- Eröffnung
“Ich bin der gute Hirte”, sagt Jesus. Ein guter Hirte, der für das Nötige sorgt und mit seinem Leben dafür einsteht. Ein gutes Gefühl. Aber auch nicht selbstverständlich in dieser Welt. Umso besser, dass wir mit Gottes Wort darüber nachdenken und dafür beten können.
- Im Angesicht meiner Feinde – Worte nach Psalm 23
Der HERR ist mein Hirte, mir wird nichts mangeln.
Er weidet mich auf einer grünen Aue
und führet mich zum frischen Wasser.
Er erquicket meine Seele.
Er führet mich auf rechter Straße um seines Namens willen.
Und ob ich schon wanderte im finstern Tal,
fürchte ich kein Unglück;
denn du bist bei mir,
dein Stecken und Stab trösten mich.
Du bereitest vor mir einen Tisch im Angesicht meiner Feinde.
Du salbest mein Haupt mit Öl und schenkest mir voll ein.
Gutes und Barmherzigkeit werden mir folgen mein Leben lang,
und ich werde bleiben im Hause des HERRN immerdar.
- In dieser Welt Tücke – Ein Lied: „Der Herr ist mein getreuer Hirt“ (EG 274)
1) Der Herr ist mein getreuer Hirt,
hält mich in seiner Hute,
darin mir gar nicht mangeln wird
jemals an einem Gute.
Er weidet mich ohn Unterlass,
da aufwächst das wohl schmeckend Gras
seines heilsamen Wortes.
2) Zum reinen Wasser er mich weist,
das mich erquickt so gute,
das ist sein werter Heilger Geist,
der mich macht wohlgemute;
er führet mich auf rechter Straß
in seim Gebot ohn Unterlass
um seines Namens willen.
3) Ob ich wandert im finstern Tal,
fürcht ich doch kein Unglücke
in Leid, Verfolgung und Trübsal,
in dieser Welte Tücke:
Denn du bist bei mir stetiglich,
dein Stab und Stecken trösten mich,
auf dein Wort ich mich lasse.
4) Du b’reitest vor mir einen Tisch
vor mein‘ Feind‘ allenthalben,
machst mein Herz unverzaget frisch;
mein Haupt tust du mir salben
mit deinem Geist, der Freuden Öl,
und schenkest voll ein meiner Seel
deiner geistlichen Freuden.
5) Gutes und viel Barmherzigkeit
folgen mir nach im Leben,
und ich werd bleiben allezeit
im Haus des Herren eben
auf Erd in der christlichen G’mein,
und nach dem Tode werd ich sein
bei Christus, meinem Herren.
- Petrus wurde traurig – Evangelium des Johannes im 21. Kapitel
Da sie nun das Mahl gehalten hatten, spricht Jesus zu Simon Petrus:
Simon, Sohn des Johannes, liebst du mich mehr, als mich diese lieb haben?
Er spricht zu ihm: Ja, Herr, du weißt, dass ich dich lieb habe.
Spricht Jesus zu ihm: Weide meine Lämmer!
Spricht er zum zweiten Mal zu ihm: Simon, Sohn des Johannes, hast du mich lieb?
Er spricht zu ihm: Ja, Herr, du weißt, dass ich dich lieb habe.
Spricht Jesus zu ihm: Weide meine Schafe!
Spricht er zum dritten Mal zu ihm: Simon, Sohn des Johannes, hast du mich lieb? Petrus wurde traurig, weil er zum dritten Mal zu ihm sagte: Hast du mich lieb?, und sprach zu ihm: Herr, du weißt alle Dinge, du weißt, dass ich dich lieb habe. Spricht Jesus zu ihm: Weide meine Schafe!
Wahrlich, wahrlich, ich sage dir: Als du jünger warst, gürtetest du dich selbst und gingst, wo du hinwolltest; wenn du aber alt bist, wirst du deine Hände ausstrecken und ein anderer wird dich gürten und führen, wo du nicht hinwillst. Das sagte er aber, um anzuzeigen, mit welchem Tod er Gott preisen würde. Und als er das gesagt hatte, spricht er zu ihm: Folge mir nach!
(Johannesevangelium 21,15-19)
- Wie neugeboren – Gedanken zum Johannesevangelium
Dreimal fragt Jesus den Petrus, ob dieser ihn liebhabe. Diese wiederholte Frage fällt auf. Bei der dritten Frage gibt es eine deutliche Änderung. Petrus wird traurig. Diese Traurigkeit ist eine schmerzhafte Traurigkeit, eine Kränkung, etwas, was Petrus tief trifft. Eine umfassende Traurigkeit, die anzeigt, dass er etwas begreift, was ihm so vorher noch nicht bewusst war. Petrus ist bis ins Innerste erschrocken.
Diese Traurigkeit könnte daher rühren, dass Petrus nicht einmal, sondern dreimal gefragt werden musste. Es könnte darum gehen, dass Jesus ihm nicht glaubt. Oder dass Jesus das Gefühl hat, dass Petrus ihn nicht richtig verstanden habe. Obwohl Petrus aufrichtigen Herzens antwortet, scheint an seiner Antwort etwas falsch zu sein.
Im griechischen Text des Johannesevangeliums wird dieser Umstand durch eine Wortveränderung zusätzlich hervorgehoben. Jesus gebraucht bei den ersten beiden Fragen ein Wort für Liebe, das eine umfassende, die ganze Existenz betreffende Bedeutung hat. So wie ein Mensch einen anderen Menschen liebt oder Gott, mit Haut und Haaren und mit ganzer Seele. Petrus antwortet hingegen mit einem anderen Wort. Dieses andere Wort drückt Liebe aus in einem Sinne, der eher auf eine Liebhaberei hindeutet, auf ein ausgeprägtes Interesse an einem Gegenstand. In Bezug auf einen Menschen könnte es auch mit dem Wort „Freundschaft“ wiedergegeben werden. Wohlgemerkt, ein inniges Interesse und eine innige Freundschaft, aber nicht Liebe im ersteren Sinne! Nun: Bei der dritten Frage, ob Petrus Jesus liebhabe, benutzt auch Jesus dieses abgeschwächte Wort. Daraufhin wird Petrus traurig.
Diese Traurigkeit könnte also daher rühren, dass Jesus den Unterschied, den Petrus zwischen ihm und Jesus macht, so nicht akzeptiert. Jesus will, dass Petrus ihn liebt, so wie Jesus auch Petrus liebt. Er stellt sich mit ihm auf eine Stufe. Oder anders gesagt: Jesus hebt die Bedeutung dieses Wortes auf ein anderes Niveau. Als ob Jesus sagen würde: Dein Interesse und deine Freundschaft kann und darf nicht weniger sein als die innige Liebe von ganzem Herzen, von ganzer Seele, von ganzem Gemüt und mit aller Kraft.
Was das im Weiteren bedeutet, wird aus den folgenden Versen deutlich. Er fordert Petrus auf, ihm nachzufolgen. Und diese Nachfolge bedeutet, dass er auch für seine Schafe, für Jesu Schafe, die nun Petrus behüten soll, sterben wird.
Das unterstreicht noch einmal die Traurigkeit und den Schrecken des Petrus. Denn es ist nicht nur eine enttäuschte Traurigkeit mangelnden Vertrauens. Petrus wird vielmehr in diesem Moment klar, was Jesus von ihm fordert. Gehe denselben Weg wie ich. Kehre dich ab von dieser Welt. Nimm das Kreuz an, so wie ich es getan habe. Du kannst dich nicht länger herausreden. Du hast jetzt die Verantwortung. Weide meine Lämmer. Hüte meine Herde. Schütze meine Schafe.
Liebe Leserinnen und Leser,
jetzt könnte ich mich zurücklehnen und sagen, gut, dass Petrus diese Aufgabe für mich übernommen hat. Oder übernehmen musste. Zum Glück hat Jesus mich nicht gefragt. Aber andererseits glaube ich auch nicht, dass mit dieser Bibelstelle ein besonderes Amt für Petrus begründet wurde. Diese Forderung gilt für alle, die sich ernsthaft zu Jesus bekennen. So wie der gute Hirte sein Leben für die Schafe gibt, bin auch ich – grundsätzlich – dazu aufgefordert. Die Nachfolge Jesu ist nicht mit Petrus zu Ende.
So betrifft der Schrecken des Petrus auch mich.
Dabei bleibt die Frage, was das für mich – hier und heute – konkret bedeutet. Allgemein gesprochen geht es um die Werte dieser Welt, die alle vergänglich sind. Wenn ich diese Werte liebe anstatt Gott, Jesus oder meinen Nächsten, werde ich der Nachfolge nicht genügen. Dieser Stachel bleibt ein Leben lang. Denn die Dinge dieser Welt sind verführerisch. Einerseits kann ich das Begehren nach Macht, Geld, Gesundheit und Ansehen nicht einfach ablegen. Andererseits geht es natürlich darum, auf dieser Welt einigermaßen zurecht zu kommen. Das heißt, diesen Dingen so viel Aufmerksamkeit zu schenken, dass ich leben kann, ohne mein Herz daran zu hängen. Es gibt Tage, da begegne ich dem mit gutem Gewissen und großer Gelassenheit. Aber wenn es kritisch wird, erst dann bewährt sich das, was Jesus Nachfolge und Hirtenamt nennt.
Ein Beispiel dafür liegt dieser Tage auf der Hand. Der Krieg in der Ukraine stellt meine Überzeugungen auf den Prüfstand. Gerade in diesen Tagen wird in Deutschland diskutiert, ob wir der Ukraine auch militärisch helfen sollen. Verzichte ich lieber darauf? Halte ich um jeden Preis Frieden, das heißt, halte ich mich auf jeden Fall von jeder Waffe fern? So habe ich es gelernt. Als Kind. Eine Waffe nehme ich nicht in die Hand. Das gehörte zu meinem Glauben. Wer das Schwert nimmt, wird durch das Schwert umkommen. Diese Einsicht, dass durch Gegengewalt nur noch mehr Gewalt entsteht; dass mehr Waffen noch mehr Waffen bedeuten, noch mehr Zerstörung und unendliches Leid, hat diese Haltung in meiner Kindheit bis heute bestärkt.
Und doch bin ich unsicher. Ich weiß nicht, was ich in diesen Tagen dazu sagen soll. Ich lese den offenen Brief einiger prominenter Menschen an Kanzler Scholz, der gegen die Lieferung von Waffen ist. (https://www.emma.de/artikel/offener-brief-bundeskanzler-scholz-339463) Ich fühle mich unbehaglich dabei. Denn schließlich fordert dieser Brief auch, dass nicht nur ich, sondern auch die Menschen in der Ukraine Frieden halten sollen. So gut es geht. In angemessener Weise. Dass sie kein “unerträgliches Missverhältnis” riskieren sollen. Dass sie einen Schritt wagen sollen, der zum Frieden führt. Dass sie nicht mehr kämpfen, die Waffen aus der Hand legen und lieber auf ihre Ansprüche verzichten sollen. Aber kann und darf ich das überhaupt fordern? Von anderen Menschen außer mir selbst?
Nachfolge ist schwer. Liebe deinen Feind, hieße das in dieser Situation. Wie radikal diese Forderung ist, spüre ich, wenn ich in mir die riesengroße Wut auf den Angreifer und die übermächtige Angst spüre, dass dieser Krieg noch viel schlimmer werden könnte. Keiner will das! Nur der Weg, auf dem das zu erreichen ist, darüber wird gerade erbittert gestritten. Also stillhalten, dulden, nichts tun? Werde ich so der Liebe Jesu gerecht? Bloß keine Waffe in die Hand nehmen! So habe ich es doch gelernt. So haben die Christinnen und Christen am Ende der DDR gehandelt. Und wie durch ein Wunder durch diese Haltung ein friedliches Ende befördert. Soll das jetzt nicht mehr gelten?
Oder geht es doch nur um meine Angst, dass ich mein bequemes Leben verlieren könnte? Ein Hirte, der stellt sich doch auch dem wilden Tier entgegen, um seine Herde zu verteidigen. Zumindest gilt das auch in diesen Tagen, wenn ich dem Bild trauen darf. Und ist es in diesem Fall nicht eindeutig, wer das wilde Tier ist und wer zur Herde gehört?
Petrus und Jesus. Auf jeden Fall ist das keine harmlose Geschichte, ein harmloses Bild des Auferstandenen, der seiner Gemeinde noch ein paar freundliche Ratschläge mit auf den Weg gibt. Der Weg zum Kreuz und zur Auferstehung birgt einen großen Ernst in sich. Und wir sind da mittendrin, zwei Wochen nach Ostern.
Ich bin erschrocken, ich bin voller Angst, ich bin voller Traurigkeit und Ratlosigkeit. Ich habe viele Fragen und keine letzte Antwort. Ich bete. Und ich glaube, dass Gott mir vergeben wird. Für das, was ich tue und für das, was ich lasse.
Und der Frieden Gottes, der höher ist als alle Vernunft, und tiefer reicht als unsere Angst, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus.
Amen.
- Vor unseren Möglichkeiten – Miteinander und füreinander beten
Meine Hirtin, ich warte auf dich,
Auf deinen Aufgang, wenn ich höre und lese und nicht begreife
Dass heute möglich ist, was eine ferne Vergangenheit zu sein schien,
Nachrichten aus einer anderen Zeit der körnigen Schwarz-weiß-Bilder des Krieges.
Meine Hirtin, wirst du bei den Flüchtenden sein und sie unter deinem Mantel bergen?
Wirst du zusammenführen, die zerstreut werden in die Exile Europas,
Wirst du ihre und unsere Ohnmacht mit deiner Stärke füllen
Und der Friedfertigkeit das letzte Wort geben?
Wenn Gewalt geschieht, als wäre niemand unter einem leeren Himmel, alles zu sehen,
Bist du dann noch da und wendest dich gnadenvoll denen zu, die auf ein Ende der Gewalt setzen?
Wolltest du doch den Gewalttätern in den Arm fallen
die Waffen zum Schweigen bringen und die Saat der Gewalt mitsamt ihren Wurzeln ausreißen.
Würdest du uns beieinander finden lassen, was wir von dir erhoffen,
Freundlichkeit, Zuversicht und Wahrhaftigkeit,
Würdest du alle verstummen lassen, die dich auf ihre Seite ziehen wollen,
Als wären wir nicht alle deine Kinder, Söhne, Töchter, Kinder des Lebens.
Meine Hirtin, bleibst du bei uns?
Und wenn du bei uns bleibst, lehrst du uns dann das Leben in deinem Frieden,
Geduldig und unbeirrt?
Du unsere Trösterin, rettest du uns vor unseren Möglichkeiten?
Meine Hirtin, ich warte auf dich,
auf dich und auf deinen Aufgang bei uns.
Vater unser im Himmel,
geheiligt werde Dein Name.
Dein Reich komme.
Dein Wille geschehe,
wie im Himmel, so auf Erden.
Unser tägliches Brot gib uns heute.
Und vergib uns unsere Schuld,
wie auch wir vergeben unsern Schuldigern.
Und führe uns nicht in Versuchung,
sondern erlöse uns von dem Bösen.
Denn dein ist das Reich und die Kraft
und die Herrlichkeit in Ewigkeit.
Amen.
- Segen
Es segne und behüte uns der allmächtige und barmherzige
Gott, Vater, Sohn und Heiliger Geist.
Er bewahre uns vor Unheil und führe uns zum ewigen Leben.
Amen.
(Pfr. Olaf Wisch)