- Eröffnung
„Gott aber erweist seine Liebe zu uns darin, dass Christus für uns gestorben ist, als wir noch Sünder waren.“ So stellt es der Apostel Paulus im Römerbrief fest. Auch am zweiten Sonntag in der Passionszeit bedenken wir das Leiden Jesu. Was es für uns bedeutet. Und wie wir es begreifen können. Vor allem durch das Gebet.
- Lauter Güte und Treue – Worte nach Psalm 25
Mein Gott, ich hoffe auf dich; lass mich nicht zuschanden werden,
dass meine Feinde nicht frohlocken über mich.
Denn keiner wird zuschanden, der auf dich harret;
aber zuschanden werden die leichtfertigen Verächter.
HERR, zeige mir deine Wege und lehre mich deine Steige!
Leite mich in deiner Wahrheit und lehre mich!
Denn du bist der Gott, der mir hilft; täglich harre ich auf dich.
Gedenke, HERR, an deine Barmherzigkeit und an deine Güte,
die von Ewigkeit her gewesen sind.
Gedenke nicht der Sünden meiner Jugend und meiner Übertretungen,
gedenke aber meiner nach deiner Barmherzigkeit, HERR, um deiner Güte willen!
Der HERR ist gut und gerecht; darum weist er Sündern den Weg.
Er leitet die Elenden recht und lehrt die Elenden seinen Weg.
Die Wege des HERRN sind lauter Güte und Treue für alle,
die seinen Bund und seine Zeugnisse halten.
- Frieden ohne Ende – Ein Lied: „Du schöner Lebensbaum des Paradieses“ (EG 96)
1 Du schöner Lebensbaum des Paradieses, gütiger Jesus, Gotteslamm auf Erden. Du bist der wahre Retter unsres Lebens, unser Befreier.
2 Nur unsretwegen hattest du zu leiden, gingst an das Kreuz und trugst die Dornenkrone. Für unsre Sünden musstest du bezahlen mit deinem Leben.
3 Lieber Herr Jesus, wandle uns von Grund auf, dass allen denen wir auch gern vergeben, die uns beleidigt, die uns Unrecht taten, selbst sich verfehlten.
4 Für diese alle wollen wir dich bitten, nach deinem Vorbild laut zum Vater flehen, dass wir mit allen Heilgen zu dir kommen in deinen Frieden.
5 Wenn sich die Tage unsres Lebens neigen, nimm unsren Geist, Herr, auf in deine Hände, dass wir zuletzt von hier getröstet scheiden, Lob auf den Lippen:
6 Dank sei dem Vater, unsrem Gott im Himmel, er ist der Retter der verlornen Menschheit, hat uns erworben Frieden ohne Ende, ewige Freude.
- Zu trauern und zu zagen – Evangelium nach Matthäus 26
Da kam Jesus mit ihnen zu einem Garten, der hieß Gethsemane, und sprach zu den Jüngern: Setzt euch hierher, solange ich dorthin gehe und bete. Und er nahm mit sich Petrus und die zwei Söhne des Zebedäus und fing an zu trauern und zu zagen.
Da sprach Jesus zu ihnen: Meine Seele ist betrübt bis an den Tod; bleibt hier und wachet mit mir! Und er ging ein wenig weiter, fiel nieder auf sein Angesicht und betete und sprach: Mein Vater, ist’s möglich, so gehe dieser Kelch an mir vorüber; doch nicht, wie ich will, sondern wie du willst!
Und er kam zu seinen Jüngern und fand sie schlafend und sprach zu Petrus: Konntet ihr denn nicht eine Stunde mit mir wachen? Wachet und betet, dass ihr nicht in Anfechtung fallt! Der Geist ist willig; aber das Fleisch ist schwach.
Zum zweiten Mal ging er wieder hin, betete und sprach: Mein Vater, ist’s nicht möglich, dass dieser Kelch vorübergehe, ohne dass ich ihn trinke, so geschehe dein Wille! Und er kam und fand sie abermals schlafend, und ihre Augen waren voller Schlaf. Und er ließ sie und ging wieder hin und betete zum dritten Mal und redete abermals dieselben Worte.
Dann kam er zu den Jüngern und sprach zu ihnen: Ach, wollt ihr weiter schlafen und ruhen? Siehe, die Stunde ist da, dass der Menschensohn in die Hände der Sünder überantwortet wird. Steht auf, lasst uns gehen! Siehe, er ist da, der mich verrät.
- Der erste Schritt gegen die Angst – Gedanken zum Evangelium
So fühlt sich das also an. Es ist typisch für sie, dass sie selbst noch in diesem Moment fast einen Scherz macht. Dann aber kommt die Angst. Die Angst umrundet den stechenden Schmerz in der Brust, legt sich als zerquetschende Übelkeit auf ihren Bauch und lässt sie schwitzen. Sie bekommt keine Luft, würde am liebsten davonlaufen. Mit letzter Kraft rettet sie sich auf das Sofa und liegt und ist voller Panik. Die Angst ist schlimmer als der Schmerz, die Übelkeit, das Schwitzen und die Atemnot. Oder nicht schlimmer, sie sind vielmehr eins. In diesem Moment fängt sie an zu beten. Das hat sie lange nicht mehr gemacht, aber jetzt betet sie. Sie kennt das ja, von den Eltern, die Worte perlen ohne Ton aus ihr heraus. Vater unser im Himmel. Bis zur 3. Bitte: Dein Wille geschehe. Bis zur 3. Bitte, wie es der Kleine Katechismus zählt. Dein Wille geschehe. Nicht meiner. Ich kann ohnehin jetzt nichts tun. So Gott will. In diesem Moment legt sich ihr Drang, panisch etwas zu tun, wird ihr Atem etwas ruhiger, die Angst bleibt, aber die Angst ist beherrschbar. Nein, denkt sie, ich beherrsche jetzt nichts mehr. Keine Ahnung, was jetzt geschieht. Es ist Gottes Wille. Nur Gott kann jetzt noch mein Leben retten. Später sagt sie, sehr ernsthaft, das Gebet hat mir mein Leben gerettet.
Weiß Jesus, was geschehen wird? Weiß Jesus in Gethsemane, dass er nach dieser Nacht verhaftet werden wird? Die Bibel lässt das offen. Ich weiß es als Bibelleser. Ich kenne den Verrat des Judas. Ich weiß das angekündigte Leiden zu deuten und verstehe, was Jesus meint, wenn er von der Verleugnung des Petrus spricht. Jesus weiß, dass Judas ihn verraten wird. Beim letzten Abendmahl sagt er es ihm ins Gesicht. Aber weiß er da schon, was dann im Detail geschieht? Verhaftung, Verhör, Folter, Kreuzigung und Tod. Angesichts einer schreienden Menge und gleichgültiger Menschen, weinender Frauen und flüchtender Jünger? Jesus hat Angst. Nüchtern formuliert steht es im Bibeltext: Er fing an zu trauern und zu zagen. Was verbirgt sich dahinter? Jedenfalls, Jesus betet. Und bittet seine Begleiter mit ihm zu wachen. Er braucht ihren Beistand. Jesus betet. Mein Vater, ist’s möglich, so gehe dieser Kelch an mir vorüber; doch nicht, wie ich will, sondern wie du willst! Dein Wille geschehe. Wie Jesus es den Menschen gelehrt hat. Es fühlt sich bedrückend an, dass Jesus nun selbst darauf zurückgreift. Dass er nun selbst tief in einer menschlichen Not steckt, die er sonst mit der Kraft Gottes zu wenden weiß. Das ist es, was die Bibel so nüchtern feststellt: Jesus leidet und ängstet sich wie ein Mensch. Das Bild des Helden zerbricht. Jesus ist allein und voller Angst wie ich selbst auch.
Seit 17 Tagen nun beten wir täglich für den Frieden in der Ukraine. Schnell haben wir uns darauf verständigt. Es erleichtert nicht allein zu sein mit den Sorgen und den Ängsten, die ein Krieg in Europa und das unerklärliche Verhalten eines Machthabers auslöst. Wir sprechen Gott an, bitten ihn um Hilfe: Gott, ich schreie zu dir, hilf uns, wir schaffen es nicht. Das sind die Bitten der Betenden in Kurzform. Im Gebet wird das Geschehen benannt und die Wünsche, die sich daraus ergeben. Es erleichtert, von den anderen zu hören, dass ihnen ähnliche Gedanken und Nöte durch den Kopf gehen. Aber es taucht auch immer wieder die Frage auf: Hilft das Beten? Ich nehme die Antwort vorweg. Es gibt keine, die dem Bedürfnis nach einer klaren Antwort gerecht wird. Ich blättere in einer Dogmatik. 50 Seiten sind dem Gebet gewidmet. Aber keine Antwort auf diese Frage ist dort zu finden. Das Gebet ist die Anerkennung Gottes, ja. Das Gebet ist ein Zeichen der menschlichen Demut, ja. Das Gebet ist eine Möglichkeit die menschliche Not in Worte zu fassen, ja. Und schließlich ist das Gebet Ausdruck menschlicher Ohnmacht und Sündhaftigkeit, ja. Wir können es nicht alleine, das kann mir das Gebet sagen. Mehr nicht?
Bleibt hier und wachet mit mir, bittet Jesus seine Jünger. Beim wiederholten Lesen der Szene im Garten Gethsemane fällt mir auf, dass Jesus vor allem darum bittet. Nicht allein zu sein. In der Wiederholung wird das sehr deutlich: Zum zweiten Mal ging er wieder hin, betete und sprach: Mein Vater, ist’s nicht möglich, dass dieser Kelch an mir vorübergehe, ohne dass ich ihn trinke, so geschehe dein Wille! Und er kam und fand sie abermals schlafend, und ihre Augen waren voller Schlaf. Die Jünger schaffen es nicht. Sie wollen dem Kommenden entfliehen. Sie drücken sich weg in den Schlaf. Die Erschöpfung ist zu groß, die Angst ist zu groß, sie schließen ihre Augen und ihre Lippen. Kein Gebet. Nur Angst. Gebettet in den stummen Schlaf. Beten aber ist der erste Schritt gegen die Angst. Das gemeinsame Gebet. Ganz wach. Nicht allein. Unübersehbares Zeichen dafür nicht allein zu sein. Mit meiner Angst. Mit meinen schlimmen Gedanken. Mit meinen Fehlern. Mit meiner Ohnmacht. Mit dem Willen Gottes. Ich weiß nicht, was geschehen wird. Ich bete. Ich glaube, Gott ist da, wie im Himmel so auf Erden.
Amen.
- Zum Frieden rufen – Miteinander und füreinander beten
Wir bitten dich, Gott,
erbarme dich deiner Kirche, vor allem in Russland und der Ukraine,
segne sie, wenn sie zum Frieden rufen.
Rufe sie zu Buße, wenn sie den Krieg verherrlichen.
Lass alle Verirrungen der Christenheit, wo sie den Krieg verherrlicht,
gestern wie heute im Licht deiner Wahrheit an ihr gerechtes Ende kommen,
damit deine Liebe zu allen wieder leuchten kann und allen,
die sich nach Frieden sehnen.
Wir bitten dich, Gott,
wenn uns das Gebet innerlich frei macht,
dass wir auch nicht vergessen,
wo sonst noch Gewalt und Unrecht geschieht auf der Welt,
wo Menschen hungern und unter der Gier der Menschheit leiden,
wo sonst noch Kriege geführt werden,
wo Menschen gegeneinander streiten in Familien, Orten und Ländern.
Wo Menschen voller Angst um ihr Leben und voller Schmerz und Einsamkeit nach dir rufen.
Wir bitten dich, Gott,
lass uns nicht allein
und gib uns Kraft miteinander zu beten.
So, wie es Jesus uns gelehrt und von uns gefordert hat
Vater unser im Himmel,
geheiligt werde Dein Name.
Dein Reich komme.
Dein Wille geschehe,
wie im Himmel, so auf Erden.
Unser tägliches Brot gib uns heute.
Und vergib uns unsere Schuld,
wie auch wir vergeben unsern Schuldigern.
Und führe uns nicht in Versuchung,
sondern erlöse uns von dem Bösen.
Denn dein ist das Reich und die Kraft
und die Herrlichkeit in Ewigkeit.
Amen.
- Segen
Es segne und behüte uns der allmächtige und barmherzige
Gott, Vater, Sohn und Heiliger Geist.
Er bewahre uns vor Unheil und führe uns zum ewigen Leben.
Amen.
(Pfr. Olaf Wisch)