die Dinge nicht in der bloßen Aussage stecken sondern vielmehr erst im Gespräch, im Dialog, im Frage-und-Antwort-Spiel zutage treten. Die Jünger fragen und Jesus antwortet.

Frage 2:
Fragen, Fragen, immer nur Fragen.
unsichtbar wird der Honig im Magen
Gib mir ein Rätsel auf; ich werde sagen:
’Da mußt du jemand anders fragen’.

Pu der Bär antwortet so dem melancholischen Esel I-Ah mit einem Gedicht. I-Ahs Frage klingt so: „Der alte graue Esel, I-Ah, stand allein in einem distelbewachsenen Winkel des Waldes, die Vorderbeine gespreizt, den Kopf auf eine Seite gelegt, und dachte über alles nach. Manchmal dachte er traurig bei sich: Warum?, und manchmal dachte er: Wozu?, und manchmal dachte er: Inwiefern? -, und manchmal wußte er nicht so recht, worüber er nachdachte.”
Pus Antwort weicht da eher aus; da musst du jemand anders fragen; und doch wiederum nicht. Pu der Bär widerspricht Brecht. Er braucht die Fragen nicht, er nimmt die Welt, wie sie ist; und gerade das ist sein Glück. Dieses Glück endet tragisch für Christopher-Robin, der kindlich-menschlichen Figur des Buches mit dem Beginn der Schule. Das Frage-Antwort-Spiel ist das Spiel im Ernst des Lebens und gar kein Spiel mehr. Fragen dienen, ganz wie es Brecht vorschlägt, der Erweiterung des Wissens, des Erkennens und der Einsicht, aber sie entzaubern die Wirklichkeit der sorglosen Kindheit in die Kleinlichkeit des täglichen Existenzkampfes. Eine Vertreibung aus dem Paradies.

Frage 3:
Ist gar keine. Der Predigttext endet mit der Fraglosigkeit. So sagt es Jesus. Mitten in einer Welt, die von Fragen überquillt. Und an jenem Tage werdet ihr mich nichts fragen. Am Ende wird hier also eine Aussicht gewährt, die dem Paradieszustand der Pu’schen Kinderwelt sehr nahe kommt. Die Dinge sind, wie sie sind, gut. Mit dem Wort aus dem Römerbrief von der neuen Kreatur ließe sich auch sagen, nicht neu ist diese Kreatur, sondern wieder in ihren ursprünglichen Zustand versetzt worden. Eine Welt der Fraglosigkeit, die in der realen Welt nur schwer zu fassen ist. Eigentlich haben wir keine Worte für das Paradies. Es sind nur Bilder und anschauliche Beispiele, wie das, was Jesus wählt: die Geburt eines Kindes unter Schmerzen erfährt einen fraglosen Moment, wenn die Mutter ihr Kind in den Armen hält. Dann ist alle Mühsal vergessen. Gleichzeitig erinnert dieses Bild auch an das Paradies vom Anfang der Bibel. Die Vertreibung geht ja mit dem Fluch einher, dass die Frau von nun an unter Schmerzen gebären wird. Mitten im Fluch liegt dann der Segen für Augenblicke der Schmerzlosigkeit, den Jesus als einen Moment der Fraglosigkeit kennzeichnet.

Frage 4:
Auch die Jünger haben eine Frage: Da sprachen sie: Was bedeutet das, was er sagt: Noch eine kleine Weile? Aus unserer Perspektive hat diese Frage den Charakter der Unbeantwortbarkeit. Das liegt in diesem Fall nicht daran, dass keiner da wäre, der die Frage beantworten könnte. Die Jünger verstehen nur die Antwort nicht. Gott ist Mensch geworden, der Retter hat die Welt erlöst; aber nun verschwindet er wieder. Der auferstandene Christus konzentriert sich auf seine himmlische Wirklichkeit und lässt die Jünger mit ihren Weltfragen zurück. Er wird wieder unsichtbar, wie der Honig im Magen. Er verlässt uns nicht, aber er ist mit menschlichen Augen dann nicht mehr zu sehen. Die Jünger sind noch nicht so weit. Sie brauchen noch eine kleine oder lange Weile. Ihr Fragen führt sie nicht zum Ziel, obwohl sie dem Beispiel des Zöllners im Brechtschen Gedicht folgen. Jesu Antwort ist vage, ist eine vage Hoffnung und eine vage Auskunft, die ganz auf Vertrauen setzt, das wir Glauben nennen. Erfahrbar ist dieser Glaube in den kurzen Augenblicken reiner Liebe, die uns von den Fragen erlöst. Kurz nach der Geburt. In der sorglosen Kindheit. Da ist alles gut. Paradiesisch.

Frage 5:
Die unbeantwortbaren Fragen sind I-Ah-Fragen: Warum bin ich hier? Was ist der Sinn des Lebens? Warum ist mir das passiert? Warum muss ich die Welt der Kindheit verlassen und in die Welt der Erwachsenen gehen, die unaufhörlich Fragen zeitigt? Die unaufhörlich das Elend der Welt vergegenwärtigt, das schmerzhaft aus dem Willen und den Taten der Menschen geboren wird. Wozu soll das gut sein? Ebenso vage wie diese Fragen sind die Antworten darauf. Auch die Antwort des Glaubens wird dem Bedürfnis nach klaren Antworten nicht gerecht. Es bleibt ein unablässiges Fragen und Antworten, ein unablässiges Gespräch. Von den Momenten der Fraglosigkeit abgesehen, ist dennoch dieses Gespräch der beste Grund der Hoffnung. Das ist der Geist der christlichen Gemeinde, dass hier Fragen Platz haben, die nicht endgültig beantwortbar sind. Dennoch treiben sie uns ja um. Dennoch stellen wir sie. Die beste und vorläufige Antwort darauf ist die Liebe untereinander, die genau da beginnt, wo wir diesen Fragen nicht ausweichen, sondern ihnen Raum gewähren, ihnen Geduld widmen und sie zulassen. Paradox klingt das. Ein Moment der Fraglosigkeit mitten im Fragen.
Jesus weicht dem nicht aus. Er stellt eine Welt, eine himmlische Welt in Aussicht, die eine vollständige Antwort enthält auf die Fragen der irdischen Welt: Auch ihr habt nun Traurigkeit; aber ich will euch wiedersehen, und euer Herz soll sich freuen, und eure Freude soll niemand von euch nehmen.
Fragen retten nicht die Welt. Aber sie geben Anlass, den Fragenden nicht allein zu lassen, ihn frag-würdig sein zu lassen, die eigenen Fragen darin gespiegelt zu sehen und darauf zu hoffen, dass unser Glauben darin bestärkt wird, in der Liebe schlußendlich die Antwort zu finden.

Amen.

Zu Pu der Bär: https://www.solvitur.de/archives/18-KANN-EIN-ESEL-TRAGISCH-SEIN.html

Zu Brecht: https://www.deutschelyrik.de/legende-von-der-entstehung-des-buches-taoteking-auf-dem-weg-des-laotse-in-die-emigration.html

  • Hoffnungsvolle Fragen – Miteinander und füreinander beten

Gott hat diese Erde gut geschaffen. Aber noch sehen wir oft nicht, was sie einmal sein kann, so sehr ist sie gezeichnet von Zerstörung, Krieg und Gewalt. Derzeit schauen wir sprachlos auf das Geschehen im Sudan, täglich sterben Menschen in den Kampfhandlungen der verfeindeten bewaffneten Truppen, die Versorgung mit Nahrungsmitteln und Medikamenten ist enorm schwierig. Vielen Menschen ist die Flucht ins Ausland gelungen, viele bleiben zurück und sind vielfach auf sich allein gestellt.
In unserer Ohnmacht verstummen selbst die Fragen, erst recht die Antworten.
Deshalb, Gott, bitten wir dich,
Lass die Fragen nicht verstummen, auch wenn wir uns nach der Fraglosigkeit sehnen.
Lass das Klagen nicht verstummen, auch wenn uns unser Vertrauen manchmal verlässt.
Lass die Antworten nicht verstummen, auch wenn sie unvollkommen sind, nicht ausreichen und immer wieder neu gefunden werden müssen.
Lass uns diese hoffnungsvollen Fragen und die Antworten des Glaubens in den Taten der Liebe entdecken und finden.
In Jesus Christus. Mit seinen Worten beten wir:

Vater unser im Himmel,
geheiligt werde Dein Name.
Dein Reich komme.
Dein Wille geschehe,
wie im Himmel, so auf Erden.
Unser tägliches Brot gib uns heute.
Und vergib uns unsere Schuld,
wie auch wir vergeben unsern Schuldigern.
Und führe uns nicht in Versuchung,
sondern erlöse uns von dem Bösen.
Denn dein ist das Reich und die Kraft
und die Herrlichkeit in Ewigkeit.
Amen.

  • Segen

Es segne und behüte uns der allmächtige und barmherzige
Gott, Vater, Sohn und Heiliger Geist.
Er bewahre uns vor Unheil und führe uns zum ewigen Leben.
Amen.

(Pfr. Olaf Wisch)

Miserikordias Domini (23.04.)2023

  • Anfangen

In deinen Händen, Herr, steht unsere Zeit.
Denke an mich in deiner Gnade.
Erhöre mich und hilf mir. Amen.
Eröffnung
Der Wochenspruch für die neue Woche steht im Johannesevangelium Kapitel 10, Verse 11a, 27+28a.
Christus spricht: ich bin der gute Hirte. Meine Schafe hören meine Stimme, und ich kenne sie und sie folgen mir; und ich gebe ihnen das ewige Leben.

  • Lied: „Strahen brechen viele“ (Evangelisches Gesangbuch 268)

Strahlen brechen viele aus einem Licht. Unser Licht heißt Christus.
Strahlen brechen viele aus einem Licht- und wir sind eins durch ihn.l

Zweige wachsen viele aus einem Stamm. Unser Stamm heißt Christus.
Zweige wachsen viele aus einem Stamm- und wir sind eins durch ihn.

Gaben gibt es viele, Liebe vereint. Liebe schenkt uns Christus.
Gaben gibt es viele, Liebe vereint- und wir sind eins durch ihn.

Dienste leben viele aus einem Geist, Geist von Jesus Christus.
Dienste leben viele aus einem Geist- und wir sind eins durch ihn.

Glieder sind es viele, doch nur ein Leib. Wir sind Glieder Christi.
Glieder sind es viele, doch nur ein Leib- und wir sind eins durch ihn.

  • Psalm 23

Der Herr ist mein Hirte, mir wird nichts mangeln.
Er weidet mich auf einer grünen Aue und
führet mich zum frischen Wasser.
Er erquicket meine Seele.
Er führet mich auf rechter Straße um seines Namens willen.
Und ob ich schon wanderte im finstern Tal,
fürchte ich kein Unglück;
denn du bist bei mir, dein Stecken und Stab trösten mich.
Du bereitest vor mir einen Tisch im Angesicht meiner Feinde.
Du salbest mein Haupt mit Öl und schenkest mir voll ein.
Gutes und Barmherzigkeit werden mir folgen mein Leben lang,
und ich werde bleiben im Hause des Herrn immerdar.

  • Biblische Lesung: 1.Petrus 5,1-4

Die Ältesten unter euch ermahne ich,
der Mitälteste und Zeuge der Leiden Christi,
der ich auch teilhabe an der Herrlichkeit, die offenbart werden soll:
Weidet die Herde Gottes, die euch anbefohlen ist, und achtet auf sie,
nicht gezwungen, sondern freiwillig, wie es Gott gefällt,
nicht um schändlichen Gewinns willen, sondern von Herzensgrund,
nicht als solche, die über die Gemeinde herrschen,
sondern als Vorbilder der Herde.
So werdet ihr, wenn erscheinen wird der Erzhirte,
die unverwelkliche Krone der Herrlichkeit empfangen.

  • Gedanken zum Text

Liebe Gemeinde,
ist die Kirche noch zu retten? So war es vor einigen Wochen in der Tagespresse wie auch der Kirchenpresse zu lesen.
Schwindende Gemeindegliederzahlen durch Austrittswellen, weniger Taufen und Konfirmationen als Beerdigungen, Desinteresse an kirchlichen Angeboten (Gottesdiensten etc.), schwindende Religiosität (mit den Inhalten der kirchlichen Festzeiten weiß man nichts mehr anzufangen, sie mutieren zu Konsumfesten).
Die Landeskirchen versuchen mit Reformprgrammen Wege zu finden.
Das macht vielen Angst oder führt zur Frustration.
Den Bibeltext für die heutige Predigt könnte ein Gemeindeberater geschrieben haben, der sich mit Ängsten und Zukunftsfragen auskannte.
Er ist schon etwas älter. Seine Erfahrrungen hat er um die Jahrhundertwende des 1. Jahrhunderts gemacht.
Schon damals hat er Gemeinden Mut gemacht, sich ihren Ängsten zu stellen. Er gibt denen, die sich schon damals fragten:
Gibt es für uns Christen noch eine Zukunft? Wie soll es weitergehen? eine Gebrauchsanweisung.
Eine Antwort hören wir im 1. Petrusbrief 5, 1 – 4.
Die Ältesten unter euch ermahne ich: Weidet die Herde Gottes bei euch – nicht gezwungen sondern freiwillig, so wie Gott es will; nicht gewinnsüchtig, sondern aufopfernd; auch nicht als Herren, die über ihren Pfründen verfügen, sondern als Vorbilder für die Herde.
Dann werdet ihr auch, wenn der Erzhirte (Christus) erscheinen wird, mit einem unverwelklichen Kranz von Herrlichkeit geschmückt werden.
Und nun stellen sie sich vor; wir alle hier sitzen in einer Gemeindeversammlung zur Zukunft unserer Gemeinden.
Der Leiter, nennen wir ihn Petrus, will uns weiterhelfen. Er begrüßt uns: Liebe Gemeinde oder, heute am Sonntag des guten Hirten, liebe Schafe!
Ich denke, dass manche von uns da schon genug hat.
Wer will schon gern Schaf sein! Blökend alle brav hintereinander hergehen, auf den Hirten angewiesen, der den Weg vorgibt?
Nein, nicht mit uns!
Doch dann zitiert Petrus den Psalm 23 und die vertrauten Worte wecken ein wohliges Gefühl in mir.
Der Herr ist mein Hirte! Wie gut tut es, sich Gott als kümmernden sich sorgenden mich begleitenden Hirten vorzustellen. Der meine Seele erquickt. Und ob ich schon wanderte im finsteren Tal fürchte ich kein Unglück. Du bist bei mir. Dein Stecken und Stab trösten mich.
Und es geht noch weiter.
Petrus erzählt vom verlorenen Schaf, dem Gott nachgeht, weil es ihm wichtig ist.
Er gesteht uns: Diese Bilder gehören zu mir und zu allen meiner Zeit.
Schaf und Hirte.
Während ich zuhöre denke ich: Wie gut muss das tun, Menschen zu begegnen, die sich um mich kümmern, die sich für mich einsetzen, die wollen, dass es mir gut geht.
Aber seine nächsten Worte machen mich stutzig.
Und deshalb bitte ich euch, die ihr heute lebt: Schlüpft in die Rolle der Hirten, seid die, die aufeinander achten. Weidet die Schafe.
Aber, wie gelingt das lieber Petrus, wie geht das, Schaf und Hirte zugleich zu sein?!
Seine Antwort: Tut es freiwillig, aus freien Stücken, nicht aus Zwang oder weil es sich so gehört.
Tut es nicht, weil ihr euch dabei etwas verdienen könnt, nein tut es von Herzen
In der Freiheit, die uns Gott gegeben und die uns Christus vorgelebt hat.
Ja, aber es muss doch gespart und gekürzt werden, sonst sind wir bald handlungsunfähig. Ein bisschen Gewinn wäre nicht schlecht (für unseren Gemeindehausumbau z.B.)
Gut, stimmt Petrus mir zu. Aber kannst du auch über den eigenen Kirchturm hinausblicken – auf eine Zukunft mit den anderen,
in der man aufeinander achtet?
Und dann ist da noch die Sache mit dem Herrschen.
Wer hat das Sagen, wer bestimmt, wo es lang geht?
Lasse ich die anderen hinter mir und fühle mich als Sieger?
Dann wird das eigene ICH gestreichelt – Aber wie viel unnötiger Streit ergibt sich daraus.
„Ich bin jetzt Bestimmer“, sagt das Kindergartenkind.
„Ich will das Nachbarland besetzen“, sagt der Diktator
und tut es auch.

Wenn wir lebendige Gemeinde der Zukunft sein wollen, dann geht es nicht darum, wer das Sagen hat, wer die wichtigsten Posten bekommt sondern darum Vorbild zu sein.
Wie kann ich handeln, damit ich Vorbild für andere bin.
Das ist die Leitfrage der Gemeindearbeit.
Überzeugen, weil ich selbst überzeugt bin, Herzen erreichen, weil ich vom Herzensgrund her Gemeinde lebe.
Wir, hier im Süden von Halle stehen vor dieser Aufgabe –
mit der Gründung unseres Kirchengemeindeverbandes.
Wie wollen wir als drei unterschiedliche Gemeinden miteinander leben.
Wie können wir unseren Gemeindegliedern Lust aufs Kennenlernen der jeweils anderen machen.
Wie bewältigen wir Schwierigkeiten z.B. der Erreichbarkeit der einzelnen Kirchen für Menschen, die auf die öffentlichen Verkehrsmittel angewiesen sind. Nicht jede Gemeinde hat die Haltestelle direkt vorm Haus so wie wir.
Wie klappt es mit den Informationen über Veranstaltungen aber auch über Freuden und Schwierigkeiten bei den anderen.
Und, und, und…..
Das sind Aufgaben, die, denke ich, mit gutem Willen und Engagement zu bewältigen sind.
Aber eben auch die „kniffligen“ Aufgaben. Wie wird der gemeinsame Haushalt so gestaltet, dass sich niemand zurückgesetzt oder gar übervorteilt sieht.
Das Bau- und notwendige Renovierungsaufgaben gut überlegt angegangen werden.
Das ist nur ein kleiner Teil der Aufgaben, die vor uns liegen und an deren Erledigung unser Handeln als Gemeinde gemessen werden wird.
Was würde unser Moderator Petrus dazu sagen?
Er würde uns Mut machen.
Natürlich springt am Ende auch etwas dabei heraus.
Nicht ohne Lohn gehen wir nach Hause,
wenn uns Gemeinde so gelingt:
Freiwillig, von Herzen, als Vorbilder.
Ich verspreche euch: Eine Krone – wahlweise ein Siegeskranz.
Unverwelklich, ja unkaputtbar.
Und zwar vom Oberhirten persönlich überreicht.
Einen Siegeskranz der Herrlichkeit Schwer vorstellbar ist dieser Preis. Aber stolz und glücklich darf mich dieser Preis machen.
Unverwüstlich.
Ein Preis, der nicht in einer Vitrine verstaubt, sondern mein Leben erhellt.
Ist die Kirche noch zu retten?
Wie Kirche in 20 Jahren aussieht weiß ich nicht und ob Kirchenmitgliedschaft und Gebäude dann noch eine Rolle spielen, weiß ich auch nicht.
Aber eines weiß ich ganz sicher.
Das Bild von Gott gilt auch in 20, 50 oder 500 Jahren.
Und es ist mehr als ein Bild.
Petrus sagt es in schönen Worten so:
„Alle eure Sorge werft auf ihn; denn er sorgt für euch.
Christus wird euch, die ihr eine kleine Zeit leidet, aufrichten, stärken, kräftigen gründen.“ (1.Petrus 5,7)
Und auch so: „Dient einander, ein jeder mit der Gabe, die er empfangen hat, als die guten Haushalter der mancherlei Gnade Gottes. (1.Petrus 4,10).
Dann mache ich mir keine Sorge um die Kirche. Als Gemeinschaft derer, die Gott vertrauen und einander zum Hirten werden.
Amen.

  • Fürbitte

Gott, du guter Hirte,
sieh doch den Mangel, den so viele leiden:
den Mangel an Nahrung, den Mangel an Liebe und Vertrauen zu dir.
Sieh die Müden, sieh die Getriebenen,
die auf falschen Wegen gehen immer weiter weg von dir.
Vergiss nicht, die in Angst leben müssen, deren Leben unglücklich ist
und die keinen Trost mehr finden, auch nicht bei dir.
Denk an die Zerissenen, an die Ungeliebten,
an die, die keine Bleibe haben, auch nicht in deinem irdischen Haus.
Du guter Hirte, so oft fühlen wir uns verloren!
Such uns, bring uns zurück zu dir und erbarme dich über uns.
Vaterunser im Himmel.
Geheiligt werde dein Name. Dein Reich komme.
Dein Wille geschehe, wie im Himmel, so auf Erden.
Unser tägliches Brot gib uns heute.
Und vergib uns unsere Schuld,
wie auch wir vergeben unseren Schuldigern.
Und führe uns nicht in Versuchung, sondern erlöse uns von dem Bösen.
Denn dein ist das Reich und die Kraft
und die Herrlichkeit in Ewigkeit. Amen.

  • Segen

Es segne und behüte uns der allmächtige und barmherzige Gott,
Vater, Sohn und Heiliger Geist.
Er bewahre uns vor Unheil und führe uns zum ewigen Leben.
Amen.

(Gudrun Naumann)

Quasimodogeniti (16.04.)2023

  • Anfangen

In deinen Händen, Herr, steht unsere Zeit.
Denke an mich in deiner Gnade.
Erhöre mich und hilf mir.
Amen

  • Eröffnung

Der Wochenspruch für die neue Woche steht im ersten Brief des Petrus, 1,3: „Gelobt sei Gott, der Vater unseres Herrn Jesus Christus, der uns nach seiner großen Barmherzigkeit wiedergeboren hat zu einer lebendigen Hoffnung durch die Auferstehung Jesu Christi von den Toten. „

  • Ein Lied: Der schöne Ostertag (EG 117)

Der schöne Ostertag! Ihr Menschen, kommt ins Helle! Christ, der begraben lag, brach heut aus seiner Zelle. Wär vorm Gefängnis noch der schwere Stein vorhanden, so glaubten wir umsonst. Doch nun ist er erstanden, erstanden, erstanden, erstanden.

  • Worte aus Psalm 116

Das ist mir lieb, dass der Herr meine Stimme und mein Flehen hört.
Denn er neigte sein Ohr zu mir; darum will ich mein Leben lang ihn anrufen.
Stricke des Todes hatten mich umfangen,
des Totenreichs Schrecken hatten mich getroffen; ich kam in Jammer und Not.
Aber ich rief an den Namen des Herrn: Ach, Herr, errette mich!
Der Herr ist gnädig und gerecht, und unser Gott ist barmherzig.
Der Herr behütet die Unmündigen; wenn ich schwach bin, so hilft er mir.
Sei nun wieder zufrieden, meine Seele; denn der Herr tut dir Gutes.
Denn du hast meine Seele vom Tode errettet,
mein Auge von den Tränen, meinen Fuß vom Gleiten.
Ich werde wandeln vor dem Herrn im Lande der Lebendigen.
Ich glaube, auch wenn ich sage: Ich werde sehr geplagt.
Ich sprach in meinem Zagen: Alle Menschen sind Lügner.
Wie soll ich dem Herrn vergelten all seine Wohltat, die er an mir tut?
Ich will den Kelch des Heils erheben und des Herrn Namen anrufen.
Ich will meine Gelübde dem Herrn erfüllen vor all seinem Volk.
Der Tod seiner Heiligen wiegt schwer vor dem Herrn.
Ach, Herr, ich bin ja dein Knecht, ich bin dein Knecht, der Sohn deiner Magd;
du hast meine Bande zerrissen.
Dir will ich Dankopfer bringen und des Herrn Namen anrufen.
Ich will meine Gelübde dem Herrn erfüllen vor all seinem Volk
in den Vorhöfen am Hause des Herrn, in deiner Mitte, Jerusalem.

  • Predigttext 1. Mose 32,23-32

Und Jakob stand auf in der Nacht und nahm seine beiden Frauen und die beiden Mägde und seine elf Söhne und zog durch die Furt des Jabbok. Er nahm sie und führte sie durch den Fluss, sodass hinüberkam,
was er hatte. Jakob aber blieb allein zurück. Da rang einer mit ihm, bis die Morgenröte anbrach.
Und als er sah, dass er ihn nicht übermochte, rührte er an das Gelenk seiner Hüfte, und das Gelenk der Hüfte Jakobs wurde über dem Ringen mit ihm verrenkt. Und er sprach: Lass mich gehen, denn die Morgenröte bricht an. Aber Jakob antwortete: Ich lasse dich nicht, du segnest mich denn.
Er sprach: Wie heißt du? Er antwortete: Jakob. Er sprach: Du sollst nicht mehr Jakob heißen,
sondern Israel; denn du hast mit Gott und mit Menschen gekämpft und hast gewonnen.
Und Jakob fragte ihn und sprach: Sage doch, wie heißt du? Er aber sprach: Warum fragst du, wie ich heiße? Und er segnete ihn daselbst. Und Jakob nannte die Stätte Pnuël: Denn ich habe Gott von Angesicht gesehen, und doch wurde mein Leben gerettet. Und als er an Pnuël vorüberkam, ging ihm die Sonne auf; und er hinkte an seiner Hüfte.

  • Predigt

Liebe Gemeinde, immer wieder packt und fasziniert mich diese Geschichte von Jakobs Kampf am Jabbok mit diesem nicht näher beschriebenem Mann.
Sie hat etwas geheimnisvolles, auch wenn sich im Laufe der Geschichte auflöst, wer dieser Mann ist – Jakob kämpft, ringt dort an diesem Fluss, in dieser Nacht mit Gott. Aber das macht es nicht weniger spannend.
Mit Gott ringen, kämpfen eine ganz Nacht? Und ihn nicht loslassen, weil Jakob von ihm gesegnet werden will. Ich lasse dich nicht – du segnest mich denn.
Ein Kampf mit Gott, in dem Gott Jakob nicht überwältigen konnte, es gelang ihm nur die Hüfte zu schlagen. Ein Kampf mit Gott in dem Jakob als „Gewinner“ hervorgeht? Gesegnet, aber hinkend und körperlich gezeichnet, endet diese nächtliche Begegnung für Jakob. Was für eine Geschichte.
Tauchen wir etwas ein in Jakobs Geschichte:
Jakobs ringen mit Gott am Jabbok erzählt von einer Übergangssituation, von einer Krisensituation an einem Flussübergang. Jakob bringt seine Familie über den Fluss, alle die zu ihm gehören, Menschen und Tiere und er betritt als Letzter das neue Land an dem anderen Ufer. Er ist auf dem Weg zu seinem Bruder Esau, mit dem er seit dem Erschleichen des Erstgeburtssegens verstritten ist. Er will sich mit ihm versöhnen.
Er hatte seine Boten zu Esau geschickt und um Versöhnung gebeten, aber Esau antwortet darauf mit einem 400 Mann starken Heer, das Jakob entgegen zieht.
Jakob bleibt, nachdem er seine Familie über den Fluss gebracht hat, allein am Fluss zurück und sein Ringen mit Gott in dieser Nacht stelle ich mir vor als ein Ringen mit seiner ganzen Lebensgeschichte, die damit beginnt, dass er der zweitgeborene Zwilling ist. Die gezeichnet ist von der unterschiedlichen Liebe der Eltern zu ihren Kindern – Issak liebte Esau und Rebecca Jakob. Und von List und Betrug, als Jakob sich bei seinem blinden kranken Vater den so wichtigen Erstgeburtssegen erschleicht und dann fliehen muss vor der Wut seines Bruders. Bei seinem Onkel Laban dient er und arbeitet hart, gründet mit Lea und Rahel seine Familie und kommt am Ende auch zu Ansehen und Reichtum. Und dann flieht er auch von Laban, vor dem Neid der Söhne Labans.
Er flieht auf Gottes Geheiß in das Land seiner Väter. Er will zurück an den Anfang und dazu gehört für ihn, etwas in seinem Leben in Ordnung zu bringen. Das mit dem Segen in Ordnung zu bringen.
Es gibt Situationen im Leben, da ringen wir mit dem Weg den wir durchs Leben gegangen sind.
Oft sind das Umbruchszeiten, in denen sich in unserem Leben etwas verändert – eine Beziehung geht zu Ende, ein Lebensabschnitt, ein Umzug steht an, eine berufliche Veränderung und es wandelt sich etwas
außen und innen.
Manche Frage und Suche bricht auf. Da wird nochmal einiges, manchmal alles, auf den Prüfstand gestellt. Mein bisheriges Leben, Entscheidungen, die ich getroffen habe und unser Glaube hängt da meistens mit dran. Wenn Lebensfragen aufbrechen, brechen meist auch Glaubensfragen mit auf.
Bei Jakob ist es der Wunsch, ein eigenes Leben unabhängig von Laban zu führen und sein Verhältnis zu seinem Bruder in Ordnung zu bringen. Und in seine Heimat zurückzugehen.
Nicht selten ringen wir nachts mit diesen Lebensbilanzen – liegen wach, die Gedanken drehen sich. Manchmal fühlt es sich wie ein innerer Kampf an.
In dem sich Gedanken sortieren. Wünsche und Einsichten konkreter werden. Manchmal ist es auch ein Ringen mit Gott – warum stehe ich jetzt vor diesen Fragen, was wird jetzt der nächste Schritt, was wird mein Weg sein?
Jakob lässt diesen Mann mit dem er in dieser Nacht am Fluss kämpft nicht los. Er darf nicht gehen.
Weil Jakob in dieser Nacht etwas klar wird. Jakob ringt um den Segen. Um den er im Grunde seit seiner Geburt gekämpft hat.
Jetzt erschleicht und erkauft er ihn sich nicht. Er erbittet ihn, fordert ihn sich mit aller Kraft, in diesem Ringen mit Gott. Da an diesem Fluss.
Das braucht eine ganze Nacht.
Jakob hat gekämpft und gerungen. Jakob hat nicht aufgegeben. Und Gott ist da geblieben die ganze Nacht, als die Kraft Jakobs Wut und Ärger etwas entgegen hält, standhält. Ihn nicht überwältigt, bezwingt oder klein macht.
Gott bleibt ihm, Jakob, ist in dieser Nacht ein Gegenüber und er ist ihm sehr nah.
Körperlich nah.
Und am Morgen erst bekommt er ihn, den Segen und einen neuen Namen.
Israel – der mit Gott und den Menschen ringt und gewinnt. Nicht im Sinne eines Sieges über den anderen, er gewinnt etwas für sein Leben.
Gottes Segen, mit dem der Schmerz über das eigene Versagen auch über eine schwere Lebensgeschichte zu tragen, zu ertragen ist. Mit dem er an dieses andere Ufer und zu seinem Bruder gehen kann. Mit dem er Versöhnung wagen kann. Mit dem er seinen Lebensschmerz, die verrenkte Hüfte, annehmen kann.
Eine Mut machende und besondere Geschichte. Als Gesegnete dürfen wir aus Situationen hervorgehen, in denen wir mit Lebensfragen oder auch mit unserem Glauben ringen. Als Gesegnete und auch Gezeichnete – so eine Nacht, so eine Krise, hinterlässt Spuren, hinterlässt Erfahrungen, einige Kratzer und Risse in unserem Leben.
Mit der Geschichte von Jakob dürfen wir darauf vertrauen, dass wir in unseren Übergängen, Neuanfän-gen, in unsern Lebens- und Glaubenskrisen, in unserem Ringen mit dem Leben und mit unserem Glauben auf Gott hoffen dürfen – greifbar nah, als ein kraftvolles Gegenüber, dass unseren Fragen und Zweifeln
standhält. Als Gezeichnete und Gesegnete werden wir in das Licht des Morgens sehen dürfen. Amen

Und der Friede Gottes, der höher ist als unsere Vernunft bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus unserm Herrn.

  • Miteinander und füreinander beten

Jesus Christus, du bist von den Toten auferstanden.
Du lässt uns hoffen. Du tröstest.
Du machst alles neu. Bei dir ist das Leben.
Jesus Christus, wir bitten dich um Versöhnung.
Wir bitten dich um Hoffnung für alle, die im Streit liegen:
für zerstrittene Paare,
getrennte Familien,
einander bekämpfende Gemeinschaften.
Versöhne sie und gib ihnen ein neues lebendiges Herz.
Jesus Christus, wir bitten dich um Frieden.
Wir bitten dich um Hoffnung für alle, die sich vor der Zukunft fürchten:
für die jungen Menschen und ihre Pläne,
für die von Sorge um das tägliche Brot Zermürbten,
für die gequälte Schöpfung.
Hindere die zerstörerischen Kräfte und breite deinen Frieden aus.
Jesus Christus, du bist von den Toten auferstanden, damit wir leben.
Wir danken dir, wir loben dich,
wir bitten dich: Bleibe bei uns heute,
in diesen österlichen Tagen und alle Zeit.

Mit Jesu Worten bitten wir:

Vater unser im Himmel,
geheiligt werde Dein Name.
Dein Reich komme. Dein Wille geschehe,
wie im Himmel, so auf Erden.
Unser tägliches Brot gib uns heute.
Und vergib uns unsere Schuld,
wie auch wir vergeben unsern Schuldigern.
Und führe uns nicht in Versuchung,
sondern erlöse uns von dem Bösen.
Denn dein ist das Reich und die Kraft
und die Herrlichkeit in Ewigkeit. Amen.

  • Segen

Es segne und behüte uns der allmächtige und barmherzige Gott,
Vater, Sohn und Heiliger Geist.
Er bewahre uns vor Unheil und führe uns zum ewigen Leben.
Amen.

(Gemeindepädagogin Gunda Ortmann)

Ostern 2023

  • Eröffnung

Der Herr ist auferstanden, er ist wahrhaftig auferstanden! Mit dem Aufgang der Sonne läuft der Jubelruf der Christenheit um die Welt. Jesus Christus lebt. Gott erweist seine Macht, die stärker ist als der Tod. Gemeinsam wollen wir – voller Freude und Lachen – diese Macht Gottes und die Auferstehung Jesu feiern.

  • Ein Wunder vor unsern Augen – Worte nach Psalm 118

Der Herr ist meine Macht und mein Psalm
und ist mein Heil.
Man singt mit Freuden vom Sieg /
in den Hütten der Gerechten:
Die Rechte des Herrn behält den Sieg!
Die Rechte des Herrn ist erhöht;
die Rechte des Herrn behält den Sieg!
Ich werde nicht sterben, sondern leben
und des Herrn Werke verkündigen.
Der Herr züchtigt mich schwer;
aber er gibt mich dem Tode nicht preis.
Tut mir auf die Tore der Gerechtigkeit,
dass ich durch sie einziehe und dem Herrn danke.
Das ist das Tor des Herrn;
die Gerechten werden dort einziehen.
Ich danke dir, dass du mich erhört hast
und hast mir geholfen.
Der Stein, den die Bauleute verworfen haben,
ist zum Eckstein geworden.
Das ist vom Herrn geschehen
und ist ein Wunder vor unsern Augen.
Dies ist der Tag, den der Herr macht;
lasst uns freuen und fröhlich an ihm sein.

  • Es bricht ein Stein – Ein Lied: „Wir stehen im Morgen“ (EGE 5)

1. Wir stehen im Morgen. Aus Gott ein Schein
durchblitzt alle Gräber. Es bricht ein Stein.
Erstanden ist Christus.
Ein Tanz setzt ein.
Refrain
Halleluja, Halleluja, Halleluja,
es bricht ein Stein.
Halleluja, Halleluja, Halleluja,
ein Tanz setzt ein.

2. Ein Tanz, der um Erde und Sonne kreist:
Der Reigen des Christus, voll Kraft und Geist.
Ein Tanz, der uns alle dem Tod entreißt.

3. An Ostern, o Tod, war das Weltgericht.
Wir lachen dir frei in dein Angstgesicht.
Wir lachen dich an, du bedrohst uns nicht.

(Text: Jörg Zink)

  • Das ihr auch selig werdet – Epistel aus dem 1. Korintherbrief

Ich erinnere euch aber, Brüder und Schwestern, an das Evangelium,
das ich euch verkündigt habe, das ihr auch angenommen habt,
in dem ihr auch fest steht,
durch das ihr auch selig werdet, wenn ihr’s so festhaltet,
wie ich es euch verkündigt habe;
es sei denn, dass ihr’s umsonst geglaubt hättet.
Denn als Erstes habe ich euch weitergegeben,
was ich auch empfangen habe:
Dass Christus gestorben ist für unsre Sünden nach der Schrift;
und dass er begraben worden ist;
und dass er auferweckt worden ist am dritten Tage nach der Schrift;
und dass er gesehen worden ist von Kephas, danach von den Zwölfen. Danach ist er gesehen worden von mehr als fünfhundert Brüdern auf einmal, von denen die meisten noch heute leben, einige aber sind entschlafen. Danach ist er gesehen worden von Jakobus, danach von allen Aposteln.
Zuletzt von allen ist er auch von mir als einer unzeitigen Geburt gesehen worden. Denn ich bin der geringste unter den Aposteln, der ich nicht wert bin, dass ich ein Apostel heiße, weil ich die Gemeinde Gottes verfolgt habe.
Aber durch Gottes Gnade bin ich, was ich bin.
Und seine Gnade an mir ist nicht vergeblich gewesen,
sondern ich habe viel mehr gearbeitet als sie alle;
nicht aber ich, sondern Gottes Gnade, die mit mir ist.
Ob nun ich oder jene:
So predigen wir, und so habt ihr geglaubt.
(1. Korinther 15,1-11)

  • Alles auf den Kopf gestellt – Gedanken zum Korintherbrief

Liebe Gemeinde,

das Osterlachen ist eine altehrwürdige Tradition. Wikipedia verrät: „Zum Brauch gehörte es – insbesondere im Spätmittelalter –, dass der Priester am Ostertag von der Kanzel ein Ostermärlein, also eine erheiternde und nicht immer ganz einwandfreie Geschichte, erzählte oder eine improvisierte Schnurre zum besten gab.“ Diese Gelegenheit sei die einzige, die das Lachen in der Liturgie der Gottesdienste verankere, so der Artikel weiter. Nutzen wir also die Gelegenheit! Ich mache mich also auf die Suche nach einem Witz über den Apostel Paulus. Hm, gar nicht so einfach! Schließlich finde ich einen. Von Robert Gernhardt. Also keinen Witz, aber ein humoristisches Gedicht. Ob es predigttauglich ist? Das Gedicht mit dem Titel „Weils so schön war“ geht jedenfalls so:

„Paulus schrieb an die Apatschen:
Ihr sollt nicht nach der Predigt klatschen.

Paulus schrieb an die Komantschen:
Erst kommt die Taufe, dann das Plantschen.

Paulus schrieb den Irokesen:
Euch schreib ich nichts, lernt erst mal lesen.“

Aus Robert Gernhardts Gedicht lässt sich einiges lernen über Paulus und seine Briefe. Er schreibt an verschiedene Stämme oder Städte in einer für das junge Christentum eher „wilden“ Gegend; und meistens weil es ein Problem gibt. Daran erinnert auch der mahnende Ton, der sich oft in den Briefen des Paulus findet. In dem Gedicht wird unter anderem das Problem der christlichen Lebensführung angesprochen (nach der Predigt nicht klatschen – und auch nicht lachen?); die Voraussetzung, um zur Gemeinde Gottes zu gehören (Taufe, und zwar im Namen Christi!); und das Problem der angemessenen Kommunikation der Botschaft (lernt erst mal lesen). Auch der Brief an die Korinther ist davon geprägt. Es hatten sich verschiedene Gruppen herausgebildet, denen nicht ganz klar war, wer die Hauptrolle spielt im neuen Glauben. Strophen 2 und 3 wären hier auf jeden Fall einschlägig. Worauf kommt es an und wie ist es zu verstehen? Das sind Fragen, die Paulus – weniger scherzhaft – in seinen Briefen verhandelt. Um Verständlichkeit werbend nimmt Paulus die Auferstehung Jesu am Ende des Briefes als anschauliches Beispiel für eine der Grundlagen des Glaubens. Er ist wahrhaftig auferstanden, also vorher wirklich tot gewesen; und in seiner Menschlichkeit wieder auferweckt worden, nicht scheintot, nicht irgendwie als Geist oder Energie im Kosmos, sondern als Mensch aus Fleisch und Blut.
Zum einen führt Paulus einen Schriftbeweis an: dass Christus gestorben ist für unsre Sünden nach der Schrift; und dass er begraben worden ist; und dass er auferweckt worden ist am dritten Tage nach der Schrift.
Und zum anderen führt er eine Anzahl Zeugen an, Petrus, die Zwölf, 500 Brüder auf einmal, Jakobus, die Apostel – alles Männer, nun ja – und schließlich auch sich selbst.
Und diese Begegnung ist für ihn gar keine spaßhafte Angelegenheit. Es ist für ihn eine sehr persönliche Geschichte, die auf dramatische Weise vom Scheitern, Fallen und Wiederaufstehen erzählt. Die Auferstehung, die Freude bereiten, Hoffnung schenken und Seligkeit vermitteln soll, ist also für Paulus vor allem erst mal eine bewegte Lebensgeschichte. Mit großem Ernst trägt er sie vor. Es geht ja auch um Leben und Tod. Sein Vorbild hat so auch unser Sprechen, Beten und Predigen beeinflusst. „So predigen wir, und so habt ihr geglaubt.“, schreibt Paulus selbst. Kein Wunder also, dass das Lachen im Gottesdienst eine österliche Ausnahme ist.
Ich glaube aber, dass es darüber hinaus dort seinen Platz hat, auch wenn es eine „nicht immer ganz einwandfreie Geschichte“ ist. Denn um die Auferstehung wirklich zu begreifen und sich zu Herzen zu nehmen, braucht es auch Humor. Alle Zeugnisse, die wir von den Begegnungen mit dem auferstandenen Christus haben, verlaufen eher dramatisch. Und das liegt einfach daran, dass niemand, kein Mensch, weder die Frauen am leeren Grab, noch die Jünger auf dem Weg nach Emmaus, noch Paulus auf seinem Pferd, damit rechnet. Ihrer aller Leben wird durch diese Begegnung völlig verändert. Und wer sein Leben, seine Ansichten, seine Überzeugungen und Pläne allzu ernst nimmt, wird mit dieser Überraschung nicht fertig werden. Er wird ihr schlicht keinen Platz einräumen in seinem Leben.
Wer sich also auf diesen Glauben einlassen will, wird einerseits mit großem Ernst die Botschaft hören; und andererseits mit einem Lachen auf das schauen, woran er bisher geglaubt hat. Denn es ist eine frohe Botschaft, die alles auf den Kopf stellt: Christus ist auferstanden, er ist wahrhaftig auferstanden.

Amen.

(Verweise: https://de.wikipedia.org/wiki/Osterlachen; https://www.lyrikline.org/de/gedichte/weils-so-schoen-war-3051)

  • Wieder lachen – Miteinander und füreinander beten

Großer Gott im Himmel,

ja, es ist wahr, es gibt nicht viel zu lachen auf Erden.
Selbst an diesem Tag des Lebens,
des wiederauferstandenen Lebens,
herrscht der Tod, die Gewalt, die Krankheit, der Hunger.
Im vollen Ernst.

Deshalb bitten wir dich:

Störe den Ernst der Menschen,
die für ihre Überzeugungen über Leichen gehen;
die für ihre Bedürfnisse das Leid anderer Menschen ohne weiteres in Kauf nehmen;
die sich in ihren Geschichten und Plänen derart verfangen haben, dass sie keinen anderen Weg mehr sehen;
die den Glauben an Gott in Anspruch nehmen, um anderen Leid anzutun;
störe den Ernst dieser Menschen;
störe unseren Ernst, wenn wir dich und deine frohe Botschaft darüber vergessen.
Störe uns auf und lass uns wieder lachen.
Lass uns Zeugen sein deiner Auferstehung.

Amen.

Vater unser im Himmel,
geheiligt werde Dein Name.
Dein Reich komme.
Dein Wille geschehe,
wie im Himmel, so auf Erden.
Unser tägliches Brot gib uns heute.
Und vergib uns unsere Schuld,
wie auch wir vergeben unsern Schuldigern.
Und führe uns nicht in Versuchung,
sondern erlöse uns von dem Bösen.
Denn dein ist das Reich und die Kraft
und die Herrlichkeit in Ewigkeit.
Amen.

  • Segen

Es segne und behüte uns der allmächtige und barmherzige
Gott, Vater, Sohn und Heiliger Geist.
Er bewahre uns vor Unheil und führe uns zum ewigen Leben.
Amen.

(Pfr. Olaf Wisch)

Karfreitag 2023

  • Eröffnung

Jesus Christus – Gottes sichtbares Ebenbild erleidet Schmerz und Tod. Und wir sind daran beteiligt, fühlen mit, leiden mit und sind traurig an diesem Tag. Haben wir das verursacht? Und können wir etwas tun? Jesu Ruf „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?“ weiß um das Leiden in der Welt. Das wollen wir bedenken im Lied und in biblischen Worten.

  • Sei nicht ferne – Worte nach Psalm 22

Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?
Ich schreie, aber meine Hilfe ist ferne.
Mein Gott, des Tages rufe ich, doch antwortest du nicht,
und des Nachts, doch finde ich keine Ruhe.
Aber du bist heilig,
der du thronst über den Lobgesängen Israels.
Unsere Väter hofften auf dich;
und da sie hofften, halfst du ihnen heraus.
Zu dir schrien sie und wurden errettet,
sie hofften auf dich und wurden nicht zuschanden.
Ich aber bin ein Wurm und kein Mensch,
ein Spott der Leute und verachtet vom Volk.
Alle, die mich sehen, verspotten mich,
sperren das Maul auf und schütteln den Kopf:
»Er klage es dem Herrn, der helfe ihm heraus
und rette ihn, hat er Gefallen an ihm.«
Sei nicht ferne von mir, denn Angst ist nahe;
denn es ist hier kein Helfer.
Meine Kräfte sind vertrocknet wie eine Scherbe, /
und meine Zunge klebt mir am Gaumen,
und du legst mich in des Todes Staub.
Sie teilen meine Kleider unter sich
und werfen das Los um mein Gewand.
Aber du, Herr, sei nicht ferne;
meine Stärke, eile, mir zu helfen!

  • In meinen Arm und Schoß – Ein Lied: „O Haupt voll Blut und Wunden“ (EG 85)

1.
O Haupt voll Blut und Wunden,
voll Schmerz und voller Hohn,
o Haupt, zum Spott gebunden
mit einer Dornenkron,
o Haupt, sonst schön gezieret
mit höchster Ehr und Zier,
jetzt aber hoch schimpfieret:
gegrüßet seist du mir!

2.
Du edles Angesichte,
davor sonst schrickt und scheut
das große Weltgewichte:
wie bist du so bespeit,
wie bist du so erbleichet!
Wer hat dein Augenlicht,
dem sonst kein Licht nicht gleichet,
so schändlich zugericht’?

3.
Die Farbe deiner Wangen,
der roten Lippen Pracht
ist hin und ganz vergangen;
des blassen Todes Macht
hat alles hingenommen,
hat alles hingerafft,
und daher bist du kommen
von deines Leibes Kraft.

6.
Ich will hier bei dir stehen,
verachte mich doch nicht;
von dir will ich nicht gehen,
wenn dir dein Herze bricht;
wenn dein Haupt wird erblassen
im letzten Todesstoß,
alsdann will ich dich fassen
in meinen Arm und Schoß.

  • Es hat Gott gefallen – Worte aus dem Brief an die Kolosser

Er hat uns errettet aus der Macht der Finsternis
und hat uns versetzt in das Reich seines geliebten Sohnes,
in dem wir die Erlösung haben,
nämlich die Vergebung der Sünden.
Er ist das Ebenbild des unsichtbaren Gottes,
der Erstgeborene vor aller Schöpfung.
Denn in ihm wurde alles geschaffen,
was im Himmel und auf Erden ist,
das Sichtbare und das Unsichtbare,
es seien Throne oder Herrschaften
oder Mächte oder Gewalten;
es ist alles durch ihn und zu ihm geschaffen.
Und er ist vor allem,
und es besteht alles in ihm.
Und er ist das Haupt des Leibes, nämlich der Gemeinde.
Er ist der Anfang, der Erstgeborene von den Toten,
auf dass er in allem der Erste sei.
Denn es hat Gott gefallen,
alle Fülle in ihm wohnen zu lassen
und durch ihn alles zu versöhnen zu ihm hin,
es sei auf Erden oder im Himmel,
indem er Frieden machte durch sein Blut am Kreuz.
(Kolosser 1,13-20)

  • Häupter voller Blut und Wunden – Gedanken zum Kolosserbrief

Der unsichtbare Gott ist sichtbar geworden
für die christliche Gemeinde in Kolossai, einer damals bedeutenden Stadt auf dem Gebiet der heutigen Westtürkei. Die junge Gemeinde sieht sich vielen religiösen Einflüssen ausgesetzt. Ein Brief, durch den Paulus oder einer seiner Mitarbeiter spricht, drückt darüber seine Sorge aus. Neben jüdischen Speisegeboten ist der Glaube an Christus durch philosophische Vorstellungen der hellenistischen Umwelt irritiert, die Christus wie einen griechischen Gott aussehen lassen. Eine strahlende Gestalt, der menschliches Leid letztlich nichts anhaben kann.

Der unsichtbare Gott ist sichtbar geworden.
Das ist keine ungewöhnliche Vorstellung für die nichtjüdische Bevölkerung. Götter, strahlende Helden und Halbgötter; und oft auch kindliche Gestalten, anziehend und Ehrfurcht gebietend, bevölkern die religiöse Welt der Menschen. .
Für den jüdischen Glauben hingegen ist jede anschauliche Vorstellung von Gott ausgeschlossen; er ist der unsichtbare, eine und allmächtige Schöpfer des Himmels und der Erde.
Christus aber, dessen göttliche Eigenschaften im Brief an die Gemeinde hymnisch besungen werden:

Denn in ihm wurde alles geschaffen,
was im Himmel und auf Erden ist,
das Sichtbare und das Unsichtbare,
es seien Throne oder Herrschaften
oder Mächte oder Gewalten;
es ist alles durch ihn und zu ihm geschaffen.
Und er ist vor allem,
und es besteht alles in ihm.

Dieser Christus ist ein menschliches Ebenbild Gottes. Ein Mensch wie Du und Ich. Der lacht und leidet, der lebt und stirbt. Nicht nur ein strahlender Held und eine schön anzusehende Gestalt, die menschliches Wohlgefallen erweckt.
Zwar wird im Brief an die Kolosser diese Verletzlichkeit und Leidensfähigkeit nicht in den Vordergrund gerückt. Vielmehr schließt das Schreiben an die Vorstellung der Gemeinde an, dass das gottgleiche Ebenbild Gottes etwas bleibend Überirdisches an sich tragen müsse, das durch Irdisches nicht verwundet und zerstört werden kann.
Aber eben das geschieht: Christus wird verwundet und zerstört. Christus, das Ebenbild Gottes stirbt am Kreuz.

Der unsichtbare Gott ist sichtbar geworden.
Heute habe ich seinen Tod vor Augen; das Leid, das mit ihm verbunden ist. Die Folter und das langsame Sterben am Kreuz, wie es auch in den Kirchenliedern beschrieben ist. Paul Gerhardt konzentriert sich auf das Antlitz Christi in den ersten Strophen von „O Haupt voll Blut und Wunden“. Er stellt seinen Glanz und seine Verunstaltung scharf gegenüber; dem gezierten und edlem Antlitz mit roter Lippen Pracht wird das leichenblasse, bespuckte und unter der Dornenkrone zerstochene, zerkratzte und blutende Gesicht voller Striemen gegenübergestellt. Kein Eben-Bild, das in irgendeinen Glauben der nichtchristlichen Kolosser passen würde.

Der unsichtbare Gott ist sichtbar geworden.
Der Grund für dieses außerordentliche Geschehen wird im Brief benannt: Um Frieden zu machen durch Christi Blut am Kreuz; um uns Menschen zu versöhnen mit Gott. Naheliegend wäre das Gefühl der Dankbarkeit für dieses Opfer; nicht nur das Opfer eines Menschen, sondern des Ebenbildes Gottes.
Mir ist heute die Trauer näher. Dieses Ebenbild ist auch ein Bild leidender Menschen. Häupter voller Blut und Wunden, voller Hohn und voller Spott; getötet, verletzt an Körper und Seele, hungernd und frierend, ausgestossen und verlassen, verachtet und vergessen.
Ich wünschte, es wäre anders. Ich wünschte, mit dem Tod Christi wären alle Tränen abgewischt. Doch diese Zeit lässt noch auf sich warten. Heute herrscht der Tod und die Traurigkeit.

Der unsichtbare Gott ist sichtbar geworden.
„Alsdann will ich dich fassen in meinen Arm und Schoß“, heisst es bei Paul Gerhardt. Christus im Schoß seiner Mutter Maria, in den Armen des Josef von Arimathäa; vorsichtig und liebevoll bergen und tragen sie seinen geschundenen Leib. Das Ebenbild Gottes, des Schöpfers von Himmel und Erde.

Amen.

  • Diesen Schrei der Vielen – Miteinander und füreinander beten

„Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?“
Du selbst, Gott des Lebens,
hörst diesen Schrei der Vielen,
die heute, so wie Jesus, verlassen sind und keine Antwort erhalten.

Lass uns den unendlichen Karfreitag des Lebens nicht verdrängen,
sondern einstimmen in die Klage der Vielen,
die auch heute vor Hunger weinen,
die in ihren Ängsten vor dem Tod alleine sind,
die an ihrer Krankheit zerbrechen,
die verzweifeln in ihrer Trauer um geliebte Menschen,
die stumm wurden angesichts des übergroßen Leids,
dem sie wehrlos ausgeliefert sind.

Erbarme dich, erbarme dich unser und deiner ganzen Erde,
öffne unsere Herzen, unseren Mund und unsere Hände,
weil du uns ja fortan bittest,
dass wir einander lieben sollen,
ohne Ansehen der Person, der Herkunft oder Religion,
als Menschen, die du von allem Anfang an liebst,
und lieben wirst, heute und für alle Zeit.

Vater unser im Himmel,
geheiligt werde Dein Name.
Dein Reich komme.
Dein Wille geschehe,
wie im Himmel, so auf Erden.
Unser tägliches Brot gib uns heute.
Und vergib uns unsere Schuld,
wie auch wir vergeben unsern Schuldigern.
Und führe uns nicht in Versuchung,
sondern erlöse uns von dem Bösen.
Denn dein ist das Reich und die Kraft
und die Herrlichkeit in Ewigkeit.
Amen.

  • Segen

Es segne und behüte uns der allmächtige und barmherzige
Gott, Vater, Sohn und Heiliger Geist.
Er bewahre uns vor Unheil und führe uns zum ewigen Leben.
Amen.

(Pfr. Olaf Wisch)

Palmarum (02.04.)2023

  • Eröffnung

„Der Menschensohn muss erhöht werden, auf dass alle, die an ihn glauben, das ewige Leben haben.“ So steht es mit dem Wort aus dem Johannesevangelium über dieser Woche. Es ist die Karwoche, an deren Ende der Tod Jesu steht. Erhöht wird er am Kreuz. In dieser spannungsreichen Aussage liegt die tiefe Wahrheit unseres christlichen Glaubens. Und die Hoffnung auf das österliche Licht.

  • Zeit der Gnade – Ein Psalm (Ps 69,2–4.8–10.14.21b–22.30)

Gott, hilf mir!
Denn das Wasser geht mir bis an die Kehle.
Ich versinke in tiefem Schlamm,
wo kein Grund ist;
ich bin in tiefe Wasser geraten,
und die Flut will mich ersäufen.
Ich habe mich müde geschrien,
mein Hals ist heiser.
Meine Augen sind trübe geworden,
weil ich so lange harren muss auf meinen Gott.
Denn um deinetwillen trage ich Schmach,
mein Angesicht ist voller Schande.
Ich bin fremd geworden meinen Brüdern
und unbekannt den Kindern meiner Mutter;
denn der Eifer um dein Haus hat mich gefressen,
und die Schmähungen derer, die dich schmähen, sind auf mich gefallen.
Ich aber bete, Herr, zu dir zur Zeit der Gnade;
Gott, nach deiner großen Güte erhöre mich mit deiner treuen Hilfe.
Ich warte, ob jemand Mitleid habe, aber da ist niemand,
und auf Tröster, aber ich finde keine.
Sie geben mir Galle zu essen
und Essig zu trinken für meinen Durst.
Ich aber bin elend und voller Schmerzen.
Gott, deine Hilfe schütze mich!

  • Empfang ihn froh, Jerusalem – Ein Lied: „Dein König kommt in niedern Hüllen“ (EG 14)

Dein König kommt in niedern Hüllen,
ihn trägt der lastbarn Es’lin Füllen,
empfang ihn froh, Jerusalem!
Trag ihm entgegen Friedenspalmen,
bestreu den Pfad mit grünen Halmen;
so ist’s dem Herren angenehm.

O mächt’ger Herrscher ohne Heere,
gewalt’ger Kämpfer ohne Speere,
o Friedefürst von großer Macht!
Es wollen dir der Erde Herren
den Weg zu deinem Throne sperren,
doch du gewinnst ihn ohne Schlacht.

Dein Reich ist nicht von dieser Erden,
doch aller Erde Reiche werden
dem, das du gründest, untertan.
Bewaffnet mit des Glaubens Worten
zieht deine Schar nach allen Orten
der Welt hinaus und macht dir Bahn.

  • Alle Welt läuft ihm nach – Worte aus dem Johannesevangelium (Joh 12,12-19)

Als am nächsten Tag die große Menge, die aufs Fest gekommen war, hörte, dass Jesus nach Jerusalem kommen werde, nahmen sie Palmzweige und gingen hinaus ihm entgegen und schrien:
Hosianna! Gelobt sei, der da kommt im Namen des Herrn, der König von Israel!
Jesus aber fand einen jungen Esel und setzte sich darauf, wie geschrieben steht: »Fürchte dich nicht, du Tochter Zion! Siehe, dein König kommt und reitet auf einem Eselsfüllen.«
Das verstanden seine Jünger zuerst nicht; doch als Jesus verherrlicht war, da dachten sie daran, dass dies von ihm geschrieben stand und man so an ihm getan hatte.
Die Menge aber, die bei ihm war, als er Lazarus aus dem Grabe rief und von den Toten auferweckte, bezeugte die Tat. Darum ging ihm auch die Menge entgegen, weil sie hörte, er habe dieses Zeichen getan. Die Pharisäer aber sprachen untereinander: Ihr seht, dass ihr nichts ausrichtet; siehe, alle Welt läuft ihm nach.
Wort unseres Herrn Jesus Christus.

  • Alt und Neu – Gedanken zum Einzug Jesu

Damals, als mein Bruder den Osterspaziergang für die Schule lernen sollte, hatte er ein besonders schlaue Idee. Aus den Beständen unseres Opas gab es eine Aufnahme auf Schallplatte. Der Plan war nun, sich das Gedicht wieder und wieder – zwanzig mal oder mehr – anzuhören, um es auf diese Weise – gewissermaßen passiv und mühelos – auswändig zu lernen. Viel Erfolg hatte das am Ende nicht. Aber ich habe immer noch den Schauspieler Horst Caspar im Ohr, wie er mit besonders knödeliger Stimme die Enge der mittelalterlichen Ständetradition intonierte. „Aus Handwerks- und Gewerbesbanden.“

Ganz anders klang die Verszeile: „Aus dem hohen dunklen Tor dringt ein buntes Gewimmel hervor.“ Durch geschickte Variation der Tonhöhe und Akzentuierung der Sprechstimme offenbarte sich ein Gefühl der Befreiung und Begeisterung.
Das bunte Gewimmel erinnert mich aber auch an die Beschreibung des Einzugs Jesu nach Jerusalem. Wer wird da nicht alles erwähnt? Eine Menschenmenge, die Jesus sehen will, eine Menschenmenge, die bezeugt, dass Jesus Lazarus auferweckt hat, eine Menge der Pharisäer, die das Geschehen mißtrauisch in Augenschein nehmen. Und dann sind da noch die Jünger, Menschen, die Jesus schon längere Zeit nachfolgen und schließlich Jesus selbst.
Vor dem Tore, so wie auch der Osterspaziergang im Faust-Drama als Szenerie beschrieben ist, ist ganz schön was los. Und die Vermutung liegt nahe, dass Goethe vielleicht auch an den Einzug Jesu gedacht hat. Nur ist er eine Woche zu spät dran; im Faust ist schon Ostern, während nach biblischem Zeugnis vor dem Tore Jerusalems bis Ostern noch eine Woche und viel Dunkelheit vergehen muss.
Was darüberhinaus auffällt, ist eine weitere Parallele. Goethe übt Kritik an der mittelalterlichen Tradition der Ständegesellschaft. Etwas Dunkles lässt die Menschenmenge hinter sich, etwas Beengendes; und so drängt sie ins Freie, ins Blumenrevier, zum fließenden Gewässer, um den grauen Winter endlich hinter sich zu lassen.
Auch beim Evangelisten Johannes findet eine Auseinandersetzung mit der Tradition statt. Zuerst sind da die Hüter der Tradition, die Pharisäer. Sie achten streng darauf, sich an die Gebote und Regeln des Volkes Israel zu halten, weil sie sich von alters her bewährt haben und weil sie mit göttlicher Autorität eingesetzt wurden. Warum sollte man da was ändern? Das macht ihnen Sorge und sie sehen, dass die Veränderung, die sie aus den Worten Jesu heraushören, durchaus beim bunten Gewimmel Anklang finden. Zumal Jesu Worte durch das Zeichen einer Totenerweckung unterstützt werden. Resigniert stellen sie in diesem Moment fest, dass Jesus „alle Welt“ hinterherläuft. Hier und jetzt können sie nichts ausrichten.
Die Menge ist anscheinend in einem ähnlichen Überschwang begriffen wie auch die Menge des Osterspaziergangs.
Aber so leicht überwindet man das Alte nicht. Ob die Pharisäer das in diesem Moment wissen und in Ruhe abwarten? Auch Goethe, das haben wir so in der DDR-Schule nicht gelernt, äußerte sich im 2. Teil des Faust eher skeptisch hinsichtlich des Fortschritts der Menschheit. Des Menschen Natur ändert sich nicht, lautet das konservative Credo, und so werden auch die Pharisäer ihren Weg in diesem Sinne verteidigen. Im Grunde für das Wohl der Menschen, die sich da gerade so begeistert mit Hosanna-Rufen vor dem Tor tummeln.
Nicht nur die Pharisäer glauben das zu wissen und sehen nicht, was Jesus eigentlich will. Auch seine Jünger verstehen das nicht. Immer wieder gibt es Anfragen an das Geschehen. Warum reitet Jesus auf einem Esel, fragen sie sich? Und die Fragen werden lauter, als schon wenige Tage später Jesus gekreuzigt wird. Das Heil bleibt verborgen, bis ihnen nach der Auferstehung ein Licht aufgeht.
Der Evangelist aber sieht diesen Einzug aus dem Rückblick. Er kann leicht sagen, worauf das alles hinausläuft. Die aber mittendrin stecken, die Menge, die Jünger, die Pharisäer – und auch Jesus selbst? – überblicken das Geschehen nicht. Der Hintergrund dieser Darstellung liegt darin, dass im Evangelium beides vermittelt werden soll. Die Tradition des Volkes Israel und der neue Glaube, den Jesus verkörpert. Die Gemeinde, der das Evangelium zuzuschreiben ist, kennt beides. Aber es ist für sie dennoch schwer einzusehen, wie beides zueinander passt.
Wie würde es mir gehen? Müsste ich mich nicht entscheiden? Nähme ich also begierig die Zeichen und Worte auf, die mir eine hellere, bessere und friedlichere Zukunft verheißen?
Oder folgte ich eher den Einsichten, die der menschlichen Natur folgen, oder dem, was ich dafür halte, und beharre auf die alten Regeln und Zustände?
Oder ruht doch das eine im anderen? Gehört nicht beides zusammen, die menschliche Natur und Gottes Verheißung?
Ich werde es erst wissen, wenn Jesus verherrlicht sein wird. Wenn ich ihn sitzen sehe zur Rechten Gottes; jenseits aller Fragen und Ungewissheiten und allen Leids.
Bis dahin bin ich auf die Worte Gottes angewiesen, die ich nicht nur in den Heiligen Schriften, sondern auch im Umgang der Menschen miteinander, im Suchen und Hören, im Streiten und Versöhnen, im Hoffen, Lieben und Glauben erkenne und finde.
Bis dahin bewahre uns der Frieden Gottes, der höher ist als alle Vernunft, unsre Herzen und Sinne in Christus Jesus.
Amen.

  • Wege in die Zukunft – Miteinander und füreinander beten

Unser Gott,

wir bitten dich, hilf uns, innezuhalten,
hilf uns, unsere Gedanken zu sammeln,
befreie uns aus dem Zerstreut-Sein,
gib uns innere Ruhe und Aufmerksamkeit.
Bleib bei uns, damit wir das Leiden und Sterben Jesu Christi
auf die rechte Weise bedenken und aufnehmen können
und hilf, dass daraus Mut und Klarheit zum Handeln erwächst,
um die richtigen Wege in die Zukunft zu finden.

Wir ringen in unserem Land und weltweit um politische Lösungen.
Du hast die Welt in deinen Händen
und uns Verantwortung und Freiheit
zum Handeln und Entscheiden gegeben.
Steh uns bei in allen nächsten Schritten und Entscheidungen
und stärke uns in allen Rückschlägen.

Segne unser Tun und Lassen
im Großen und Kleinen.

Wir vertrauen uns den Worten an,
die uns Jesus Christus gelehrt hat.

Vater unser im Himmel,
geheiligt werde Dein Name.
Dein Reich komme.
Dein Wille geschehe,
wie im Himmel, so auf Erden.
Unser tägliches Brot gib uns heute.
Und vergib uns unsere Schuld,
wie auch wir vergeben unsern Schuldigern.
Und führe uns nicht in Versuchung,
sondern erlöse uns von dem Bösen.
Denn dein ist das Reich und die Kraft
und die Herrlichkeit in Ewigkeit.
Amen.

  • Segen

Es segne und behüte uns der allmächtige und barmherzige
Gott, Vater, Sohn und Heiliger Geist.
Er bewahre uns vor Unheil und führe uns zum ewigen Leben.
Amen.

(Pfr. Olaf Wisch)

Judika (26.03.)2023

  • Eröffnung

Jesus tritt für uns ein. Der Wochenspruch aus dem Matthäusevangelium stellt das klar heraus: „Der Menschensohn ist nicht gekommen, dass er sich dienen lasse, sondern dass er diene und gebe sein Leben als Lösegeld für viele.“ Für uns Menschen, die an diesem Heil teilhaben, bedeutet das Dankbarkeit und Nächstenliebe. Das ist das Thema des Sonntags Judika in der Passionszeit.

  • Meines Angesichts Hilfe – Ein Psalm (Ps 43)

Schaffe mir Recht, Gott, /
und führe meine Sache wider das treulose Volk
und errette mich von den falschen und bösen Leuten!
Denn du bist der Gott meiner Stärke:
Warum hast du mich verstoßen?
Warum muss ich so traurig gehen,
wenn mein Feind mich drängt?
Sende dein Licht und deine Wahrheit, dass sie mich leiten
und bringen zu deinem heiligen Berg und zu deiner Wohnung,
dass ich hineingehe zum Altar Gottes, /
zu dem Gott, der meine Freude und Wonne ist,
und dir, Gott, auf der Harfe danke, mein Gott.
Was betrübst du dich, meine Seele,
und bist so unruhig in mir?
Harre auf Gott; denn ich werde ihm noch danken,
dass er meines Angesichts Hilfe und mein Gott ist.

  • Zum Baum des Lebens – Ein Lied: „Holz auf Jesu Schulter“ (EG 97)

1 Holz auf Jesu Schulter, von der Welt verflucht,
ward zum Baum des Lebens und bringt gute Frucht.
Kyrie eleison, sieh, wohin wir gehn.
Ruf uns aus den Toten, lass uns auferstehn.

2 Wollen wir Gott bitten, dass auf unsrer Fahrt
Friede unsre Herzen und die Welt bewahrt.
Kyrie eleison, sieh, wohin wir gehn.
Ruf uns aus den Toten, lass uns auferstehn.

3 Denn die Erde klagt uns an bei Tag und Nacht.
Doch der Himmel sagt uns: Alles ist vollbracht!
Kyrie eleison, sieh, wohin wir gehn.
Ruf uns aus den Toten, lass uns auferstehn.

6 Hart auf deiner Schulter lag das Kreuz, o Herr,
ward zum Baum des Lebens, ist von Früchten schwer.
Kyrie eleison, sieh, wohin wir gehn.
Ruf uns aus den Toten, lass uns auferstehn.

  • Vollendet – für alle – Worte aus dem Hebräerbrief (5,1-10)

Denn jeder Hohepriester, der von den Menschen genommen wird, der wird eingesetzt für die Menschen zum Dienst vor Gott, damit er Gaben und Opfer darbringe für die Sünden. Er kann mitfühlen mit denen, die unwissend sind und irren, weil er auch selber Schwachheit an sich trägt. Darum muss er, wie für das Volk, so auch für sich selbst opfern für die Sünden.
Und niemand nimmt sich selbst diese Würde, sondern er wird von Gott berufen wie auch Aaron. So hat auch Christus sich nicht selbst die Ehre beigelegt, Hoherpriester zu werden, sondern der, der zu ihm gesagt hat: »Du bist mein Sohn, heute habe ich dich gezeugt.« Wie er auch an anderer Stelle spricht: »Du bist Priester in Ewigkeit nach der Ordnung Melchisedeks.«
Und er hat in den Tagen seines irdischen Lebens Bitten und Flehen mit lautem Schreien und mit Tränen vor den gebracht, der ihn aus dem Tod erretten konnte; und er ist erhört worden, weil er Gott in Ehren hielt. So hat er, obwohl er der Sohn war, doch an dem, was er litt, Gehorsam gelernt. Und da er vollendet war, ist er für alle, die ihm gehorsam sind, der Urheber der ewigen Seligkeit geworden, von Gott genannt ein Hoherpriester nach der Ordnung Melchisedeks.

Worte des lebendigen Gottes.

  • An das Unsichtbare zu glauben – Gedanken zum Hebräerbrief

Die Dorfkirche im ostthüringischen Lippersdorf ziert eine reich geschmückte Kassettendecke aus dem Jahr 1719, die eine Bilderbibel mit verschiedenen Szenen aus dem Alten Testament darstellt. Auf eine dieser Kassetten ist die Begegnung Abrahams mit dem Priesterkönig Melchisedek zu sehen. Diese Begegnung wird zum Vor-Bild für die Worte des Hebräerbriefes, die Jesus mit Melchisedek vergleichen. Abraham war nach dem 1. Buch Mose gegen den König von Elam ausgezogen, weil dieser Abrahams Neffen Lot gefangen genommen hatte. Nach der geglückten Befreiung kehrt Abraham zurück und wird von Melchisedek mit Brot und Wein empfangen und anschließend gesegnet. Das Schriftband über den beiden Figuren auf der linken Seite des Bildes gibt diesen Inhalt wieder. Abraham trägt einen Helm, der typisch ist für die Soldaten der Zeit um 1700 und Melchisedek eine eigentümlich geformte Krone, die seinen Status als Priesterkönig hervorhebt. Auf der rechten Seite, und das ist eine Eigentümlichkeit der Lippersdorfer Bilderdecke, ist Jesus selbst abgebildet, mit einem Wort aus den Seligpreisungen: Selig sind, die Barmherzigkeit üben. Sowohl die Stärkung Abrahams mit Brot und Wein als auch seine Rettungsaktion werden in dem Wort Jesu wieder aufgenommen und als Taten der Barmherzigkeit markiert. Brot und Wein erinnern darüber hinaus an das letzte Abendmahl, zu dem Jesus selbst diese Gaben verteilt.
Die Worte des Hebräerbriefes sind in dieser besonderen Darstellungsweise anschaulich im Bild wiedergegeben.
Worauf der Hebräerbrief besonderen Wert legt, ist die Priesterschaft Melchisedeks. Er, von dem nicht mehr bekannt ist, als aus den 4 Versen des 1. Mosebuches hervorgeht, erfährt im Hebräerbrief eine ausführlichere Darstellung. Nach dieser ist Melchisedek ein Priester, der nicht aus dem Stamm der Leviten kommt, so wie es nach dem Gesetz des Alten Testaments eigentlich vorgesehen ist. Er wurde zwar, wie Aaron, der der „eigentliche“ Priester des Volkes Israel ist, von Gott selbst eingesetzt; aber er opfert nicht Tiere, um Gott zu versöhnen. Der Hebräerbrief sagt außerdem, dass Melchisedek weder Vater noch Mutter habe und dass seine Priesterschaft ewig währe. Das schließt der Autor eben daraus, dass nichts weiter über ihn im Alten Testament geschrieben ist. So wie Jesus selbst kommt ihm damit eine außerordentliche Position zu, die den Vergleich und die Insbildsetzung Jesu als Hoherpriester ermöglicht.
Was also der Hebräerbrief seinen Lesern oder Zuhörern damit deutlich machen will, ist Folgendes: Dass es auch schon im Alten Testament einen Hohenpriester gab, der nicht wie die anderen Priester Tieropfer darbrachte, sondern seine Priesterschaft im Werk der Barmherzigkeit und des Segens vollführte.
In Jesus verbindet sich beides. Sein Opfer erledigt alle anderen Opfer. Seine Hoheit gründet im Auftrag Gottes. Und sein Gehorsam im Leid bis zum Kreuz vollbringt das Opfer, das ein für alle mal geleistet wurde; für alle, die an Gott glauben.
Die eigentümliche Darstellung auf dem Bild der Kassettendecke zeigt sehr deutlich diese Verbindung, die für die junge christliche Gemeinde etwas ganz Neues darstellt. Plötzlich sollen sie nämlich nicht mehr am anschaulichen, weil sichtbaren Opfer festhalten, sondern im reinen Vertrauen auf Jesu Opfertod auf Gottes Güte hoffen. Deshalb heisst es: „Und da Jesus vollendet war, ist er für alle, die ihm gehorsam sind, der Urheber der ewigen Seligkeit geworden.“ Dieser Gehorsam wird nach dem Hebräerbrief vor allem darin geleistet, dass wir Christen auch im Leid, in der Schande und im geringen Ansehen an Gott festhalten. Dass wir also die Dinge der Welt nicht weiter beachten und uns darin gegenseitig bestärken. Zum Beispiel im Gottesdienst, wo wir der Passion Christi dankbar gedenken.
Darin steckt die tiefere Einsicht des Künstlers und des Pfarrers, die vermutlich gemeinsam diese Bilderdecke in dem kleinen Dorf gestaltet haben. Die Barmherzigkeit, die uns selig macht, üben wir an unseren Nächsten. Wir üben sie im Dienst aneinander, nicht um uns besonders hervorzutun, sondern um das Vertrauen auf Gott zu stärken. Wenn ich im Geist Jesu handele, achte ich nicht auf mich, sondern auf mein Gegenüber. Darin stärke ich ihn und am Ende auch mich selbst. Im Miteinander geschieht das, was der Hebräerbrief im Sinne der Gehorsamkeit gegenüber Jesus einfordert. Nächstenliebe ist das erste Gebot und nicht das sichtbare Opfer, das vor aller Welt nur den eigenen Ruhm stärkt. Auf das Miteinander kommt es an und nicht auf die Pflege der persönlichen Spiritualität. Nicht auf ein selbst gesuchtes Leiden, auf ein raffiniertes Religionsspiel oder auf eine ausufernde Religionspraxis, sondern auf den liebevollen Blick, dem ich meinem Nachbarn schenke, kommt es an. Nicht auf das Opfer für Gott, der in Christus schon alles für uns getan hat, kommt es an, sondern auf die Stärkung meines Mitmenschen.
Nach den Worten des Hebräerbriefes wird deutlich, dass das keine Selbstverständlichkeit ist. Auch den Christen damals fiel es schwer, an das Unsichtbare zu glauben und darauf zu vertrauen. Nur im Miteinander kann das gelingen und verständlich werden. Abraham bietet alles auf, um Lot zu retten. Melchisedek kommt ihm deshalb entgegen, versorgt und segnet ihn. Das ist – im Namen Jesu – das Vor-Bild und die Vor-Schrift für unseren Glauben an Gott.

Amen.

  • Lass uns die Zeit – Miteinander und füreinander beten

Großer Gott,
stärke unsere Dankbarkeit,
bereite unsere Dienstfertigkeit.
Nicht um der Welt zu zeigen, was wir können,
sondern dem Opfer deines Sohnes Jesus Christus gemäß.

So sorgen wir uns um den Frieden in der Welt;
um Gerechtigkeit, dass wir dir gerecht werden.

So feiern wir gemeinsam Gottesdienst,
um deiner Gemeinschaft teilhaftig zu werden.

So wenden wir uns unseren Mitmenschen zu,
barmherzig und liebevoll, um in deiner Liebe
das ewige Leben zu erben.

Darum beten wir mit den Worten Jesu:

Vater unser im Himmel,
geheiligt werde Dein Name.
Dein Reich komme.
Dein Wille geschehe,
wie im Himmel, so auf Erden.
Unser tägliches Brot gib uns heute.
Und vergib uns unsere Schuld,
wie auch wir vergeben unsern Schuldigern.
Und führe uns nicht in Versuchung,
sondern erlöse uns von dem Bösen.
Denn dein ist das Reich und die Kraft
und die Herrlichkeit in Ewigkeit.
Amen.

  • Segen

Es segne und behüte uns der allmächtige und barmherzige
Gott, Vater, Sohn und Heiliger Geist.
Er bewahre uns vor Unheil und führe uns zum ewigen Leben.
Amen.

(Pfr. Olaf Wisch)

Laetare (19.03.)2023

  • Eröffnung

„Wenn das Weizenkorn nicht in die Erde fällt und erstirbt, bleibt es allein; wenn es aber erstirbt, bringt es viel Frucht.“ Mit diesem Wort aus dem Johannesevangelium wird uns der Gedanke zugemutet, dass es eine Zeit der Dunkelheit braucht, um das Licht des Lebens zu erkennen und danach zu leben. Die Auferstehung aus dem Dunkel leuchtet am Horizont wie es das „kleine Ostern“ am Sonntag Lätare verheißt.

  • Ein Tag in deinen Vorhöfen – Ein Psalm (Ps 84,2-13)

Wie lieblich sind deine Wohnungen, Herr Zebaoth!
Meine Seele verlangt und sehnt sich nach den Vorhöfen des Herrn;
mein Leib und Seele freuen sich
in dem lebendigen Gott.
Der Vogel hat ein Haus gefunden
und die Schwalbe ein Nest für ihre Jungen –
deine Altäre, Herr Zebaoth,
mein König und mein Gott.
Wohl denen, die in deinem Hause wohnen;
die loben dich immerdar. SELA.
Wohl den Menschen, die dich für ihre Stärke halten
und von Herzen dir nachwandeln!
Wenn sie durchs dürre Tal ziehen, /
wird es ihnen zum Quellgrund,
und Frühregen hüllt es in Segen.
Sie gehen von einer Kraft zur andern
und schauen den wahren Gott in Zion.
Herr, Gott Zebaoth, höre mein Gebet;
vernimm es, Gott Jakobs! SELA.
Gott, unser Schild, schaue doch;
sieh an das Antlitz deines Gesalbten!
Denn ein Tag in deinen Vorhöfen
ist besser als sonst tausend.
Ich will lieber die Tür hüten in meines Gottes Hause
als wohnen in den Zelten der Frevler.
Denn Gott der Herr ist Sonne und Schild; /
der Herr gibt Gnade und Ehre.
Er wird kein Gutes mangeln lassen den Frommen.
Herr Zebaoth, wohl dem Menschen,
der sich auf dich verlässt!

  • Aus dem Acker in den Morgen – Ein Lied: „Korn, das in die Erde“ (EG 98)

Korn, das in die Erde, in den Tod versinkt,
Keim, der aus dem Acker in den Morgen dringt.
Liebe lebt auf, die längst erstorben schien:
Liebe wächst wie Weizen, und ihr Halm ist grün.

Über Gottes Liebe brach die Welt den Stab,
Wälzte ihren Felsen vor der Liebe Grab.
Jesus ist tot. Wie sollte er noch fliehn?
Liebe wächst wie Weizen, und ihr Halm ist grün.

Im Gestein verloren Gottes Samenkorn,
Unser Herz gefangen in Gestrüpp und Dorn –
Hin ging die Nacht, der dritte Tag erschien:
Liebe wächst wie Weizen, und ihr Halm ist grün.

  • Einen kleinen Augenblick – Worte aus dem Buch Jesaja im 54. Kapitel

„Ich habe dich einen kleinen Augenblick verlassen, aber mit großer Barmherzigkeit will ich dich sammeln. Ich habe mein Angesicht im Augenblick des Zorns ein wenig vor dir verborgen, aber mit ewiger Gnade will ich mich deiner erbarmen, spricht der Herr, dein Erlöser.
Ich halte es wie zur Zeit Noahs, als ich schwor, dass die Wasser Noahs nicht mehr über die Erde gehen sollten. So habe ich geschworen, dass ich nicht mehr über dich zürnen und dich nicht mehr schelten will. Denn es sollen wohl Berge weichen und Hügel hinfallen, aber meine Gnade soll nicht von dir weichen, und
der Bund meines Friedens soll nicht hinfallen, spricht der Herr, dein Erbarmer.“
Worte des lebendigen Gottes. (Jes 54,7-10)

  • Immer wenn du zurückkommst – Gedanken zu Jesaja

Doch der Liebste lässt auf sich warten.
Die Geborgenheit lässt auf sich warten, seine Zärtlichkeit
das Fest, die Rückkehr und seine Berührungen lassen auf sich warten;
Trost, Zuwendung und Heilung lassen auf sich warten;
die Sehnsucht, der Kampf, die Leidenschaft lassen auf sich warten.
Der Frieden lässt auf sich warten.
Aufbau, Ankunft und Auferstehung lassen auf sich warten.
Es braucht noch Zeit, viel Zeit,
mehr als einen Moment, mehr als einen Tag,
vielleicht ein ganzes Leben.
Vielleicht über das Leben hinaus.

Liebe Gemeinde,
einer dieser „Momente“, ein Zeitalter des Wartens prägt auch die Theologie des zweiten Jesajabuches, aus dem der heutige Predigttext ist. Der Theologe Reinhard G. Kratz beschreibt die Situation der Exilsgemeinde, fern vom heimatlichen Jerusalem mit folgenden Worten:

„Doch der Eintritt des Heils ließ auf sich warten.
Die Trümmer Jerusalems waren noch lange nicht beseitigt,
die in aller Welt verschleppten Juden blieben, wo sie waren,
sei es, dass sie nicht zurückkehren konnten,
sei es, dass sie nicht wollten.“

Und Gott, mit den Worten des Propheten, antwortet auf das Klagelied der Verzögerung, der Sehnsucht und des Liebeskummers mit einem Liebeslied, hier in der Übersetzung von Buber und Rosenzweig:

Eine kleine Regung lang
habe ich dich verlassen,
aber in großem Erbarmen
hole ich dich wieder herbei.
Als der Groll überschwoll,
verbarg ich mein Antlitz
eine Regung lang vor dir,
aber in Weltzeit-Huld
erbarme ich mich nun dein,
hat dein Auslöser, Er, gesprochen.

Die Liebe ist so.
Die Zeit der Trennung dehnt sich.
Wer misst die Zeit, wenn ich voller Sehnsucht auf den Geliebten warte?

Nicht nur zärtliche Zuwendung, sondern auch Groll und Streit gehören zur Liebe. Wann werden Streit und Groll überwunden sein? Jede Regung des Geliebten habe ich genau im Blick? Ist es nicht mehr als das?
Kann es sein, dass ich eine kleine, vielleicht falsch gedeutete Regung überinterpretiere und eine falsch verstandene Andeutung, ein unglücklich gewähltes Wort oder eine kurze Unaufmerksamkeit alles in Frage stellt?
Und wer sagt schon, was als klein, kurz, unglücklich und unbedeutend gelten darf?

Und so antworte ich auf dieses Liebeslied: Gott, ist es denn nur eine kleine Regung, wenn dein Volk vom heiligen Ort verschleppt in der Fremde leben muss, während dein Haus in Schutt und Asche liegt?
Ist es nur eine vorübergehende Geschichte, wenn Häuser zusammenstürzen und die Menschen unter sich begraben.
Ist es nur eine Unaufmerksamkeit, wenn Menschen sich Gewalt antun und die Ressourcen des Planeten unter menschlichen Ansprüchen erschöpft werden.
Diese Momente und kurzen Unterbrechungen können sehr lange anhalten. Nur einen Augenblick unaufmerksam vor vielen, vielen Jahren: und bis heute holt mich dieser Moment ein, weil er Folgen zeitigt, weil er Wunden hinterlässt, die nicht mehr heilen.

Die Liebe misst die Zeit eben anders.
Die Zeit der Trennung dehnt sich.
Die Liebe ist so.

Weil sie bleibt.
Länger als der Moment, der unendlich erscheint.
Weil die Liebe Weltzeit-Huld ist.
Weil der Moment des Schreckens verblasst im Moment des Wiedersehens.
Weil die Zeit der Passion überwunden werden wird.
Weil die Zeit der Auferstehung schöner und wunderbarer ist
als alles, was ich mir vorstellen kann.
Weil ich dir vertraue, Gott.

Singe ich dir mein Liebeslied mit den Worten der Dichterin Paula Ludwig:

Immer wenn du zurückkommst
ist mirs
als sähe ich dich zum erstenmale:

Silbern stäubt es aus meiner Seele
wie aus den Weidenkätzchen
wenn der Frühlingswind
sie zum erstenmale berührt.

Amen.

  • Lass uns die Zeit – Miteinander und füreinander beten

O Gott,
lass uns die Zeit nicht zu lang werden,
bewahre uns davor, aus lauter Verzweiflung,
noch mehr Unfrieden zu stiften,
noch mehr zu zerstören,
weil wir nicht mehr bei Verstand sind.

Lass uns die Zeit nicht zu lang werden,
bewahre uns davor das Vertrauen in dich zu verlieren,
fixiert auf den Zweifel an deiner Liebe,
deiner Zärtlichkeiten leichtsinnig zu entsagen.

Lass uns die Zeit nicht zu lang werden,
bewahre uns davor im Eigensinn unsere Mitmenschen
auszuschließen und damit weder Hilfe zu geben
noch anzunehmen, um wieder Raum zu geben,
was uns vor Augen steht in Jesus Christus.

Vater unser im Himmel,
geheiligt werde Dein Name.
Dein Reich komme.
Dein Wille geschehe,
wie im Himmel, so auf Erden.
Unser tägliches Brot gib uns heute.
Und vergib uns unsere Schuld,
wie auch wir vergeben unsern Schuldigern.
Und führe uns nicht in Versuchung,
sondern erlöse uns von dem Bösen.
Denn dein ist das Reich und die Kraft
und die Herrlichkeit in Ewigkeit.
Amen.

  • Segen

Es segne und behüte uns der allmächtige und barmherzige
Gott, Vater, Sohn und Heiliger Geist.
Er bewahre uns vor Unheil und führe uns zum ewigen Leben.
Amen.

(Pfr. Olaf Wisch)

Okuli (12.03.)2023

  • Eröffnung

„Wer die Hand an den Pflug legt und sieht zurück, der ist nicht geschickt für das Reich Gottes.“ Mit diesem Wort eröffnet der Evangelist Lukas diese Woche und erinnert uns daran, dass Gottes neue Welt unaufhaltsam näher kommt. Was das für uns Menschen bedeutet, wie wir daraus Trost und Stärkung erfahren können in einer finsteren Welt, bringen uns die folgenden Gedanken und Worte näher.

  • Raue Wege – Ein Lied: „Jesu, geh voran“ (EG 391)

1) Jesus, geh voran
auf der Lebensbahn!
Und wir wollen nicht verweilen,
dir getreulich nachzueilen;
führ uns an der Hand
bis ins Vaterland.

2) Soll’s uns hart ergehn,
lass uns feste stehn
und auch in den schwersten Tagen
niemals über Lasten klagen;
denn durch Trübsal hier
geht der Weg zu dir.

3) Rühret eigner Schmerz
irgend unser Herz,
kümmert uns ein fremdes Leiden,
o so gib Geduld zu beiden;
richte unsern Sinn
auf das Ende hin.

4) Ordne unsern Gang,
Jesu, lebenslang.
Führst du uns durch rauhe Wege,
gib uns auch die nöt’ge Pflege;
tu uns nach dem Lauf
deine Türe auf.

  • Eure Stunde – Evangelium nach Lukas im 22. Kapitel

Als er aber noch redete, siehe, da kam eine Schar;
und einer von den Zwölfen, der mit dem Namen Judas,
ging vor ihnen her und nahte sich Jesus,
um ihn zu küssen.
Jesus aber sprach zu ihm:
Judas, verrätst du den Menschensohn mit einem Kuss?
Als aber, die um ihn waren, sahen, was geschehen würde,
sprachen sie: Herr, sollen wir mit dem Schwert dreinschlagen?
Und einer von ihnen schlug nach dem Knecht des Hohenpriesters
und hieb ihm sein rechtes Ohr ab.
Da sprach Jesus: Lasst ab! Nicht weiter!
Und er rührte sein Ohr an und heilte ihn.
Jesus aber sprach zu den Hohenpriestern und Hauptleuten des Tempels und den Ältesten, die zu ihm hergekommen waren:
Ihr seid wie gegen einen Räuber mit Schwertern und mit Stangen ausgezogen?
Ich bin täglich bei euch im Tempel gewesen,
und ihr habt nicht Hand an mich gelegt.
Aber dies ist eure Stunde und die Macht der Finsternis.

Wort unseres Herrn Jesus Christus. (Lk 22,47-53)

  • Das Ohr wächst wieder an – Gedanken zum Evangelium
Glasfenster in der Lutherkirche zu Weißenfels; Künstlerin: Ina Hossfeld

Liebe Gemeinde,

wahrhafte Kunst trägt etwas Doppeldeutiges und Widersprüchliches an sich. Sie verbindet etwa Humor und Ernsthaftigkeit oder Licht und Schatten oder Leid und Hoffnung. In dem Glasbild der Künstlerin Ina Hossfeld in unserer kleinen Schwesterkirche in Weißenfels spiegelt sich dieses Prinzip wieder. Es zeigt das Gebet Jesu im Garten Gethsemane, das dem heutigen Predigttext von der Gefangennahme unmittelbar vorausgeht. Im Wechselspiel des Sonnenlichts mit dem geschliffenen farbigen Überfangglas entsteht ein Lichtgefälle, das den Boten Gottes im engen Kontakt mit dem Betenden darstellt. Sein Leid und seine Versuchung wird so in den Glanz Gottes gestellt. Die Wahrhaftigkeit der Kunst gibt also wieder, dass auch in der Finsternis Gott nahe ist.
So wird auch in der Schilderung der Gefangennahme Jesu sein Leid nicht allein in den Vordergrund gerückt. Das Leid ist unausweichlich, alles deutet darauf hin, dass Jesus im Anschluss an seine Gefangennahme leiden und sterben muss. Aber sie erschöpft sich nicht darin. Die drei Szenen dieser Geschichte malen ein Bild, dass aus Hell und Dunkel gestaltet ist. Die intime Geste des Kusses geht einher mit der Auslieferung Jesu; der kämpferische Angriff seiner Jünger verletzt einen der Häscher, aber Jesus heilt das abgeschlagene Ohr; sein unbehelligter Aufenthalt im Tempel steht der mit Waffengewalt erfolgenden Festnahme gegenüber.
Helligkeit und Dunkelheit ergeben ein realistisches Bild der Welt Jesu und der Welt überhaupt. Das Leid, die Gewalt, der Tod sind eine Realität, aber auch die Heilung, das Lichte, die Worte im Tempel, selbst die irritierende Zärtlichkeit des Judas.
Dabei ist festzuhalten, dass wir nicht nur im Leid Gottes Nähe erfahren können. Dieser Schluss von dem Leid der Welt, dass uns notwendigerweise zu den Freuden des Himmels führt, wurde oft als erzieherisches Mittel missbraucht, um Kontrolle und Macht auszuüben. Das Leid ist auf dieser Welt ein Zeichen menschlicher Gottesferne und deshalb unausweichlich. Allerdings und paradoxerweise ist Gott dann besonders nahe, wenn ich ihn im Leid fern glaube.
Dieser Glaube ist der Grund, weshalb Jesus seine Jünger bittet zu beten, damit sie der Versuchung widerstehen, Gott fern zu glauben, weil ihre Welt sich gottlos anfühlt; aber wo das Chaos und die Finsternis herrschen, ist Gott an ihrem Platz, denn sie ist Mutter und Schöpferin der Welt, indem sie das Chaos ordnet und sagt, es werde Licht. Selbst Jesus muss sich das in seinem Gebet vor Augen halten.
Das Leid führt zur Leidlosigkeit in einer leidvollen Welt, wobei aber nicht Leid selbst verherrlicht wird. Sondern im Gegenteil, es soll überwunden sein,
das Ohr wächst wieder an. Diese mittlere Szene hat deshalb mit ihrer Heilung eine besondere Stellung. Sie kehrt das schreckliche Geschehen für einen Augenblick um. Ein Leben wird nicht zerstört, sondern gerettet. Mitten in der Auslieferung und der Gefangennahme blitzt ein Zeichen der Hoffnung auf, dass es nicht finster bleiben wird. Das Leid ist nicht vermeidbar, weil es in der Welt herrscht, aber es wird ihm im selben Moment etwas entgegengestellt, weil Jesus an Gott festhält. Sonst bliebe ihm gar nichts.
Darin liegt ein Trost, eine Ermutigung, eine Hoffnung. An Gott festhalten. Weil er an uns festhält. Oder wie es in der fast trotzigen Bitte des Wochenliedes anklingt: Führst du uns durch raue Wege, gib uns auch die nötge Pflege. Ja, so soll es sein. Selbst die Gefangennahme Jesu erzählt davon, weil das Licht nicht ausbleibt in dieser Finsternis.
Amen.

  • Sichere Zuflucht – Miteinander und füreinander beten

Beispielhaft für das Leid in der Welt beten wir heute für die Menschen in Tunesien, die unter der schweren Wirtschaftskrise im Land leiden,
weil Armut und Elend zunehmen.
Mit Sorge hören wir die Meldungen über die Unruhen in Tunesien.
Tausende Menschen demonstrieren gegen Präsidenten Saied.
Um die Probleme im Land zu verschleiern,
schürt er Rassismus und hetzt Menschen gegeneinander.
Der gesäte Hass treibt fürchterliche Taten hervor
und besonders Mädchen und Frauen leiden darunter.
Wir bitten Dich:
Steh den Opfern von rassistischem Terror in Tunesien bei.
Hilf allen, die das Land verlassen müssen, dass sie eine sichere Zuflucht finden.
Bewahre Tunesien davor, dass die Demokratie zugrunde geht.
Segne Helferinnen und Helfer vor Ort, die den Menschen beistehen, ihre Rechte zu verteidigen.
Sende Deinen Geist der Kraft und der Liebe und der Besonnenheit nach Tunesien,
und vereine uns in internationaler Gemeinschaft, dass dieses Land eine bessere Zukunft hat.

Vater unser im Himmel,
geheiligt werde Dein Name.
Dein Reich komme.
Dein Wille geschehe,
wie im Himmel, so auf Erden.
Unser tägliches Brot gib uns heute.
Und vergib uns unsere Schuld,
wie auch wir vergeben unsern Schuldigern.
Und führe uns nicht in Versuchung,
sondern erlöse uns von dem Bösen.
Denn dein ist das Reich und die Kraft
und die Herrlichkeit in Ewigkeit.
Amen.

  • Segen

Es segne und behüte uns der allmächtige und barmherzige
Gott, Vater, Sohn und Heiliger Geist.
Er bewahre uns vor Unheil und führe uns zum ewigen Leben.
Amen.

(Pfr. Olaf Wisch)

Reminiszere (05.03.)2023 – Thema: „Freier Sonntag“

  • Eröffnung

Mitten in der Passionszeit ein Blick auf den Sonntag. Das Innehalten in der Passionszeit, das Bedenken, wie der Alltag den Atem raubt; wie die Sonntagsruhe uns Raum geben kann zum Durchatmen, fügt sich in die Zeit ein, die uns an das Leiden und Sterben erinnert und zugleich den Blick darüber hinaus lenkt: auf den Lebensbaum des Paradieses. Der Sonntag und seine Ruhe geben ein Vorgeschmack davon.

  • Lob auf den Lippen – Ein Lied: „Du schöner Lebensbaum des Paradieses“ (EG 96)

Du schöner Lebensbaum des Paradieses,
gütiger Jesus, Gotteslamm auf Erden.
Du bist der wahre Retter unsres Lebens, unser Befreier.

Nur unsretwegen hattest du zu leiden,
gingst an das Kreuz und trugst die Dornenkrone.
Für unsre Sünden musstest du bezahlen mit deinem Leben.

Lieber Herr Jesus, wandle uns von Grund auf,
dass allen denen wir auch gern vergeben,
die uns beleidigt, die uns Unrecht taten, selbst sich verfehlten.

Für diese alle wollen wir dich bitten,
nach deinem Vorbild laut zum Vater flehen,
dass wir mit allen Heilgen zu dir kommen in deinen Frieden.

Wenn sich die Tage unsres Lebens neigen,
nimm unsren Geist, Herr, auf in deine Hände,
dass wir zuletzt von hier getröstet scheiden, Lob auf den Lippen:

Dank sei dem Vater, unsrem Gott im Himmel,
er ist der Retter der verlornen Menschheit,
hat uns erworben Frieden ohne Ende, ewige Freude.

  • Das gute Teil – Evangelium nach Lukas im 10. Kapitel

Als sie aber weiterzogen, kam er in ein Dorf. Da war eine Frau mit Namen Marta, die nahm ihn auf.
Und sie hatte eine Schwester, die hieß Maria; die setzte sich dem Herrn zu Füßen und hörte seiner Rede zu. Marta aber machte sich viel zu schaffen, ihnen zu dienen. Und sie trat hinzu und sprach: Herr, fragst du nicht danach, dass mich meine Schwester lässt allein dienen? Sage ihr doch, dass sie mir helfen soll! Der Herr aber antwortete und sprach zu ihr: Marta, Marta, du hast viel Sorge und Mühe. Eins aber ist not. Maria hat das gute Teil erwählt; das soll nicht von ihr genommen werden. (Lk 10,38-42)
Wort unseres Herrn Jesus Christus.

  • Verbindung zu Gott – Gedanken zum 1700jährigen Jubiläum des freien Sonntags

Am 3. März lud die „Allianz für den freien Sonntag“ ein zu einer Online-Veranstaltung, um das 1700jährige Jubiläum zu feiern. Zur Vorbereitung auf dieses Thema lese ich im Vorwort des Buches „Der Sabbath“ von Abraham Joshua Heschel, einem jüdischen Gelehrten, wie seine Tochter Susannah Heschel die Vorbereitungen ihrer Familie auf die Sabbatfeier beschreibt. Sie erzählt von den aufgeregten Momenten in der Küche, beide Eltern bei den hektischen Vorbereitungen und der bangen Frage, ob sie denn auch an alles gedacht haben.
„Dann aber“, schreibt sie, „plötzlich, war es an der Zeit: 20 Minuten vor Sonnenuntergang. Was auch immer in der Küche nicht mehr erledigt werden konnte, ließen wir einfach stehen und liegen als wir die Kerzen anzündeten und die Ankunft des Sabbaths segneten. Mein Vater schreibt: Der Sabbath kommt wie eine Umarmung, die Angst, Sorge und düstere Gedanken abstreift.“
Es geschieht, bei Sonnenuntergang, es ist an der Zeit, in die aufbrechende Dämmerung bricht eine Ordnung ein, die Gott und Mensch unabweisbar zum siebten Tag der Schöpfung führt, zum Ruhetag, an dem nicht mehr geschaffen und gearbeitet wird, an dem Frieden herrscht unter allen Menschen des Hauses. Niemand soll etwas tun, nichts soll mehr geordnet, zubereitet und geregelt werden.
Dieses Gebot beruht also auf einer Tatsache. Es ist ein natürliches Gebot, das ebenso wie der Lauf der Sonne, eine Gegebenheit ist. Dieses Gebot in Frage zu stellen ist schlichtweg nicht möglich. Es liegt nicht in meiner oder irgendeines Menschen Hand. Es ist keine Frage der Erwägung. Möge jeder in dieser Zeit gut vorbereitet sein!

Um es deutlich zu machen: Den Sabbath in Frage zu stellen, wäre genauso irrsinnig wie die Frau in einer Fernsehserie, die sich über das Mondlicht beschwert, weil es die Beleuchtung ihrer akribisch vorbereiteten Gartenparty stört. Zu Recht schauen sich alle irritiert an. Sogar sie selbst erkennt das Unsinnige an ihrer Beschwerde. Sie kann das Mondlicht nicht einfach abschalten.
Deshalb stelle ich auch selbst in Frage, woran ich lange glaubte. Dass nämlich der Sabbat, oder unser Sonntag, irgendwie disponibel wäre. Als wir in der Ausbildung über den Sonntag diskutierten, warf einer meiner Kollegen ein, dass der Ingenieur, der am Sonntag seine geliebte Werkzeugsammlung sortiert, auf seine Weise den Sonntag feiern würde. Ich stimmte ihm zu.
Nun aber würde ich sagen, dass jede sinnvolle Tätigkeit in unserem menschlichen Sinne eben dieses Gebot verletzt. Jede Tätigkeit ist untersagt und soll unterbrochen sein. So wie Susannah Heschel es beschreibt: Alles bleibt stehen und liegen, kein Schalter wird mehr bewegt, keine Zeile geschrieben, keine Reise unternommen. Selbst profane Lektüre bleibt außen vor; allein das Wort Gottes in den heiligen Schriften hat hier seinen Platz.
Abraham Joshua Heschel fasst diese Zeit als ein Einbruch der Ewigkeit, als ein Stehenbleiben (in) der Zeit, als ein Kreisen um das Nichts, wie es am Anfang der Schöpfung bestand, sinnlos in unseren Augen und unseren Händen entzogen, führt der Sabbat, dieser siebte Tage, zurück zum Anfang der Schöpfung, das allein in Gottes Wort ruht und sich ordnet. Er führt uns in die Zeit, in die Zeitlosigkeit zwischen Kreuz und Auferstehung.
Dieser Moment von Zeitlosigkeit, Sinnlosigkeit, dieses Stehenbleiben in der Zeit, diese Zeit der Ruhe erinnert deshalb nicht nur zufällig an den Tod und an die Sitte jüdischer Trauerzüge, die der Psychoanalytiker Leon Wurmser beschreibt. Unvermittelt bleibe der Trauerzug stehen, halte inne, ohne äußeren Anlass, um das Stehenbleiben der Zeit, den Einbruch der Sinnlosigkeit hin zur Ewigkeit spürbar zu machen.

Der Sabbat ist also unumgänglich. Keine Ausrede zählt, wenn es nicht das Leben selbst betrifft. Wenn die Zeit des Sabbats eintrifft – das ist ein Naturgesetz der Schöpfung – kommt die Zeit zum Stehen. Genau das ist unser freier Sonntag. Er ist Gottes Zeit. Es ist die Zeit, in seiner Sphäre zu sein. Keine menschliche Begründung könnte diese Zeit einholen. Er ist keine Wellnessdirektive, die darauf aus ist, die Arbeitskraft des Menschen zu erhalten. Es geht nicht darum, sich etwas Gutes zu tun. Es ist auch nicht die Zeit staatlicher oder kirchlicher Ordnung, worauf das 1700jährige Jubiläum verweist. Kaiser Konstantin hat damit nichts zu tun. Und eben auch die Kirche nicht. Es geht nicht darum, die Gläubigen aufzufordern, sich in der Kirche einzufinden, obwohl es selbstverständlich eine schöne und erhebende Gelegenheit ist, miteinander den Gottesdienst zu feiern. Aber es ist kein Muss! Abraham Joshua Heschel pflegte, wie sich seine Tochter erinnert, meistens zu Hause zu bleiben, um seine Gebete zu sprechen. Das Entscheidende hat er getan. Alle Arbeit ließ er ruhen. Auch gegen seine Bequemlichkeit. Wer wäre er auch, wer wären wir, die Umarmung Gottes auszuschlagen? Arme, verfluchte Menschen, die sich dem Segen des Sabbats entziehen und verweigern. Deshalb weist auch Jesus in harscher Weise die geschäftige Martha zurecht. Maria hat das bessere Teil erwählt. Denn es ist an der Zeit Jesu Wort zu hören. Darin steckt kein unsensibles, machoartiges Verhalten, wie es auf den ersten Blick erscheinen könnte. Er schmälert die Arbeit Marthas nicht. Es ist vielmehr erstaunlich, das der Evangelist Lukas sie überhaupt in den Blick nimmt. So wie Susannah Heschel die hektische Arbeit in der Küche beschreibt. Übrigens beider Eltern, Mutter und Vater. Aus diesem Blickwinkel nehme ich an, dass auch Maria nicht nur zu Jesu Füßen saß, sondern ebenfalls ihren Teil der Arbeit beigetragen hat. Jetzt ist es aber an der Zeit, alles stehen und liegen zu lassen. Auch und vor allem entgegen der Gewohnheit, der Bequemlichkeit und der Vernunft.

Das Gebot der Sonntagsruhe hat im Kreis der 10 Gebote seinen festen Platz. Es ist falsch, es nur nach Lust und Laune zu beachten. Es steht neben dem 5. Gebot und neben dem 1. Gebot; es reiht sich ein in das umfassende Gebot der Gottes- und Nächstenliebe. Es gehört dazu wie Saat und Ernte, Frost und Hitze, Sommer und Winter, Tag und Nacht. Gesegnet sei dieser Tag!
Amen.

  • Halte inne – Miteinander und füreinander beten

Gott halte inne, segne uns diesen Tag; verleih uns Frieden und Ruhe.
Ruhe vor den Geschäften und der Geschäftigkeit der Welt.
Ruhe vor den Waffen mörderischer Kriege.
Ruhe vor dem Unfrieden in unserem Land.
Ruhe vor den politischen Forderungen, Meinungen und Kämpfen.
Ruhe vor unseren Ängsten, Sorgen und düsteren Gedanken.
Ruhe vor unserem Leid.
Ruhe für die Menschen, die unter menschlicher Geschäftigkeit leiden.
Unter menschlichem Hass und Streit.
Ruhe für die Menschen, die unter Krankheit und Einsamkeit leiden.
Unter Tod und Trauer.

Bleibe bei uns, Herr, denn es will Abend werden.
Mit deinen Worten beten wir.

Vater unser im Himmel,
geheiligt werde Dein Name.
Dein Reich komme.
Dein Wille geschehe,
wie im Himmel, so auf Erden.
Unser tägliches Brot gib uns heute.
Und vergib uns unsere Schuld,
wie auch wir vergeben unsern Schuldigern.
Und führe uns nicht in Versuchung,
sondern erlöse uns von dem Bösen.
Denn dein ist das Reich und die Kraft
und die Herrlichkeit in Ewigkeit.
Amen.

  • Segen

Es segne und behüte uns der allmächtige und barmherzige
Gott, Vater, Sohn und Heiliger Geist.
Er bewahre uns vor Unheil und führe uns zum ewigen Leben.
Amen.

(Pfr. Olaf Wisch)

Invokavit (26.02.)2023

  • Eröffnung

„Dazu ist erschienen der Sohn Gottes, dass er die Werke des Teufels zerstöre.“
Mit diesen Worten aus dem 1. Johannesbrief werden wir darin bestärkt, dass Gott uns beisteht in jeder Versuchung und jedem Leid. Darin zeigen sich Glaube, Liebe und Hoffnung, an denen Gott uns teilhaben lässt. Gerade in der kommenden Passionszeit.

  • Daß uns der Feind nicht trutze – Ein Lied: „Ach bleib mit deiner Gnade“ (EG 347)

1) Ach bleib mit deiner Gnade
bei uns, Herr Jesu Christ,
daß uns hinfort nicht schade
des bösen Feindes List.

2) Ach bleib mit deinem Worte
bei uns, Erlöser wert,
daß uns sei hier und dorte
dein Güt und Heil beschert.

3) Ach bleib mit deinem Glanze
bei uns, du wertes Licht;
dein Wahrheit uns umschanze,
damit wir irren nicht.

4) Ach bleib mit deinem Segen
bei uns, du reicher Herr;
dein Gnad und alls Vermögen
in uns reichlich vermehr.

5) Ach bleib mit deinem Schutze
bei uns, du starker Held,
daß uns der Feind nicht trutze
noch fäll die böse Welt.

6) Ach bleib mit deiner Treue
bei uns, mein Herr und Gott;
Beständigkeit verleihe,
hilf uns aus aller Not.

  • Bloß sein Leben wahre – Worte aus dem Buch Hiob im 2. Kapitel

Eines Tags geschahs, die Gottessöhne kamen, vor IHN zu treten, auch der Hinderer kam mitten unter ihnen, vor IHN zu treten. ER sprach zum Hinderer: »Von wannen kommst du?« Der Hinderer antwortete IHM, er sprach: »Vom Schweifen über die Erde, vom Mich-ergehen auf ihr.« ER sprach zum Hinderer: »Hast du dein Herz auf meinen Knecht Ijob gerichtet: daß keiner auf Erden ihm gleich ist, ein Mann schlicht und gerade, Gott fürchtend und vom Bösen weichend? Und noch hält er an seiner Schlichtheit. Du aber hast mich gegen ihn gereizt, ihn umsonst zu verschlingen.« Der Hinderer antwortete IHM, er sprach: »Haut um Haut, alles, was eines Mannes ist, gibt er um sein Leben. Hingegen schicke doch deine Hand aus und rühre an sein Gebein und an sein Fleisch, – ob er nicht in dein Antlitz dir absegnet!« ER sprach zum Hinderer: »Da, er ist in deiner Hand, bloß sein Leben wahre!« Der Hinderer fuhr aus von SEINEM Antlitz und schlug Ijob mit einem bösen Geschwür von der Sohle seines Fußes bis zu seinem Scheitel. Der nahm sich eine Scherbe, sich damit zu schaben, während er inmitten der Asche saß. Sein Weib sprach zu ihm: »Noch hältst du an deiner Schlichtheit! Segne Gott ab und stirb!« Er sprach zu ihr: »Gleich dem Reden einer der Nichtigen redest du. Auch das Gute empfangen wir von Gott – und wollen das Böse nicht empfangen?« Bei alledem sündigte Ijob nicht mit seinen Lippen. (Übersetzung nach Buber / Rosenzweig)

  • Verbindung zu Gott- Gedanken zu Hiob

Gott sieht Hiob.
Er hat sein Herz auf ihn gerichtet.
Er schätzt ihn. Seine Schlichtheit und Geradheit.
Seine Gottesfurcht und seine Gütigkeit.
In all diesen Begriffen drückt Gott aus,
dass auch Hiob sich von Gott gesehen weiß.
Unabhängig davon, ob Gott ihm Gutes oder Böses schickt.
Gott ist in Verbindung mit Hiob,
Hiob ist in Verbindung mit Gott.
Das ist erstaunlich und verwirrend.
Hiobs Gottesbild beschränkt sich nicht darauf,
dass Gott für sein Wohlergehen zuständig sei.
Ihm kommt es allein darauf an,
von Gott nicht verlassen zu sein,
Gottes Dasein zu wissen und zu fühlen,
eben mit ihm in Verbindung zu sein.

Und so geht es Gott auch.
Gott fragt den Hinderer, hebräisch, den Satan:
Hast du dein Herz auf meinen Knecht Hiob gerichtet?
Dieser gibt aber keine Antwort darauf.
Hiob interessiert ihn wohl nicht.
Vielmehr erinnert er Gott an den Wettstreit,
den beide um Hiob ausfechten.
Wird Hiob die Verbindung zu Gott abbrechen,
wenn er alles verliert, was sein Leben bisher ausgemacht hat.
Wenn er seine Kinder verliert, seinen Besitz;
und schließlich sogar seine Gesundheit.
Wenn Gott ihn in Versuchung führt.
Wenn ihm nichts mehr bleibt. Außer sein nacktes Leben.

Hiobs Frau folgt diesem Gedanken des Hinderers.
Verständlicherweise empfiehlt sie Hiob, Gott abzusegnen.
Ihn zu lassen, sich nicht mehr mit ihm zu befassen.
Im Tod wird ihm das sicher gelingen, glaubt sie:
Segne Gott ab und stirb.
Dann hat das Leid ein Ende.
Gott ist für sie wie ein Geschäftspartner,
dem Hiob kündigen soll oder kann oder darf oder muss,
wenn er ihm nicht mehr das liefert, was er wünscht.

Hiobs Perspektive ist anders.
Der Hinderer hat Recht, wenn er sagt: Haut um Haut,
alles, was eines Mannes ist, gibt er um sein Leben.
Hiob hängt an seinem Leben. Bis zum letzten Atemzug.
Deshalb gibt er seines nicht auf. Das Letzte, was ihm bleibt.
Seine Verbindung zu Gott. Sein Gebet. Seine Sehnsucht.
Seine Klage. Sein Hoffen, Lieben und Glauben.
Es ist alles, was er noch hat. Sein Leben. Gott.
Sonst bleibt ihm nur der Tod. Ohne Gott.
Darin würde Hiobs Frau Recht behalten.

Liebe Gemeinde,
wie in einer Ellipse gibt es immer zwei Zentren,
wenn ich die Frage nach Glaube und Versuchung stelle.
Die eine wird von Gott und dem Hinderer gebildet.
Sie ist ein Bild von Gott, wie ich es mir in Freud oder Leid vorstelle.
Da ist Gott, der sich für mich interessiert,
und auf der anderen Seite der Hinderer, dem ich gleichgültig bin.
Hiob und seine Frau bilden die Zentren der anderen Ellipse.
Auf der einen Seite halte ich an Gott fest, ob in Freud oder Leid.
Auf der anderen Seite zweifle ich an ihm.
Zweifelnder und gläubiger Mensch.
Gott und der Hinderer, sie sind aus meiner Sicht untrennbar;
so wie Zweifel und Glauben in mir fest verbunden sind.
Wenn es nur diese beiden Verbindungen gäbe
wäre es egal, ob ich an Gott oder den Teufel glaube,
sie sind ja eins;
es wäre egal, ob ich zweifle oder glaube,
es ist ja ein und dasselbe
es wäre egal, wenn es nicht eine dritte Ellipse gäbe.
Deren Zentren sind Gott und Hiob.
Sie sind unauflöslich miteinander verbunden.
Mag sein, dass ich leide, dass ich nichts besitze,
dass es mir an Aussichten und Zukunftshoffnungen fehlt;
dass ich nichts Besonderes leiste oder den Erwartungen meiner Mitmenschen nicht gerecht werde,
dass es mir an Schönheit und Gesundheit fehlt,
dass ich verlassen, einsam und krank in der Asche hocke,
eines kann ich von Hiob lernen,
auch wenn mir seine Haltung erstaunlich und verwirrend vorkommt,
an einem hält Hiob unverbrüchlich fest:

Gott sieht mich.

Amen.

  • Bleibe uns verbunden – Miteinander und füreinander beten

Gott, sieh uns an, voller Liebe,
dass ich daran festhalte,
auch wenn die Welt in Krieg versinkt,
in Streit und Hass;
auch wenn es ungerecht zugeht,
Geiz und Gier regieren;
auch wenn uns Katastrophen am Sinn des Lebens zweifeln lassen.
In deiner Liebe bleibe uns verbunden.

Gott, sieh uns an, voller Glauben,
dass wir daran festhalten,
dass du uns gut geschaffen hast,
auf Gemeinschaft und Nächstenliebe hin,
dass wir uns unter deinem Wort versammeln,
und Heimat sein können für alle Menschen,
die nach dir fragen.
In deinem Glauben bleibe uns verbunden.

Gott, sieh uns an, voller Hoffnung,
dass wir daran festhalten,
auch dann, wenn uns großes Leid trifft,
wenn wir selbst und unsre Liebsten leiden,
an Krankheit, Einsamkeit und Trauer,
dass du uns Leben schenkst
selbst über den Tod hinaus.
In deiner Hoffnung bleibe uns verbunden.

Gott hat uns zugesagt,
in Jesus Christus mit uns verbunden zu bleiben.
Mit seinen Worten beten wir.

Vater unser im Himmel,
geheiligt werde Dein Name.
Dein Reich komme.
Dein Wille geschehe,
wie im Himmel, so auf Erden.
Unser tägliches Brot gib uns heute.
Und vergib uns unsere Schuld,
wie auch wir vergeben unsern Schuldigern.
Und führe uns nicht in Versuchung,
sondern erlöse uns von dem Bösen.
Denn dein ist das Reich und die Kraft
und die Herrlichkeit in Ewigkeit.
Amen.

  • Segen

Es segne und behüte uns der allmächtige und barmherzige
Gott, Vater, Sohn und Heiliger Geist.
Er bewahre uns vor Unheil und führe uns zum ewigen Leben.
Amen.

(Pfr. Olaf Wisch)

Sexagesimae (12.02.)2023

Wir begrüßen in unserer Mitte die Familie […]. Der Vater und seine Kinder werden in diesem Gottesdienst getauft. Wir freuen uns mit ihnen und feiern zusammen den Anfang ihres Weges in der christlichen Gemeinde.

  • Anfangen

In deinen Händen, Herr, steht unsere Zeit.
Denke an mich in deiner Gnade.
Erhöre mich und hilf mir. Amen

  • Eröffnung

Der Spruch für die neue Woche steht im Brief an die Hebräer Kapitel 3,15
„Heute, wenn ihr seine Stimme hört, so verstockt eure Herzen nicht.“

  • Ein Lied: Ich möcht, dass einer mit mir geht (EG 209)

Ich möcht‘, dass einer mit mir geht,
der’s Leben kennt, der mich versteht,
der mich zu allen Zeiten kann geleiten.
Ich möcht‘, dass einer mit mir geht.

Ich wart‘, dass einer mit mir geht,
der auch im Schweren zu mir steht,
der in den dunklen Stunden mir verbunden.
Ich wart‘, dass einer mit mir geht.

Es heißt, dass einer mit mir geht,
der’s Leben kennt, der mich versteht,
der mich zu allen Zeiten kann geleiten.
Es heißt, dass einer mit mir geht.

Sie nennen ihn den Herren Christ,
der durch den Tod gegangen ist;
er will durch Leid und Freuden mich geleiten.
Ich möcht‘, dass er auch mit mir geht.

  • Worte aus Psalm 27

Der Herr ist mein Licht und mein Glück.
Vor wem sollte ich mich fürchten?
Der Herr ist der Schutz meines Lebens.
Vor wem sollte ich erschrecken?
Auch wenn ein Heer mich belagert,
bleibt mein Herz ganz ohne Furcht!
Auch wenn ein Krieg gegen mich ausbricht,
halte ich an meinem Vertrauen fest.
Ich hatte eine einzige Bitte an den Herrn.
Nichts anderes wünsche ich mir:
Ich möchte im Haus des Herrn sein
alle Tage meines Lebens.
Ich möchte die Schönheit des Herrn schauen
und sie im Inneren seines Tempels betrachten.
Denn er bewahrt mich in seiner Hütte
am Tag, an dem mir Unheil droht.
Er bietet mir Schutz unterm Dach seines Zeltes,
er hebt mich hoch auf einen sicheren Felsen.
Ich dachte nach über dein Wort:
»Ihr sollt mein Angesicht suchen!«
Ja, dein Angesicht, Herr, will ich suchen!
Hoffe auf den Herrn.
Sei stark und fasse neuen Mut.
Setz deine Hoffnung auf den Herrn!

  • Taufe

Die christliche Kirche tauft nach dem Willen unseres Herrn Jesus Christus
und im Vertrauen auf seine Verheißung.
So steht geschrieben im Evangelium nach Matthäus:
Christus spricht: „Mir ist gegeben alle Gewalt im Himmel und auf Erden. Darum gehet hin und lehret alle Völker: Taufet sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes und lehret sie halten alles, was ich euch befohlen habe. Und siehe, ich bin bei euch alle Tage bis an der Welt Ende.“

Kreuzeszeichen
Die ihn aber aufnahmen, denen gab er Vollmacht, Gottes Kinder zu werden, denen, die an seinen Namen glauben (Joh 1,12). So ruft Christus uns Menschen in Liebe zu sich. Darum sollen die Täuflinge das Zeichen des Kreuzes empfangen. Lasst uns beten: Jesus Christus, in der Taufe sagst du Ja zu uns. Du bist der Weg, die Wahrheit und das Leben. Wir bitten dich: Lass die Wege derer, die heute getauft werden, auch deine Wege sein. Öffne sie für deine Wahrheit und gib ihnen Anteil an deinem unvergänglichen Leben. Dir vertrauen wir uns an und loben Gott, unseren Schöpfer.

WILLKOMMEN DER GEMEINDE
Euch alle, die ihr Zeugen dieser Taufen seid, bitten wir: Nehmt auch ihr euch dieser Kinder an! Begleitet sie als Schwestern und Brüder. Ihr seid verbunden im Glauben, in der Hoffnung und in der Liebe!

  • Predigt
Bildnachweis: https://www.express.co.uk/news/nature/670328/World-famous-Misha-the-giraffe-behind-touching-Kiss-photo-dies-Perth-Zoo

Die kleine Giraffe ist ein Bild dafür, was uns Menschen in der Taufe geschieht. Wir sehen ein Geschöpf Gottes, wundersam in seiner Ausformung, schön gestaltet. Ein süßes Ding. Nach menschlichen Begriffen schaut es neugierig in die Welt, den langen Hals hoch aufgereckt, stolz und zugleich so verletzlich. Riesenhaft wirkt der Kopf seiner Mutter, der sich über das junge Tier beugt und es sanft berührt. Wie aus dem Nichts taucht dieser Kopf auf, senkrecht von oben und doch ganz nah. Sie wendet sich der kleinen Giraffe zu und verheißt Schutz und Pflege.
Auch in der Taufe wendet sich Gott uns zu, und zwar in der zärtlichsten, liebevollsten, wichtigsten und folgenreichsten Weise, die er uns schenken kann.
Ohne ihn können wir nicht leben. Er schenkt uns Schutz und Nahrung und Liebe.
Diese Zuwendung trifft uns in unserem irdischen Dasein ebenso wie in unserem himmlischen. Die Taufe ist das Tor und der Weg in das Leben.
In ein neues Leben. Mit Gott.
So beginnt es. In dieser wundersamen Weise. So setzt es sich fort. Verletzlich ist dieses Leben. Es droht Gefahr in dieser Welt. Von außen und von innen. Es ist uns mehr als deutlich, was unser Leben bedroht. Der Krieg ist wieder Alltag geworden, ist uns nah gerückt; Krankheiten bedrohen uns, mal mehr, mal weniger offensichtlich; und dazu kommt, was wir aus uns selbst machen, wie wir leben wollen, und ob wir unseren Mitmenschen ein Licht sein werden oder doch Finsternis. Gott sagt uns zu, dass er unser Leben in all seiner Schönheit erhalten will. Gott sagt uns, dass es außer unserer eigenen Kraft steht, es zu erhalten, wie er es gemeint hat. Es ist ein Leben von Gott her, er will ein neues Leben zu ihm hin. Der Taufspruch aus dem Jesajabuch nimmt dieses Gefühl auf. Diese Verletzlichkeit. Und setzt dagegen die Hoffnung, die in Gottes Zusage steckt: Fürchte dich nicht, ich bin mit dir, weiche nicht, denn ich bin dein Gott. Ich stärke dich, ich helfe dir auch, ich halte dich durch die rechte Hand meiner Gerechtigkeit.
Wer darauf vertraut, kann – wie im Taufspruch aus dem Psalm 27 – stark und mutig durch das Leben gehen: Hoffe auf den Herrn. Sei stark und fasse neuen Mut. Setz deine Hoffnung auf den Herrn.
Das Leben wird durch diese Zusage und Hoffnung von Grund auf verändert. Ein neues Leben, das sich auf Christus gründet, wie im Taufspruch aus dem Römerbrief: Aber Christus wurde durch die Herrlichkeit des Vaters von den Toten auferweckt. So werden auch wir ein neues Leben führen.
Der Schrecken des Todes, das unser verletzliches Leben, unsere zierlichen Glieder bedroht, das uns die Schattenseiten des Lebens vor Augen führt und uns trostlos und traurig macht, wird abgewendet. Gott sagt: So ist dein Leben nicht mehr.
Ich gebe dir ein neues Leben.
Und das hat Folgen. Sie sind im Taufspruch aus dem Epheserbrief beschrieben: Wandelt als Kinder des Lichts, die Frucht des Lichts ist lauter Güte und Gerechtigkeit und Wahrheit.
Zur Taufe gehört also, dass wir beides sind. Zuallererst die kleine Giraffe, niedlich und schutzbedürftig. In der Folge aber auch die große Giraffe, die sich dem kleinen Geschöpf zärtlich zuwendet.
In den Taufsprüchen der vier finden wir diesen Reichtum an Hoffnung und Güte wieder, der sich mit der Taufe erfüllt.
Heute steht uns das klar vor Augen. Die Kinder und ihre Eltern. Wir alle sind vor Gott in der Taufe immer ein Kind. Sonst wäre sie gar nicht möglich. Vor Gott sind wir in der Taufe auch immer Eltern. Verantwortlich für das Wohlergehen unserer Nächsten. Und zugleich sehen wir, wie gerade aus dieser Kindlichkeit eine Gemeinschaft wächst, in der wir uns gegenseitig stärken und behüten können. Im guten Geist Gottes. Geführt ins neue Leben.
Von nun an bis in alle Ewigkeit. Amen.

  • Miteinander und füreinander beten

Du, unser Gott, wir danken dir für deine Schöpfung.
Leider geht die Menschheitsfamilie nicht besonders sorgsam mit ihr um.
Und auch mit sich selbst nicht. Die Zerstörung der Lebensgrundlagen
und die Gewalt untereinander in den Kriegen dieser Welt stellt dein Werk in Frage. Stärke uns und ermutige uns, dass wir uns immer wieder in Erinnerung rufen
und dafür einstehen, dass deine Schöpfung ein gutes Werk und voller Segen ist.
Du, unser Gott, wir danken dir für das neue Leben,
das du in der Taufe geschenkt hast und bitten dich:
Führe die heute Getauften auf gutem Weg.
Sei ihnen nahe. Wecke ihren Glauben und erhalte ihn.
Segne die Eltern und Zeugen in ihrer Verantwortung
Dein Heiliger Geist sei mit uns allen
Du, unser Gott, wir danken dir für die Menschen in unserer Nähe.
Bewahre unseren Zusammenhalt in dieser Gemeinde und in unserer Stadt,
in unseren Familien und mit unseren Nachbarn.
Dass wir uns gegenseitig stützen und helfen können, wenn uns Armut, Krankheit, Trauer und Einsamkeit die Kraft rauben.
Und dass wir darauf vertrauen, Hilfe zu geben und anzunehmen.

Mit Jesu Worten beten wir:
Vater unser im Himmel,
geheiligt werde Dein Name.
Dein Reich komme. Dein Wille geschehe,
wie im Himmel, so auf Erden.
Unser tägliches Brot gib uns heute.
Und vergib uns unsere Schuld,
wie auch wir vergeben unsern Schuldigern.
Und führe uns nicht in Versuchung,
sondern erlöse uns von dem Bösen.
Denn dein ist das Reich und die Kraft
und die Herrlichkeit in Ewigkeit. Amen.

  • Segen

Es segne und behüte uns der allmächtige und barmherzige Gott,
Vater, Sohn und Heiliger Geist.
Er bewahre uns vor Unheil und führe uns zum ewigen Leben.
Amen.

(Pfr. Olaf Wisch)

Letzter Sonntag nach Epiphanias (29.01.)2023

  • Eröffnung

„Über dir geht auf der Herr, und seine Herrlichkeit erscheint über dir.“ Mit diesen verheißungsvollen Worten begrüßt uns der Prophet Jesaja in dieser Woche. Am Ende der Weihnachtszeit erinnert er uns noch einmal daran, was da geschehen im Stall bei Bethlehem. Ein Kind wird geboren, das das Licht Gottes an sich trägt. Mitten in der Finsternis dieser Welt.

  • Leucht uns selbst in dieser Welt – Ein Lied: „Morgenglanz der Ewigkeit“ (EG 450)
  1. Morgenglanz der Ewigkeit,
    Licht vom unerschöpften Lichte,
    schick uns diese Morgenzeit,
    deine Strahlen zu Gesichte
    und vertreib durch deine Macht
    unsre Nacht!
  2. Deiner Güte Morgentau
    fall auf unser matt gewissen,
    laß die dürre Lebensau
    lauter süßen Trost genießen
    und erquick uns, deine Schar,
    immerdar!
  3. Gib, daß deiner Liebe Glut
    unsre kalten Werke töte
    und erweck uns Herz und Mut
    bei erstandner Morgenröte,
    daß wir, eh wir gar vergehn,
    recht aufstehn!
  4. Ach du Aufgang aus der Höh,
    gib, daß auch am jüngsten tage
    unser leib verklärt ersteh
    und, entfernt von aller Plage,
    sich auf jener Freudenbahn
    freuen kann.
  5. Leucht uns selbst in dieser Welt,
    du verklärte Gnadensonne;
    führ uns durch das Tränenfeld
    in das Land der süßen Wonne,
    da die Lust, die uns erhöht,
    nie vergeht.
  • Fürchtet euch nicht Evangelium nach Matthäus im 17. Kapitel

Und nach sechs Tagen nahm Jesus mit sich Petrus und Jakobus und Johannes, dessen Bruder, und führte sie allein auf einen hohen Berg. Und er wurde verklärt vor ihnen, und sein Angesicht leuchtete wie die Sonne, und seine Kleider wurden weiß wie das Licht. Und siehe, da erschienen ihnen Mose und Elia; die redeten mit ihm.
Petrus aber antwortete und sprach zu Jesus: Herr, hier ist gut sein! Willst du, so will ich hier drei Hütten bauen, dir eine, Mose eine und Elia eine. Als er noch so redete, siehe, da überschattete sie eine lichte Wolke. Und siehe, eine Stimme aus der Wolke sprach:
Dies ist mein lieber Sohn, an dem ich Wohlgefallen habe; den sollt ihr hören!
Als das die Jünger hörten, fielen sie auf ihr Angesicht und fürchteten sich sehr. Jesus aber trat zu ihnen, rührte sie an und sprach: Steht auf und fürchtet euch nicht! Als sie aber ihre Augen aufhoben, sahen sie niemand als Jesus allein. Und als sie vom Berge hinabgingen, gebot ihnen Jesus und sprach: Ihr sollt von dieser Erscheinung niemandem sagen, bis der Menschensohn von den Toten auferstanden ist. (Mt 17,1-9)

  • Weich und stark zugleich – Kurzgeschichte zur Verklärung Jesu

Heimlich ist sie mitgegangen. Drei seiner Jünger und er, ihnen ist sie gefolgt. Auf den Berg. Was haben sie vor? Auf einem hohen Berg? Wortlos gehen sie unter dem weiß bedeckten Himmel. Die Sonne hinter den hohen Wolken. Gebirge im Himmel. Berge unten und oben. Ein Plateau. Felsiger, flacher Kegel, die windflüchtigen Bäume im dünnen Erdreich. Dahinter versteckt sie sich. Hier, ganz oben. Er sondert sich ab, schaut seine Jünger an, in seinem weißen Gewand. Das war ihr als erstes aufgefallen, als er in ihrem Dorf erschien. Von oben bis unten gewebt. Eine Kostbarkeit, die passte nicht zu seiner unscheinbaren Gestalt, den nackten Füßen, dem einfachen Schuhwerk, zu seinen Gefährten, einfache Fischer vom See Genezareth. Hier oben strahlte es besonders. Seine weiße Farbe, als glühte sie auf, als leuchtete sie heller. Liegt es am Sonnenlicht in der dünneren Atmosphäre? Ist sie hier reiner als unten im Tal, wo die Feuer in den Häusern ihren Rauch in die Luft abgeben. Sie staunt. Seine Gefährten staunen. Es tut sich was. Ohne dass sich eine Veränderung feststellen ließe, die sie in Worte fassen könnte. Eine Regung, die ihr ganz eigen bleibt.
Dann bewegt er seine Lippen. Ein Gebet? Dann lauscht er. Als hörte er zu. Mitten in der Stille. Wohin richtet er seine Worte, die sie nicht hören kann. Auf was hört er? Oder bildet sie sich das alles nur ein?
Auch Petrus, einer der Gefährten, scheint etwas zu spüren. Mitten in die Stille hinein hört sie seine Stimme: Herr, hier ist gut sein! Willst du, so will ich hier drei Hütten bauen, dir eine, Mose eine und Elia eine.
Sie ist überrascht! Was sieht Petrus da? Hat Jesus doch nicht ins Leere gesprochen, war es doch kein Gebet zu Gott im Himmel. Mose, Elia, von denen hatte sie schon gehört, in der Synagoge. Oder ist es nur Petrus‘ Idee, die seiner inneren Bewegung entspringt. Die einer Hoffnung entspringt, die Jesus einordnet in die Geschichten des Volkes Israel?
Sie überlegt, ob sie hierbleiben wollte? Hier oben, in der dünnen Luft, fernab des Dorfes. Es kommt ihr einsam vor, dem Himmel so nah. Und doch kann sie Petrus auch verstehen. Hier geht etwas vor sich, was ihren Verstand übersteigt, ihr Herz rührt und Frieden verspricht.
Da verändert sich plötzlich das Licht. Reißt die dichte Wolkendecke auf, diese wundersame Wolkendecke, die in ihrer Weiße das Sonnenlicht nicht zu verdecken sondern weiter zu leiten scheint? Als ob sich dieses Weiß zum Weiß seines Gewandes gesellt. Als ob eine Verbindung zwischen dem Oben hier zu dem Oben dort hergestellt würde. Ihr möchte fast das Herz reißen, sie weint, weil sie plötzlich spürt, wie verlassen sie ist auf dieser Welt und doch in einer Wirklichkeit geborgen bleibt, die ihrem tiefsten Wunsch Erfüllung verspricht. Seine Jünger wenden ihren Blick ab. Geht es ihnen ähnlich? Erfüllt sie auch dieses widersprüchliche Gefühl von Einsamkeit und Geborgenheit. Aber nein, sie zittern! Vor Ehrfurcht? Oder vor Angst pressen sie ihre Gesichter auf den Boden? Was geschieht ihnen? Haben sie wieder die Stimmen gehört? Sie drückt sich dichter an den Baum, hinter dem sie versteckt liegt. Droht hier eine Gefahr? Kann sie ihr entgehen? Jesus aber breitet seine Arme aus und nimmt etwas in Empfang, dieses Licht, einen Gedanken, etwas, was er sieht oder hört? Ernst und Freude spiegeln sich auf seinem Gesicht. Es scheint, als ob ihm eine große Aufgabe gestellt würde, deren Verantwortung er sich bewusst und deren Würde ihm einen herrlichen Glanz verleiht.
Dann geht er zu seinen Jüngern, richtet sie auf, spricht ihnen Mut zu: Fürchtet euch nicht! Auch ihr sagt er das. Ob er es weiß, dass sie hier oben ist. Ihr Herz ist nun weich und stark zugleich. Sie bleibt hinter dem Baum. Aber innerlich richtet sie sich auf. Bleibt. In diesem Licht, das nun wieder dem gleicht, wie es zu Anfang war. Klar, dünn, weiß, irdisch. Die Sonne hinter einer dichten aber strahlend weißen Wolkendecke.
Jesus bricht auf mit seinen Jüngern. Langsam gehen sie wieder den Berg hinunter. Als sie an ihrem Baum vorbeikommen, scheint es ihr, als habe er ihr einen Blick zugeworfen. Sie nickt ihm zu. Ein Einverständnis.

Viel später harrt sie aus, unter dem Kreuz. Sie hat keine Stimmen gehört. Sie hat Gott nicht reden gehört. Sie hat nicht gehört als Gott zu Jesus sprach: Dies ist mein lieber Sohn, an dem ich Wohlgefallen habe; den sollt ihr hören! Aber sie hat dieses Licht nicht vergessen. Und sein Gewand, hell wie die Wolken im Sonnenlicht. So unglaublich weiß! Dort oben auf dem Berg. Sie kann sich genau erinnern. Das Gefühl von Einsamkeit, überschattet von einer lichten Wolke, die Geborgenheit in der unhörbaren Stimme. Sie wusste also, dass das Kreuz nicht das Ende sein konnte. So finster und hoffnungslos es auch erscheinen mochte.

Amen.

  • Richte uns auf – Miteinander und füreinander beten

Gott im Himmel,
richte uns auf und ermutige uns
in dieser finsteren und trostlosen Welt.
Wir brauchen dein Licht angesichts des Krieges in der Ukraine.
Gibt es keinen anderen Weg zum Frieden
als die Lieferungen von Waffen und Panzern?
Wir meinten verstanden zu haben,
dass dein Weg des Friedens ein anderer ist.
Dein Geist führe alle, die Verantwortung dafür tragen.
Überall auf der Welt.

Barmherziger Gott,
ebenso siehst du die Angst und die Not der Vielen,
die im Iran für ihren Mut und ihren Willen, der Wahrheit zu dienen,
eingesperrt und gefoltert oder willkürlich getötet werden.
Wir bitten dich für sie alle und ihre Familien,
vor allem für die Frauen, die trotz großer Gefahr ihre Rechte einfordern,
weil niemand im Namen Gottes das Recht hat,
Menschen zu bedrängen, zu erniedrigen oder zu töten;

So bitten wir dich, Gott, der du uns nah bist,
für alle Menschen in unserem Land.
Stärke ihren Geist, richte sie auf,
dass sie die Schuld nicht bei den anderen,
sondern Wege suchen, sich wieder näher zu kommen.

Sei auf dem Weg mit uns in deinem Licht,
mit allen, die Krankheit, Einsamkeit und Trauer erdulden müssen.

Dein Sohn, Jesus Christus, ist durch den Tod gegangen,
auferstanden und hat uns verheißen,
dass wir uns nicht fürchten müssen.

Mit seinen Worten beten wir.

Vater unser im Himmel,
geheiligt werde Dein Name.
Dein Reich komme.
Dein Wille geschehe,
wie im Himmel, so auf Erden.
Unser tägliches Brot gib uns heute.
Und vergib uns unsere Schuld,
wie auch wir vergeben unsern Schuldigern.
Und führe uns nicht in Versuchung,
sondern erlöse uns von dem Bösen.
Denn dein ist das Reich und die Kraft
und die Herrlichkeit in Ewigkeit.
Amen.

  • Segen

Es segne und behüte uns der allmächtige und barmherzige
Gott, Vater, Sohn und Heiliger Geist.
Er bewahre uns vor Unheil und führe uns zum ewigen Leben.
Amen.

(Pfr. Olaf Wisch)

3. Sonntag nach Epiphanias (22.01.)2023

  • Eröffnung

„Und es werden kommen von Osten und von Westen, von Norden und von Süden, die zu Tisch sitzen werden im Reich Gottes.“ So verheißen es die Worte des Evangelisten Lukas im Wochenspruch. Jenseits menschlicher Grenzen ist Gottes weites Reich zu entdecken. Das uns neues Leben schenkt.

  • Mit Falten im Gesicht – Ein Lied: Gerhard Schöne, Die Alte auf der Schaukel

Ein Mädchen auf dem Spielplatz
‚Ne alte Frau am Rand
Die Alte schluckt Tabletten
Und die Kleine spielt im Sand
Dann geht das Mädchen schaukeln
Es sieht die Frau und ruft
„Das musst du auch mal ausprobier’n
Wir fliegen durch die Luft“
„Oma, willst du schaukeln
Dann gebe ich dir Schwung?“
„Ja, komm und gib mir Schwung, mein Herz
Dann werd ich wieder jung“

Die Alte schaukelt zaghaft
Die Kleine schiebt sie an
„Wenn jetzt nur nicht die Kette reißt
Was da passieren kann“
„Wenn jetzt nur niemand zusieht
Mir ist nicht wohl dabei
Die denken doch, ich bin verrückt
Und hol’n die Polizei“
„Oma willst du schaukeln …

Sie denkt an ihren Kreislauf
Dann kommt ihr in den Sinn
„Mein Gott, wie lange ist das her
Dass ich geschaukelt bin?“
„Das war doch auf dem Rummel
In einem weißen Schwan
Mit diesem tätowierten Herrn
Der himmelte mich an“
„Oma willst du schaukeln …

Sie sieht die Wolken schwanken
Das Alter fliegt dahin
Dahin der Arzeneigeruch
Das Ziehen in den Knien
Sie lacht aus voller Kehle
Sie singt und schämt sich nicht
Sie ist ein kleines Mädchen jetzt
Mit Falten im Gesicht
„Oma willst du schaukeln …

  • Die selig macht – Worte aus dem Brief an die Römer 1,13-17

Ich will euch aber nicht verschweigen, Brüder und Schwestern,
dass ich mir oft vorgenommen habe, zu euch zu kommen
– wurde aber bisher gehindert –,
damit ich auch unter euch Frucht schaffe
wie unter andern Heiden.
Griechen und Nichtgriechen, Weisen und Nichtweisen bin ich es schuldig;
darum, soviel an mir liegt, bin ich willens,
auch euch in Rom das Evangelium zu predigen.
Denn ich schäme mich des Evangeliums nicht;
denn es ist eine Kraft Gottes, die selig macht alle, die glauben,
die Juden zuerst und ebenso die Griechen.
Denn darin wird offenbart die Gerechtigkeit, die vor Gott gilt,
welche kommt aus Glauben in Glauben; wie geschrieben steht:
»Der Gerechte wird aus Glauben leben.«

  • Oma, willst du schaukeln? – Schaukelnde Gedanken zum Römerbrief

Oma, willst du schaukeln? fragt das Kind auf dem Spielplatz, die von Alter und Gram gebeugte alte Frau. Zuerst schüttelt sie den Kopf, unvorstellbar, was sollen die Leute denken. Schön wäre es, aber wer weiß, was da passieren kann. Aber schließlich wagt sie es doch, und es geschieht ein kleines Wunder: Alter und Gram verfliegen für einen Augenblick. Schöne Erinnerungen sind wieder lebendig. Sie hat wieder Freude am Leben.
„Die Alte auf der Schaukel“, so heißt das Lied von Gerhard Schöne.

Liebe Leserin, lieber Leser,
der Witz der Sache besteht darin, dass hier zwei Dinge zueinander gebracht werden, die nach Ansicht der „denkenden“ Leute nicht zusammengehören. Alte Menschen schaukeln nicht! Heute ist das zum Glück anders. Es ist selbstverständlichder geworden, dass jeder Mensch, egal welchen Alters, egal welcher Herkunft oder Lebensgeschichte oder körperlicher und geistiger Verfassung, am Leben in all seinen Facetten teilhat. Wer wollte es ihnen auch verbieten? Dennoch hat mich das Lied als Kind stark beeindruckt und in mir den Entschluss reifen lassen, solche albernen Grenzen nicht gelten zu lassen.

Auch Paulus überschreitet eine Grenze. Die Botschaft Jesu trägt er über die jüdische Welt hinaus bis nach Rom. Voller Stolz geht er den Weg in die weite Welt. „Ich schäme mich des Evangeliums nicht“, schreibt er. Er bringt zusammen, was nach jüdischer Sitte streng verboten, und nach römischer Ansicht lächerlich ist. Jesus Christus, der Sohn Gottes, ist auf die Welt gekommen und für unsere Sünden gestorben am Kreuz. Diese Botschaft bringt er allen Menschen, egal welchen Alters, egal welcher Herkunft oder Lebensgeschichte oder körperlicher und geistiger Verfassung. Denn dieses Evangelium ist ein Wunder und eine Kraft, die neues Leben schenkt.

Dieses Wunder und diese Kraft verortet Paulus in zwei Grundbegriffen seines Denkens: Gerechtigkeit Gottes und Glauben. Das Zitat aus dem Buch Habakuk bindet beide zusammen: Der Gerechte wird aus Glauben leben. Übertragen auf das Bild der alten Frau ist die Gerechtigkeit der Menschen das, was den Menschen niederdrückt, ihn in Gram und Leid verharren lässt. Diese Gerechtigkeit verlangt Perfektion, die auch der frömmste, der fleißigste, der gesündeste, der stärkste und klügste Mensch nicht leisten kann. Auch Gott verlangt Gerechtigkeit. Sie ist nicht weniger streng als unsere menschlichen Maßstäbe; ja, sogar noch strenger. Doch seine Gerechtigkeit geschieht unter anderem Vorzeichen. Mit der frohen Botschaft ändert sich der Blick. Es gibt zuerst was zu schaukeln im Leben. Und das ist der Glaube, der gerade nicht darauf setzt, perfekt zu sein. Wer könnte schon perfekt schaukeln. Das Wunderbare ist ja, dass es einfach auch so Spaß macht. Im Grunde braucht es nur offene Ohren für die Einladung des Mädchens auf dem Spielplatz. Freundlich bietet es seine Hilfe an: „Oma, willst du schaukeln, dann gebe ich dir Schwung.“ Bei Paulus heisst es: Mein Glaube gründet im Glauben Gottes. Er schenkt uns seine Gerechtigkeit. „Im Evangelium wird offenbart die Gerechtigkeit, die vor Gott gilt, welche kommt aus Glauben in Glauben.“ Gottes Gerechtigkeit erfüllt sich in der Freude am Glauben. Zuerst wird geschaukelt und dann gilt dem Mädchen, und allen Menschen, ein freundlicher und dankbarer Blick. So geht es zu im Reich Gottes, oder auf dem Spielplatz Gottes. Was der Mensch wahrhaft braucht, ist schon längst da. Kaum zu glauben, in dieser Welt.
Die Grenzen, die mich davon abhalten, auf dem Spielplatz des Glaubens zu schaukeln sind ebenso menschengemachte Grenzen. Was sollen die Leute denken? Und wird nicht die Kette des Glaubens reißen? Hoffentlich halten mich die Leute nicht für verrückt. Um diese menschengemachten Grenzen zu überwinden, braucht es freilich eine besondere, göttliche Kraft. Auf dem Spielplatz ist es das Mädchen mit der unmissverständlichen Frage, die aus seiner überbordenden Freude am Schaukeln entspringt: „Oma, willst du schaukeln? Weil, es ist großartig! Es ist nicht so schwer.“

Probieren sie es doch mal aus. Auf den Spielplätzen des Lebens.

Amen.

  • Gib uns Halt – Miteinander und füreinander beten

Großer Gott, gewähre uns ein Bild von dir,
zeige dich uns in deiner Fülle,
die uns Halt gibt in einer haltlosen Welt.
Eine Welt, die von Krieg und Gewalt erfüllt ist.
Bestärke uns auf dem Weg zu Frieden und Gerechtigkeit.
Mit deiner Fülle von Liebe und Nächstenliebe.

Gib uns Halt in einer Welt, die unser Leben und das Leben unserer Liebsten bedroht.
Angesichts von Krankheit, Einsamkeit und Tod.
Bleibe bei uns.
Mit deiner Fülle von Liebe und Nächstenliebe.

Gib uns Halt in einer Welt, die deinen Glauben braucht.
Erwecke ihn in uns. Stärke deine Gemeinde.
Gib uns Vertrauen in deine Schöpfung, dass wir sie nach Kräften bewahren und in ihr wirken.
Mit deiner Fülle von Liebe und Nächstenliebe.

Großer Gott, gewähre uns ein Bild von dir,
zeige dich uns in deiner Fülle,
die uns Halt gibt in einer haltlosen Welt.
In Jesus Christus erkennen wir
die Fülle von Liebe und Nächstenliebe.

Mit seinen Worten beten wir:

Vater unser im Himmel,
geheiligt werde Dein Name.
Dein Reich komme.
Dein Wille geschehe,
wie im Himmel, so auf Erden.
Unser tägliches Brot gib uns heute.
Und vergib uns unsere Schuld,
wie auch wir vergeben unsern Schuldigern.
Und führe uns nicht in Versuchung,
sondern erlöse uns von dem Bösen.
Denn dein ist das Reich und die Kraft
und die Herrlichkeit in Ewigkeit.
Amen.

  • Segen

Es segne und behüte uns der allmächtige und barmherzige
Gott, Vater, Sohn und Heiliger Geist.
Er bewahre uns vor Unheil und führe uns zum ewigen Leben.
Amen.

(Pfr. Olaf Wisch)

2. Sonntag nach Epiphanias (15.01.)2023

  • Eröffnung

Am 2. Sonntag nach Epiphanias lenken wir den Blick auf das, was mit dem weihnachtlichen Kommen Gottes in der Welt tatsächlich geschieht. Die Worte des Wochenspruches aus dem 1. Johannesbrief fassen das in aller Kürze zusammen: Von seiner Fülle haben wir alle genommen Gnade um Gnade.

  • Deiner Gotterkenntnis Strahl – Ein Lied: Du Morgenstern, du Licht vom Licht“ (EG 74)

1) Du Morgenstern, du Licht vom Licht,
das durch die Finsternisse bricht,
du gingst vor aller Zeiten Lauf
in unerschaffner Klarheit auf.

2) Du Lebensquell, wir danken dir,
auf dich, Lebend’ger, hoffen wir;
denn du durchdrangst des Todes Nacht,
hast Sieg und Leben uns gebracht.

3) Du ewge Wahrheit, Gottes Bild,
der du den Vater uns enthüllt,
du kamst herab ins Erdental
mit deiner Gotterkenntnis Strahl.

4) Bleib bei uns, Herr, verlass uns nicht,
führ uns durch Finsternis zum Licht,
bleib auch am Abend dieser Welt
als Hilf und Hort uns zugesellt.

  • Es ist ein Raum bei mir – Worte aus 2. Mose 33,18-23

Und Mose sprach: Lass mich deine Herrlichkeit sehen!
Und der HERR sprach: Ich will vor deinem Angesicht all meine Güte vorübergehen lassen und will ausrufen den Namen des Herrn vor dir:
Wem ich gnädig bin, dem bin ich gnädig,
und wessen ich mich erbarme, dessen erbarme ich mich.
Und er sprach weiter: Mein Angesicht kannst du nicht sehen;
denn kein Mensch wird leben, der mich sieht.
Und der Herr sprach weiter: Siehe, es ist ein Raum bei mir, da sollst du auf dem Fels stehen. Wenn dann meine Herrlichkeit vorübergeht, will ich dich in die Felskluft stellen und meine Hand über dir halten, bis ich vorübergegangen bin. Dann will ich meine Hand von dir tun, und du darfst hinter mir her sehen; aber mein Angesicht kann man nicht sehen.

  • In der Felsspalte – Gedanken zur Herrlichkeit Gottes (2. Mose 33,18-23)

Wie stellen Sie sich Gott vor? Was ist Euer Gottesbild? Populär ist das Bild von der herrschaftlichen Gestalt in den Wolken, würdig, weise und weißbärtig. So erscheint es auf vielen alten Kunstwerken. Und oft in den Köpfen derer, die mit dem Glauben an Gott nicht viel anfangen können. Seltener bei den Gläubigen selbst.
Oder ist es das Bild eines auf schmähliche Weise hingerichteten menschlichen Körpers? Geboren in einem Stall von der Jungfrau Maria, in einer Krippe liegend. Ein Gott von menschlicher Gestalt aus Fleisch und Blut.
Oder ist es das (Nicht-)Bild einer gestaltlosen Energie, die sich auf rätselhafte Weise durch das Universum bewegt.
Oder eben gar keine Vorstellung; aber doch ein Gedanke, ein Glaube an Gott; etwa dass er allmächtig sei oder gütig oder beides.
Oder ist es doch das biblische Bild des väterlichen Hirten, der sich sorgsam um seine Herde kümmert.
Oder das Bild in den jüdischen Witzen, wie den von der Mutter, deren Kind im Meer zu ertrinken droht. Die Mutter schreit zum Himmel bis Gott sich erbarmt und das Kind an den Strand gelangen lässt. Glücklich schließt die Mutter es in seine Arme, schaut es an; richtet wieder ihren Blick zum Himmel und klagt: Und? Wo ist seine Mütze? Ein Bild von Gott, das seine große Macht zeigt; aber auch seine gelegentliche Schludrigkeit, wenn es um unsere menschliche Bedürfnisse geht.

Alle diese Bilder und Vorstellungen bleiben unvollkommen, das liegt in der Natur der Sache. Denn genau das ist Gott eben nicht, was wir in ihm zu sehen glauben oder über ihn zu wissen meinen, oder woran wir uns festhalten wollen; und genau das ist er auch wiederum, weil alle diese Bilder und Vorstellungen nicht von ungefähr kommen und – mehr oder weniger – ihre Berechtigung haben.

Auch die Geschichte von Mose in der Felsspalte malt eines dieser rätselhaften, unvollkommenen und zugleich wahrhaften Bilder von Gott. Auch in diesem Bild entzieht er sich einer endgültigen Verbildlichung. Auf die Anfrage des Mose, ob er Gottes Angesicht sehen könne, weist der Allmächtige das Ansinnen zurück. Und doch verbirgt er sich nicht. Er gibt Auskunft über sein Wesen und seine Gestalt.
Gott sagt: Ich bin der Gute und Schöne, ich bin der, der dir – Mose – seinen göttlichen Namen offenbart, und ich bin derjenige, dessen Antlitz nicht gesehen werden darf, weil kein Mensch damit leben kann. Ich zeige dir nicht, wie ich aussehe, aber ich zeige dir meinen Rücken. Ich komme dir ganz nahe, aber ich schütze dich vor meiner Gegenwart. Ich bin bei dir, aber das wird dich auch voll und ganz in Anspruch nehmen.
In diesem Bild Gottes erscheint er in seiner Herrlichkeit; oder wortwörtlich übersetzt: in seiner Gewichtigkeit; oder mit dem Thema des Sonntags benannt, in all seiner Fülle. Fast in einer menschlichen Gestalt, die vom Angesicht und vom Rücken und von der Hand Gottes erzählt; und dann doch wieder in einer überirdisch unerträglichen, hoheitlichen Gestalt, die den menschlichen Verstand übersteigt.
Diesen Gott, diesen durchaus ansprechbaren Gott, tritt Mose in dringender Angelegenheit entgegen. Das Volk Israel hat sich einem falschen Bild Gottes zugewandt, dem goldenen Kalb. Ja, tatsächlich sind nicht alle Bilder von Gott geeignet. Aus Zorn hat Mose die Tafeln mit den Geboten zerbrochen und nun will Gott sich abwenden von den Israeliten, die ohne ihn hilflos in der Wüste verblieben. Mose bittet für sein Volk; er will Gott sehen, so als ob er nachforschen möchte, was in Gottes Angesicht zu lesen ist. Ob er noch einmal Gnade wird walten lassen. Gott aber lässt sich nicht in die Karten schauen; doch er offenbart sich als Gott dieses Volkes Israel. Mächtig und treu, gütig und streng, nahbar und unnahbar zugleich, in diesem Widerspruch.
Und weil so ein Widerspruch nicht für den Alltag taugt, gibt es zwei neue Tafeln mit den Geboten. Wer sich daran hält, wird Gott nicht verlieren. Wer es erträgt, dass Gottes Angesicht unsichtbar bleibt, wird seiner Nähe gewiss sein.

Liebe Gemeinde,

diese Passage erzählt also davon, dass Gottes Fülle unseren menschlichen Verstand übersteigt. Würden wir Gott in all seiner Herrlichkeit begegnen, wiche das Leben, weil wir vor seinem Angesicht nicht aus noch ein wüssten.
Deshalb sollen wir uns kein Bild machen von ihm.
Deshalb haben wir Bilder von Gott, die uns durch die Wüste des Lebens führen.
Das Bild der 10 Gebote, deren erstes uns vor allem auf Gott verweist.
Wir haben das Bild Jesu Christi, in dem sich Gott uns zeigt als Mensch und den Nächsten liebender Mensch.
Wir haben die Gedanken der Philosophen und die Gemälde der Künstler. Sie mögen uns hier und da einen Anhalt geben.
Auch im kleinsten Bild, so wie es ein Kind malen würde, wenn es sich nach Geborgenheit sehnt, kann Gott verborgen und sichtbar sein.
Es kann uns eine Seite von Gott zeigen.
Es kommt nur darauf an, die andere Seite nicht zu vergessen.
Der treue Gott ist auch ein eifersüchtiger Gott.
Der menschliche Gott ist auch der Gott, der Himmel und Erde erschaffen hat.
Der Gott der Geborgenheit ist auch der Gott, der uns in die Welt schickt ohne jede Sicherheit.
Der schale Gott der Philosophen wird nur dann greifbar, wenn er auch durch das Bild der klagenden Mutter im jüdischen Witz ergänzt wird.

Gott ist mir also nahe und Gott entzieht sich mir im selben Moment. So bleibt er ungreifbar, lässt sich nicht festlegen auf das, was ich in meiner Fehlbarkeit gerne festlegen würde. Zugleich habe ich aber das Bedürfnis, ihm nahe zu sein, weil ich bei ihm Schutz und Geborgenheit finden möchte.

Vielleicht ist aber gerade das die Absicht. In dieser Spannung von lebensgefährlicher Überforderung und zärtlicher, behutsamer Nähe wird Gottes Gegenwart verständlich. Da zeigt sie sich in all ihrer Fülle; verwirrend für meinen Verstand, aber gerade dann entscheidend wichtig, wenn mein Verstand in dieser Welt versagt.

Dann brauchen wir den Frieden, der höher ist als alle unsere Vernunft, der tiefer reicht als unsere Angst, in dem wir bewahrt bleiben mit allen Sinnen in Christus Jesus. Amen.

  • Gib uns Halt – Miteinander und füreinander beten

Großer Gott, gewähre uns ein Bild von dir,
zeige dich uns in deiner Fülle,
die uns Halt gibt in einer haltlosen Welt.
Eine Welt, die von Krieg und Gewalt erfüllt ist.
Bestärke uns auf dem Weg zu Frieden und Gerechtigkeit.
Mit deiner Fülle von Liebe und Nächstenliebe.

Gib uns Halt in einer Welt, die unser Leben und das Leben unserer Liebsten bedroht.
Angesichts von Krankheit, Einsamkeit und Tod.
Bleibe bei uns.
Mit deiner Fülle von Liebe und Nächstenliebe.

Gib uns Halt in einer Welt, die deinen Glauben braucht.
Erwecke ihn in uns. Stärke deine Gemeinde.
Gib uns Vertrauen in deine Schöpfung, dass wir sie nach Kräften bewahren und in ihr wirken.
Mit deiner Fülle von Liebe und Nächstenliebe.

Großer Gott, gewähre uns ein Bild von dir,
zeige dich uns in deiner Fülle,
die uns Halt gibt in einer haltlosen Welt.
In Jesus Christus erkennen wir
die Fülle von Liebe und Nächstenliebe.

Mit seinen Worten beten wir.

Vater unser im Himmel,
geheiligt werde Dein Name.
Dein Reich komme.
Dein Wille geschehe,
wie im Himmel, so auf Erden.
Unser tägliches Brot gib uns heute.
Und vergib uns unsere Schuld,
wie auch wir vergeben unsern Schuldigern.
Und führe uns nicht in Versuchung,
sondern erlöse uns von dem Bösen.
Denn dein ist das Reich und die Kraft
und die Herrlichkeit in Ewigkeit.
Amen.

  • Segen

Es segne und behüte uns der allmächtige und barmherzige
Gott, Vater, Sohn und Heiliger Geist.
Er bewahre uns vor Unheil und führe uns zum ewigen Leben.
Amen.

(Pfr. Olaf Wisch)

1. Sonntag nach Epiphanias (08.01.)2023

  • Anfangen

In deinen Händen, Herr, steht unsere Zeit.
Denke an mich in deiner Gnade.
Erhöre mich und hilf mir. Amen
Eröffnung
„Welche der Geist Gottes treibt, die sind Gottes Kinder“
Dieses Wort für die neue Woche steht im Römerbrief
Kapitel 8, Vers 14

  • Ein Lied: „Herr Christ, der einig Gotts Sohn, Vaters in Ewigkeit“ (EG 67)

Herr Christ, der einig Gotts Sohn, Vaters in Ewigkeit,
aus seim Herzen entsprossen, gleichwie geschrieben steht,
er ist der Morgensterne, sein Glänzen streckt er ferne vor andern Sternen klar;

für uns ein Mensch geboren im letzten Teil der Zeit,
dass wir nicht wärn verloren vor Gott in Ewigkeit,
den Tod für uns zerbrochen, den Himmel aufgeschlossen, das Leben wiederbracht;

laß uns in deiner Liebe und Kenntnis nehmen zu,
dass wir am Glauben bleiben, dir dienen im Geist so,
dass wir hier mögen schmecken dein Süßigkeit im Herzen und dürsten stets nach dir.

Du Schöpfer aller Dinge, du väterliche Kraft,
regierst von End zu Ende kräftig aus eigner Macht.
Das Herz uns zu dir wende und kehr ab unsre Sinne, dass sie nicht irrn von dir.

Ertöt uns durch dein Güte, erweck uns durch dein Gnad.
Den alten Menschen kränke, dass er neu leben mag
und hier auf dieser Erden den Sinn und alls Begehren und G`danken hab zu dir.

  • Aus Psalm 89

Von den Taten deiner Huld, Herr, will ich ewig singen,
bis zum fernsten Geschlecht laut deine Treue verkünden.
Denn ich bekenne: Deine Huld besteht für immer und ewig;
deine Treue steht fest im Himmel.
Die Himmel preisen, Herr, deine Wunder
und die Gemeinde der Heiligen deine Treue.
Herr, Gott der Heerscharen, wer ist wie du?
Mächtig bist du, Herr, und von Treue umgeben.
Dein Arm ist voll Kraft, deine Hand ist stark, deine Rechte hoch erhoben.
Recht und Gerechtigkeit sind die Stützen deines Thrones,
Huld und Treue schreiten vor deinem Antlitz her.
Wohl dem Volk, das dich als König zu feiern weiß!
Herr, sie gehen im Licht deines Angesichts.
Sie freuen sich über deinen Namen zu jeder Zeit,
über deine Gerechtigkeit jubeln sie.
Denn du bist ihre Schönheit und Stärke,
du erhöhst unsre Kraft in deiner Güte.
Gepriesen sei der Herr in Ewigkeit.

  • Predigttext: Johannesevangelium 1,29-34

Liebe Gemeinde,
nein, unser Altar ist nicht falsch bekleidet, denn die Farbe der Epiphaniaszeit ist seit 2018 in der EKD weiß, nicht mehr grün. Das ist schön, weil wir so die neuen Paramente unserer Johannesgemeinde, die Sabine Bretschneider aus Magdeburg für uns gewebt hat, etwas länger betrachten können.
Weiß ist die liturgische Farbe der Christusfeste und der Festzeiten dieser Feste, also der Weihnachts-, Epiphanias- und der Osterzeit.
Für heute ist festzuhalten, dass unser weißes Parament den Weg beschreibt, den wir mit Jesus in der Festzeit des Kirchenjahres mitgehen:
Von der Krippe zum Kreuz und zum neuen Leben aus der Auferstehung.

Station auf dem Weg: Die Taufe von Jesus am Jordan – mit ihr beginnt das älteste unserer vier Evangelien.
Wir haben den etwas jüngeren Bericht über dieses Ereignis aus dem Matthäusevangelium gehört und nun hören
wir eine Deutung dazu aus dem jüngsten Evangelium, aus Johannes 1:
Am nächsten Tag sieht Johannes, dass Jesus zu ihm kommt, und spricht: Siehe, das ist Gottes Lamm, das der Welt Sünde trägt! Dieser ist’s, von dem ich gesagt habe: Nach mir kommt ein Mann, der vor mir gewesen ist, denn er war eher als ich. Und ich kannte ihn nicht. Aber damit er offenbar werde für Israel, darum bin ich gekommen zu taufen mit Wasser.
Und Johannes bezeugte es und sprach: Ich sah, dass der Geist herabfuhr wie eine Taube vom Himmel und blieb auf ihm. Und ich kannte ihn nicht. Aber der mich gesandt hat zu taufen mit Wasser, der sprach zu mir:
Auf welchen du siehst den Geist herabfahren und auf ihm bleiben, der ist’s, der mit dem Heiligen Geist tauft.
Und ich habe es
gesehen und bezeugt: Dieser ist Gottes Sohn.
Die Frage, um die es geht, ist: Wer ist Jesus für mich?
Johannes gibt zwei Antworten:
Siehe, das ist Gottes Lamm, das der Welt Sünde trägt! und: Dieser ist Gottes Sohn.
Ich habe das Gefühl, dass die erste Antwort ein bisschen aus der Mode gekommen ist und die zweite ist zwar auf den ersten Blick die landläufige, verwickelt aber bei tieferem Nachdenken schnell in theologische Abstraktionen mit Irrlehrepotential. Beispiel: Bei einem Vater-Sohn-Verhältnis gibt es eine Zeit, in der der Sohn nicht existierte. Wenn aber Jesus wirklich Gott ist und nicht so eine Art christlicher Prometheus, wenn er also ewig ist, wie kann es dann eine Zeit geben, in der er nicht existierte?
Auch die erste Antwort – Siehe, das ist Gottes Lamm, das der Welt Sünde trägt! – wirft bei genauerer Betrachtung mehr Fragen auf, als die Antworten zu geben scheint. Kann man sowas uns wirklich noch vorsetzen? Wollen wir die Welt nicht lieber selbst retten, als uns retten zu lassen? Ist das überhaupt denkbar oder glaubhaft, dass ein 30jähriger Zimmermannssohn aus Nazareth die Trennung der Welt von Gott auf sich nehmen und heilen kann?
Wer will kann darauf Antworten suchen, etwa bei Joseph Ratzinger in seinem dreibändigen Werk über Jesus von Nazareth. Vergessen sie bei der Lektüre alle Kirchenpolitik oder trösten sie sich mit dem Gedanken, dass der legendäre erste Papst den Herrn selbst verleugnet hat.
Viel spannender finde ich allerdings die Frage, für die Johannes ja zwei Vorschläge macht: Wer ist Jesus für mich? – auf die beiden letzten Worte kommt es an.
Siehe, das ist Gottes Lamm, das der Welt Sünde trägt! – für mich ist Jesus zuerst ein Befreier: Er befreit die Welt von der Trennung von Gott und er befreit den Glauben von kleinbürgerlichen Konventionen und religiöser Bigotterie. Stichworte: Ährenraufen am Sabbat und sein Umgang mit der Ehebrecherin.
Dieser ist Gottes Sohn – für mich ist Jesus der handfeste, physische Teil Gottes.
Zum Vater muss ich auf den Berg steigen und dann bleibt immer noch ein Abstand, jedenfalls wohl solange ich lebe. Der Heilige Geist ist metaphysisch. Er erzeugt Zustände zwischen Offenbarung und Trunkenheit, er lässt uns Lichter aufgehen und manchmal wendet er sich wohl auch beschämt ab von unserem Treiben, das wir dann auch noch mit dem Etikett geistlich versehen.
Jesus ist der Bruder neben mir. Der Gott, der mich ansieht, der zum Handeln herausfordert, der die in den Blick rückt, die sonst übersehen werden.
Er sieht auf keinen Fall so aus, wie man ihn sich im 19. Jahrhundert vorgestellt hat, er sieht aus, wie du und ich.
Wenn Vater und Geist eher die Vertikale im Glauben sind, Jesus ist auf jeden Fall die Horizontale – für mich jedenfalls.
Beide Linien ergeben den Römergalgen, das Kreuz, das für uns zum Lebenszeichen geworden ist. Auch darüber kann man lange nachdenken oder meditieren – aber nicht mehr in dieser Predigt. Amen

  • Wir beten miteinander und füreinander

Die Fürbitten für den heutigen Sonntag wurden von den Partnergemeinden aus Ahus in Schweden und Grodno in Belarus formuliert.

Guter Gott, wir bitten Dich um Weisheit und Mut,
die seelsorgerlichen Bedürfnisse zu erfüllen
um der Sehnsucht der Menschen nach geistlichen Fragen zu begegnen.
Gib uns einen klaren Blick, um die richtigen Entscheidungen zu treffen
für einen ökologisch vertretbaren Lebensstil in der Gemeinde und auch privat.
Wir bitten: Herr erbarme Dich

Guter Gott, schenke der Gemeinde in Belaruss und ihrem Pfarrer Mut, Beharrlichkeit und Vertrauen für die vielfältigen Projekte.
Schenke den Menschen nach zwei Jahren Unsicherheit
endlich Stabilität und Frieden.
Wir bitte: Herr, erbarme Dich

Guter Gott, wir danken Dir, dass wir das neue Jahr
gefüllt mit neuen Möglichkeiten beginnen dürfen.
Lass es eine Zeit werden, in der wir selbst zum Segen für andere werden dürfen
und ebenso für uns.
Lass es ein Jahr werden,
in dem der Frieden zu denen kommt, wo nun Krieg herrscht,
in dem wir die Ressourcen der Erde gerechter verteilen
und die, die hungern, sich satt essen dürfen,
in dem Deine Schöpfung geheilt werden kann
von den Wunden, die wir ihr zugefügt haben.
Wir bitten: Herr, erbarme Dich

Guter Gott, wir bitten um den Segen für Deine weltweite Kirche.
Lass Gemeinden Orte sein, an denen Menschen wachsen und reifen können.
Wir bitte um Deinen Segen für unsere Zukunft. Alles liegt in Deinen Händen
Gemeinsam mit den Christen in aller Welt beten wir, wie Jesus uns gelehrt hat

Vater unser im Himmel,
geheiligt werde Dein Name.
Dein Reich komme. Dein Wille geschehe,
wie im Himmel, so auf Erden.
Unser tägliches Brot gib uns heute.
Und vergib uns unsere Schuld,
wie auch wir vergeben unsern Schuldigern.
Und führe uns nicht in Versuchung,
sondern erlöse uns von dem Bösen.
Denn dein ist das Reich und die Kraft
und die Herrlichkeit in Ewigkeit. Amen.

  • Segen

Es segne und behüte uns der allmächtige und barmherzige Gott, Vater, Sohn und Heiliger Geist. Amen

(Pfarrer Karsten Müller, Johannesgemeinde)